Einen entscheidenden Mechanismus für die Wirkung der Immuntoleranz-Induktionstherapie (ITI) bei der Behandlung von Patienten mit Hämophilie-A haben Forscher der Universität Bonn nachvollzogen. Die gewonnen Erkenntnis könnte nicht bei der Therapie der Hämophilie-A nützlich sein.
Eine Hauptkomplikation der Hämophilie-A-Therapie ist die Entwicklung von Alloantikörpern (Inhibitoren), die den intravenös verabreichten Gerinnungsfaktor VIII (FVIII) neutralisieren, die sog. Hemmkörper-Hämophilie. Die langwierige und teure Immuntoleranz-Induktionstherapie (ITI) durch wiederholte FVIII-Injektion kann Inhibitoren eliminieren und dadurch die Morbidität und die Behandlungskosten reduzieren. Der ITI-Erfolg ist jedoch schwer vorherzusagen, und die zugrunde liegenden immunologischen Mechanismen sind unbekannt. Hier setzten die Bonner Forscher an.
Sie konnten zeigen, dass die Immuntoleranz gegen FVIII unter nicht-hämophilen Bedingungen durch PD-Ligand 1 (PD-L1)-exprimierende regulatorische T-Zellen (Treg) aufrechterhalten wird, deren Bindung an das Transmembranprotein PD-1 von FVIII-spezifischen B-Zellen zu deren Apoptose führt. FVIII-defiziente Mäusen, denen FVIII injiziert wurde, fehlen solche Tregs und sie entwickeln Inhibitoren. In einem ITI-Mausmodell war festzustellen, dass eine wiederholte FVIII-Injektion FVIII-spezifische PD-L1+-Tregs und eine erneute Entfernung von Inhibitor-bildenden B-Zellen induziert. Die Bonner Gruppe hat die Existenz von FVIII-spezifischen Tregs auch beim Menschen nachgewiesen und gezeigt, dass solche Tregs PD-L1 nach erfolgreicher ITI hochregulieren. Gleichzeitig regulierten FVIII-spezifische B-Zellen PD-1 hoch und können durch Tregs zur Apoptose veranlasst werden.
Entwicklung neuer Behandlungsmethoden
Die Ergebnisse zeigen, dass die PD-1-vermittelte B-Zell-Toleranz gegen FVIII bei gesunden Personen und bei Hämophilie-A-Patienten ohne Inhibitoren abläuft und dass ITI bei Vorliegen von Hemmkörpern diesen Mechanismus wieder aktiviert. Diese Ergebnisse können die Überwachung des ITI-Erfolgs mit einem derzeit in Entwicklung befindlichen Bluttest und damit die Behandlung von Patienten mit Hemmkörper-Hämophilie verbessern, hoffen die Bonner Forscher.
Prof. Dr. Christian Kurts, Direktor des Instituts für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie (IMMEI) des UKB, sagt, dass „unsere Erkenntnisse großen grundlagenwissenschaftlichen Wert haben. Und zwar nicht nur für die Hämophilie, sondern auch für andere angeborene Erkrankungen, bei denen fehlende Proteine therapeutisch ersetzt werden. Langfristig könnten sie sich auch zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden nutzen lassen“.
Pressemitteilung Universität Bonn, Oktober 2022
Becker-Gotot J et al.; J Clin Invest. 2022 Sep 15:e159925 (DOI 10.1172/JCI159925).