Die Tatsache, dass immer häufiger private Investoren Praxen oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ) betreiben, darf sich nicht negativ auf die Qualität der Behandlung auswirken. Darauf weist die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) anlässlich der Sitzung „Einfluss von Investoren auf ärztliche Tätigkeit – Fakt oder Fiktion“ bei einer AWMF-Veranstaltungsreihe von Ärzten und Juristen hin.rten Analyse war eine systematische Gegenüberstellung von Bewertungen aktueller IGeL-Themen und den Empfehlungen aus evidenzbasierten Leitlinien.
„Das primäre Ziel von Investoren, laufende Erträge zu erzielen und den Wert der Praxis zu steigern, ist grundsätzlich nicht verwerflich, sofern die Behandlungsqualität der Patientinnen und Patienten nicht darunter leidet. Damit verbunden stellt sich jedoch die Frage, ob sich die Art der Behandlung unterscheidet, wenn private Investoren die Praxen oder MVZ betreiben“, betonte Prof. Dr. med. Rolf-Detlef Treede, Präsident der AWMF zur Relevanz des Themas. Darüber hinaus gelte es durch Studien zu untersuchen, woher die Gewinne stammen, die investorenbetriebene MVZ oder Praxen machen: „Die Gründe dafür können sowohl in einer effizienteren Beschaffung, einer schlechteren Vergütung des Personals oder in höheren Erträgen aus GKV-Beiträgen liegen“, so Treede.
Das Ziel jedes Investors läge in der Erwirtschaftung von Kapital – erklärte Prof. Dr. rer. pol. Simon Reif, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheitsmärkte in Deutschland am Leibnitz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Ärztliche Praxisinhaber müssten letztlich nach gleichen Prinzipien arbeiten, um Mitarbeiter, Geräte und Sachmittel bereitzustellen. Die entscheidende Frage sei jedoch, ob eine schlechtere Versorgung erfolgt, wenn Praxen oder MVZ von Investoren betrieben werden. Daten aus den USA zeigen, dass es zu negativen Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung kommen kann, wenn Einrichtungen von Private Equity Gesellschaften (PEG) betrieben werden. Welche Unterschiede sich in Deutschland etwa bezogen auf die Versorgungsqualität ergeben, müsse in Studien untersucht werden. Für eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik müsse hier der Zugang zu Daten für die Wissenschaft verbessert werden.
Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in Investorenhand
In den letzten Jahren ist die Zahl der Ankäufe von Arztpraxen oder Medizinischen Versorgungszentren durch Private Equity Investoren rasant gestiegen. 2021 wurden 140 Praxen und MVZ aufgekauft, 2011 waren es noch 81. Der Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein und Allgemeinmediziner Bernd Zimmer ging auf ein aktuelles, im Auftrag der KV-Bayern erstelltes Gutachten des IGES-Institut Berlin ein, das bei Private Equity Gesellschaften ein im Vergleich zu Einzelpraxen um 8,3% erhöhtes Honoraraufkommen gezeigt habe. Solche Ergebnisse könnten darauf hindeuten, dass ökonomische Motive im Vergleich zu Einzelpraxen eine größere Rolle spielen. Es bestehe die Gefahr, dass in den renditeorientierten Niederlassungen bevorzugt lukrative Behandlungen angeboten werden, während andere Versorgungsaufgaben, welche nicht zur geforderten Rendite beitragen, leiden bzw. von anderen Leistungsträgern erbracht werden müssen. Zimmer sieht deshalb dringenden Regelungsbedarf für MVZ, etwa darin, mehr Transparenz über die Besitzverhältnisse zu schaffen und Marktanteile zu begrenzen.
Patientenwohl muss im Vordergrund stehen
Dr. iur. Stephan Rau, der insbesondere Ärzte und nichtärztliche Investoren bei Praxis- und Unternehmenskäufen berät, beklagte die Unsachlichkeit und Pauschalität der Vorwürfe mancher ärztlicher Standesvertreter und Politiker gegen nichtärztliche Investoren. MVZ böten den Vorteil, wirtschaftliche und ärztliche Aufgaben zu trennen – zum Vorteil von Behandlern und Patienten. Kapital-gesteuerte Ziele seien bei Investoren, Krankenhäusern und Vertragsärzten gleich. Die Gefahr der „Rosinenpickerei“, also der ausschließlichen Erbringung besonders gut honorierter Leistungen besteht aus Sicht von Rau ebenso unabhängig von den Eigentumsverhältnissen. Hiergegen sei der Gesetzgeber noch nicht vorgegangen, weil die Spezialisierung auf bestimmte Leistungen durch Ärzte eine hohe Qualität dieser sicherstellen sollte. Dem Gesetzgeber stünde es aber frei, dies zu ändern. Regelungen, die darauf abzielen nur nichtärztliche Investoren aus der ambulanten Versorgung zu verdrängen, seien dagegen verfassungswidrig.
„Klar ist, dass immer das Patientenwohl und nichtökonomische Interessen im Vordergrund stehen müssen. Die Indikations- und Ergebnisqualität ist daher ein entscheidender Parameter in der Patientenversorgung, unabhängig davon, wer Betreiber ist“, fasste der Moderator der Sitzung, Prof. Dr. med. Hans-Friedrich Kienzle zusammen. Unabdingbar sei auch, dass die Entscheidungsfreiheit der häufig angestellten Ärztin oder Ärzte unberührt bleibe. „Die Hoheit über eine Behandlung muss immer beim behandelnden Arzt liegen. Sie ist ein entscheidender Faktor für eine am Patientenwohl orientierte Gesundheitsversorgung, die nicht von wirtschaftlichen Interessen getrieben sein darf“. Daher sei es auch wichtig, die Freiberuflichkeit weiter zu stärken und die Niederlassung für Ärztinnen und Ärzte erschwinglich zu halten.
Pressemitteilung „Ärzte und Juristen der AWMF: Patientenversorgung darf nicht von Investoren-Interessen getrieben sein“. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften(AWMF), Berlin, 20.12.2023 (https://www.awmf.org/service/awmf-aktuell/default-621339d7bddc2836aa3ee72e8e84d4e7-14).