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Gesundheitssystem

Inkretinmimetika drücken Umsatzprognosen

18.7.2024

Inkretinmimetika zum Abnehmen versprechen die pharmazeutischen Blockbuster der Zukunft zu werden: Die Pipelines vieler Hersteller sind gefüllt, orale Applikationsformen werden erwartet genauso wie sinkende Preise. Eine aktuelle Analyse hat sich mit den finanziellen Folgen dieser Entwicklung beschäftigt, denn bereits ein nur mäßig reduzierter Anteil von Menschen mit Adipositas verringert die Umsätze in Bereichen wie Diabetes und Folgeerkrankungen, Herzkreislauferkrankungen, Dialyse, Endoprothetik oder anderen Indikationsbereichen und Märkten.

Dabei haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Basis aktueller klinischer Daten ermittelt, wie sich die GLP-1-RA-Produkte auf den Umsatz anderer medizinischer Produkte auswirken. Hierfür wurden primäre Forschungsquellen, einschließlich zentraler Metaanalysen, ausgewertet, um die risikosenkende Wirkung von GLP-1-RA in mehreren wichtigen Gesundheitsfeldern abzuschätzen.

Insulin

Dabei wurde klar, wie GLP-1-RA den Insulinmarkt beeinflussen könnten: Zum einen durch ihre direkte Wirkung auf die Verbesserung des Blutzuckerspiegels bei Personen mit Diabetes, zum anderen durch ihren Einfluss auf Personen ohne Diabetes, die andernfalls einen Typ-2-Diabetes entwickelt hätten. Die Analyse geht hinsichtlich der Verringerung der Zahl von Prädiabetes-Betroffenen von einem Rückgang der Gesamtnachfrage nach Insulin bei Typ-2-Diabetes um 5 %  aus. Unter dem Gesichtspunkt der Verringerung des Insulinbedarfs bei Personen, die bereits Insulin für Typ-2-Diabetes benötigen, deuten die Daten sogar auf eine 15-%ige Verringerung des Bedarfs an Basalinsulin bzw. eine 37,5%ige Verringerung der erforderlichen Bolusinsulin-Dosis hin. Zusammengenommen wird geschätzt, dass dies alleine im deutschen Markt bis 2033 zu einem jährlichen Einnahmenverlust aus Insulinmedikamenten von 620 bis 680 Millionen Euro führen wird. Auch im diabetesabhängigen Medizintechnikbereich ergab die Analyse jährliche Einbußen von 270 bis 300 Millionen Euro. Summa summarum: GLP-1-Rezeptoragonisten werden die Einnahmen im Insulinmarkt jährlich um circa 3,7 bis 4,1 % schmälern. Auswirkungen auf ambulante und stationäre Versorgung sind dabei noch nicht einmal erfasst.

Herzinfarkt  

Die frappierenden Auswirkungen von Semaglutid auf Herzkreislauferkrankungen, wie sie u. a. die SELECT-Studie gezeigt hat, z. B. die signifikante Senkung der Rate von Herzinfarkten, war Grundlage der Berechnung zur Verwendung von Koronarstents: Diese verringert sich durch GLP-1-RA um 17 %,  was bis 2033 zu einer jährlichen Ausgabenreduzierung von 55 bis 60 Millionen Euro in Deutschland führen würde. Auch bei den wichtigsten Medikamenten für die Akutbehandlung von Herzinfarkten zeigt sich, dass bis 2033 jährliche Umsatzeinbußen in Höhe von 45 bis 50 Millionen Euro zu erwarten sind.

Dialyse

Semaglutid wirkt, wie Studien zeigen, auch nephroprotektiv und könnte so bei chronischen Nierenerkrankungen helfen. Die jetzt vorgelegte Analyse zeigt, dass hinsichtlich der Patientengruppe mit Nierenversagen und Dialysepflicht ein Rückgang der Dialysenutzung um 12 % bis 2033 prognostizierbar ist. Dies wird zu einer Verringerung der jährlichen Einnahmen um 13 bis 15 Millionen Euro in Deutschland führen. Allerdings, so gesteht die Forschungsgruppe ein, ist diese Schätzung angesichts einer recht dünnen Datenlage eher vage (im Vergleich zu den robusten Analysen zu Diabetes und Herzinfarkt).

Ebenfalls eher grobe Schätzungen stellen die Zahlen zum Rückgang von CPAP- und APAP-Geräten bei obstruktiver Schlafapnoe dar – es könnte zu einem durchschnittlichen jährlichen Nachfragerückgang von 20 bis 23 Millionen Euro kommen. Auch bei der Zahl der Kniegelenkersatzoperationen wird sich viel verändern, da sich unter GLP-1-RA nach ersten Studien die Zahl dieser Eingriffe halbiert. So kann mit einem stetigen Rückgang an Operationen gerechnet werden, der sich bei Kniegelenkersatz noch deutlicher als bei Hüftgelenkersatz auswirken wird. Insgesamt schätzt die Analyse den jährlichen durchschnittlichen Umsatzrückgang bis 2033 auf 90 bis 100 Millionen Euro bei künstlichen Kniegelenken und auf 50 bis 60 Millionen bei künstlichen Hüften ein.

Die Anwendungsbereiche für GLP-1-RA und vergleichbare Wirkstoffe sind zahlreich und betreffen auch noch weitere Bereiche, wie etwa bariatrische Chirurgie, eventuell auch die diabetische Retinopathie und andere Indikationen, fasst die Autorengruppe zusammen. Aus ihrer Sicht gibt es derzeit wohl keine zweite Medikamentengruppe, deren Wirkung aus gesundheitsökonomischer Sicht so vielversprechend ist und die so viele Therapiebereiche verändert wie die Inkretinmimetika.

Leschinsky F, Pio B, Wolske B: Eine Spritze revolutioniert den Pharma-Markt
impact. 2024, Apr.;56 (https://www.de.kearney.com/health/glp1-pharmamarkt-impact).
* Novo Nordisk: International Press Briefing, Online, 21.5.2024. Veranstalter: Novo Nordisk A/S, Bagsværd, Dänemark.

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