Einige Studien zeigten in der Vergangenheit wiederholt Hinweise auf den möglichen Anstieg des Demenzrisikos durch die Einnahme von Protonenpumpenhemmern (PPI). Andere Erhebungen konnten dies nicht bestätigen, so auch zwei jüngere Metaanalysen. Die Auswertung von Daten aus der prospektiven, bevölkerungsbasierten, longitudinalen ARIC-Studie liefert nun neue Evidenz, so meldet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), dass die kumulative Anwendung von PPI über einen Zeitraum von >4,4 Jahren mit einem erhöhten Demenzrisiko assoziiert ist.
Da die Entwicklung einer Demenz eine lange Latenzzeit aufweist, erscheint es sinnvoll, wie in der ARIC-Studie geschehen, zu untersuchen, ob eine längere kumulative PPI-Exposition mit einem höheren Risiko für Demenzerkrankungen einhergeht. Die verwendeten Daten stammen aus der prospektiven bevölkerungsbasierten longitudinalen ARIC-Studie („Atherosclerosis Risk in Communities“, https://aric.cscc.unc.edu/aric9/). Diese US-Langzeitstudie hat die umfassende Untersuchung der Ätiologie von Atherosklerose, kardiovaskulären Risikofaktoren sowie deren klinischen Folgen zum Ziel. Von 1987 bis 1989 wurden 15.792 Männer und Frauen im Alter von 45-64 Jahren in ARIC eingeschlossen.
Der PPI-Gebrauch wurde anhand einer visuellen Medikamentenerfassung bei sieben planmäßigen Klinikbesuchen zwischen 1987 und 2019 und jährlichen Studientelefonaten (ab 2012 halbjährlich) ermittelt. Die vorliegende Studie verwendet die ARIC-Visite 5 (2011-2013) als Basis, da ab dieser Zeit der PPI-Einsatz üblich war. Die PPI-Exposition wurde auf zwei Arten erfasst: aktuelle Verwendung bei Besuch 5 und Häufigkeit und Dauer der Verwendung vor Besuch 5. Bei Besuch 5 konnten (insgesamt 6.538 untersuchte Teilnehmende) 5.712 Personen ohne Demenz (Durchschnittsalter 75,4±5,1 Jahre; 58 % weiblich) in die Analyse einbezogen werden. Studienendpunkt war die Demenzinzidenz nach Visite 5, die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 5,5 Jahre. Die Ergebnisse wurden hinsichtlich demografischer Faktoren, Begleiterkrankungen und Begleitmedikationen statistisch adjustiert (d.h. Störeffekte herausgerechnet).
Weitere Forschung notwendig, um die Zusammenhänge zwischen dem kumulativen PPI-Einsatz und der Entwicklung von Demenz zu untersuchen
Die niedrigste kumulative PPI-Exposition aller Teilnehmenden betrug 112 Tage; die maximale 20,3 Jahre. Bei 585 Teilnehmenden wurde während des Follow-up eine Demenzdiagnose gestellt. Personen, die bei Besuch 5 aktuell PPI verwendeten, hatten kein höheres Demenzrisiko als diejenigen, die keine PPIs verwendeten. Personen mit einer kumulativen PPI-Einnahme von mehr als 4,4 Jahren vor Visite 5 hatten allerdings ein um 33% höheres Risiko (HR: 1,3) als diejenigen ohne PPI-Gebrauch. Bei geringerem PPI-Gebrauch (kumulativ <4,4 Jahre) gab es keine signifikanten Assoziationen zum Demenzrisiko.
„Die Ergebnisse dieser Studie sind als Sicherheitssignal bei häufiger PPI-Einnahme ernst zu nehmen. Weitere Forschung ist aber dringend notwendig, um die Zusammenhänge zwischen dem kumulativen PPI-Einsatz und der Entwicklung von Demenz zu sichern und vor allem die Kausalität zu verstehen“, so Prof. Dr. med. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. „Eine dauerhafte Verschreibung und die längerfristige Behandlung mit PPI ohne gesicherte Indikation sollte nicht erfolgen und die Patientinnen und Patienten sollten auf mögliche Risiken bei Langzeitgebrauch hingewiesen werden, auch in den Apotheken, da kleine PPI-Packungen frei käuflich sind.“
Pressemitteilung „ARIC Studie: kumulatives Demenzrisiko bei Gebrauch von Protonenpumpenhemmern“. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Berlin, 21.8.2023 (https://dgn.org/artikel/aric-studie-kumulatives-demenzrisiko-bei-gebrauch-von-protonenpumpenhemmern).
* Northuis C et al.: Cumulative Use of Proton Pump Inhibitors and Risk of Dementia: The Atherosclerosis Risk in Communities Study. Neurology. 2023 Aug 9:10.1212/WNL.0000000000207747 (DOI 10.1212/WNL.0000000000207747).