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COVID-19

Substantieller Anstieg der Suizidrate

29.12.2023

Die starke Belastung der Bevölkerung durch die Krisen der vergangenen Jahre wie der COVID-19-Pandemie oder des Ukrainekrieges spiegelt sich in einer aktuellen Analyse von Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Leipzig wider. Waren die Suizidraten vor den Jahren der Pandemie in Deutschland noch im Abwärtstrend, sind sie im Jahr 2022 bei beiden Geschlechtern substantiell angestiegen, vor allem in der Altersgruppe ab 60 Jahren. Das Bundesland Sachsen verzeichnet die höchste Suizidrate.

Die Gruppe an der Universitätsmedizin Leipzig wertet regelmäßig Statistiken zu Todesfällen und Daten aus der Kriminalstatistik aus. „Wir wissen, dass Vorhersagen der Suizidraten fehleranfällig sind. Schon während der COVID-19 Pandemie befürchteten Fachleute einen Anstieg der Suizide. Dies hat sich rückblickend für Deutschland, aber auch international, nicht bestätigt. Angesichts der vielfältigen Belastungen, die uns die Pandemie abverlangt hat, ist diese Resilienz erstaunlich. Gerade deshalb hat uns der deutliche Anstieg der Suizidraten um 9 % bei Männern und 7 % bei Frauen im Vergleich zum Vorjahr nach Berücksichtigung der Altersverteilung überrascht, auch wenn die geopolitischen und wirtschaftlichen Verwerfungen des Jahres 2022 ohne Frage ein Risikoumfeld darstellen“, erläuterte Erstautor PD Dr. med. Daniel Radeloff.

Warum bei der Analyse nicht wie üblich Daten des Statistischen Bundesamt verwendet wurden, beschreibt Prof. Dr. med. Jon Genuneit: „Die Suizidraten werden regelmäßig vom Statistischen Bundesamt ausgewertet, allerdings liegen die Ergebnisse erst Ende des Folgejahres vor, so wurden die Zahlen für 2022 kürzlich veröffentlicht. Wir haben für unsere Analyse die Daten der polizeilichen Kriminalstatistik für 2022 verwendet, die uns bereits im Februar vorlagen. Diese sind zwar nicht ganz so exakt wie die Daten des Statistischen Bundesamtes, weil sie unter anderem nicht bei nachträglicher Klärung durch eine Obduktion korrigiert werden. Aber wir konnten damit dennoch verlässlich und vor allem deutlich schneller die Änderung der Suizidraten wissenschaftlich dokumentieren. Das ist wichtig für zeitnahe politische Maßnahmen und die rechtzeitige Schaffung eines Problembewusstseins bei Akteuren im Gesundheitswesen sowie in der gesamten Gesellschaft“.

Anstieg ab 60 Jahren

Den aktuellen Zahlen auch des Statistischen Bundesamts zufolge hat das Bundesland Sachsen mit rund 17 Suiziden pro 100000 Einwohnern im Vergleich der Bundesländer die höchste Suizidrate.„Eine Abweichung zu anderen Bundesländern ist bekannt, wobei die Suizidraten in Teilen durch die abweichende Altersstruktur und Unterschiede in der regionalen Bevölkerungsdichte erklärt werden können. Bei Männern liegen die Suizidraten unter Berücksichtigung der Altersverteilung in den vergangenen Jahren in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen höher als in anderen Bundesländern; bei Frauen sind es neben Sachsen auch Hamburg, Berlin und Schleswig-Holstein. Ein Ranking der Bundesländer sollte nicht in den Fokus rücken, denn das Suizidrisiko ist ja für Menschen in einer Notlage veränderbar. Insofern sind wir dafür, die Chancen zu betonen: Wir sollten uns den individuellen Handlungsspielraum bewusst machen, der die Bewältigung einer Krise ermöglicht. Der wird regelmäßig unterschätzt“, erklärte Radeloff.  

Die Untersuchung kann weder den Anstieg der Suizidraten insgesamt oder speziell den in der Altersgruppe ab 60 Jahren erklären. „Wir haben in unserer Studie dargestellt, dass die Suizidraten in 2022 nicht mehr dem Trend der Vorjahre folgen und dass dies keine zufällige Schwankung ist. In der Tat konnten wir feststellen, dass diese Änderung vor allem durch die älteren Bevölkerungsgruppen getragen wird. Die Ursachen für den Anstieg des Suizidrisikos in dieser Altersgruppe können wir mit unseren Daten nicht aufdecken. Möglicherweise waren Menschen höheren Alters in 2022 mit stärkeren finanziellen und Zukunftssorgen konfrontiert als jüngere Menschen“, sagte Genuneit.

Pressemitteilung„Deutlicher Anstieg der Suizidraten in Deutschland“. Universität Leipzig,4.12.2023 (https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/deutlicher-anstieg-der-suizidraten-in-deutschland-2023-12-04).
Radeloff D et al.: Suicide trends in Germany duringthe COVID-19 pandemic and the war in Ukraine. Psychiatry Research. 2023 Dec,330:115555 (DOI 10.1016/j.psychres.2023.115555).

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