Patienten mit Autoimmunerkrankungen haben ein deutlich erhöhtes Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders steigt das Risiko, wenn es um jüngere Menschen geht, die mehrere Autoimmunerkrankungen haben. Das geht aus einer Studie mit Versorgungsdaten von über 22 Mio. Menschen hervor.
In der bevölkerungsbasierten Studie wurden Informationen aus der Primär- und Sekundärversorgung von Datensätzen der Clinical Practice Research Datalink (CPRD, Datensätze „GOLD“ und „Aurum“) verwendet, um eine Kohorte von Personen im Vereinigten Königreich zusammenzustellen, bei denen zwischen Anfang 2000 und Ende 2017 mindestens eine von 19 Autoimmunerkrankungen neu diagnostiziert wurden, die bei der Diagnosestellung jünger als 80 Jahre waren und die bis zu zwölf Monate nach der Studienaufnahme noch keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten. Die dazu passende Kontrollkohorte bestand aus Personen, die bis zu zwölf Monate nach Studieneintritt weder Autoimmunerkrankungen noch kardiovaskuläre Erkrankungen hatten. Die Nachbeobachtung wurde für beide Gruppen bis Mitte 2019 fortgesetzt. Zielgröße war die Inzidenz von zwölf kardiovaskulären Erkrankungen. Die statistischen Unterschiede zwischen beiden Kohorten wurden mittels Cox-Proportional-Hazards-Modell beschrieben.
Insgesamt wurden in den Forschungsdatenbanken über 22 Millionen Personen identifiziert, von denen 446.449 Menschen entsprechend der Einschlusskriterien unter Autoimmunerkrankungen litten. 2.102.830 Personen wurden als passende Kontrollpersonen selektiert. Das mittlere Alter bei Diagnose betrug in der Autoimmunkohorte 46,2 Jahre (Standardabweichung 19,8 Jahre), 60,8% waren Frauen. Im Verlauf der medianen Nachbeobachtungszeit von 6,2 Jahren (Interquartilenbereich 2,7-10,8 Jahre) entwickelten 15,3% der Patienten mit Autoimmunerkrankungen und 11,0% ohne diese eine kardiovaskuläre Erkrankung. Die Inzidenzrate der Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrug 23,3 Ereignisse pro 1.000 Patientenjahre bei Patienten mit Autoimmunerkrankung und 15,0 Ereignisse pro 1.000 Patientenjahre bei Patienten ohne Autoimmunerkrankung (Hazard Ratio 1,56 [95%-KI 1,52-1,59]).
Gerechtfertigte Präventionsmaßnahmen, besonders bei den Jüngeren
Ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Autoimmunerkrankungen wurde bei allen erfassten Herz-Kreislauf-Problemen beobachtet und nahm mit der Anzahl der vorhandenen Autoimmunerkrankungen progressiv zu (bei einer Erkrankung: HR 1,41 [95%-KI 1,37-1,45]; zwei Erkrankungen: 2,63 [2,49-2,78]); drei oder mehr Erkrankungen: 3,79 [3,36-4,27]), besonders in jüngeren Altersgruppen (Alter <45 Jahre: 2,33 [2,16-2,51]; 55–64 Jahre: 1,76 [1,67-1,85]; ≥75 Jahre: 1,30 [1,24-1,36]). Mit dem statistisch höchsten kardiovaskulären Gesamtrisiko gingen systemische Sklerose (3,59 [2,81-4,59]), Morbus Addison (2,83 [1,96-4,09]), systemischer Lupus erythematodes (2,82 [2,38-3,33]) und Typ-1-Diabetes (2,36 [2,21-2,52]) einher.
Die beteiligten Forscher betonen, dass diese Ergebnisse gezielte kardiovaskuläre Präventionsmaßnahmen, insbesondere bei jüngeren Patienten mit Autoimmunerkrankungen rechtfertigen. Zudem sollte weiter erforscht werden, welche pathophysiologischen Mechanismen den beobachteten statistischen Assoziationen zugrunde liegen.
Conrad N et al.: Lancet. 2022 Sep 3;400(10354):733-743. (DOI 10.1016/S0140-6736(22)01349-6).