Bei Arzneimitteln bleibt die Lieferversorgung schwierig. Die Gründe liegen meist in der unveränderten Liefer- und Produktionssituation wegen der Corona-Pandemie. Der deutsche Apothekertag fordert die Rückverlegung der Produktionsstätten in den europäischen Raum.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) meldet aktuell (16.9.2022) bei 303 Arzneimitteln Lieferengpässe. Die Lieferengpass-Datenbank des Instituts wird täglich aktualisiert. Die zentrale Frage nach den vor allem ökonomisch diktierten Ursachen wird jedoch kaum thematisiert. Das BfArM kennt nur zwei Ursachen: „Produktionsproblem“ oder „Sonstige“. Die KKH stellt dazu fest, dass die Gründe für die Knappheit, die bereits seit vielen Jahren besteht, vielfältig sind. Im Fall der Ibuprofen- und Paracetamol-haltigen Fiebersäfte könnte eine Ursache die erhöhte Nachfrage aufgrund der Grippe- und Erkältungswelle während der Sommermonate sowie der anhaltenden COVID-19-Pandemie sein.
„Aber es gibt auch grundlegende Probleme: Die Herstellung von Arzneimitteln wurde in der Vergangenheit systematisch in Billiglohnländer außerhalb von Europa ausgelagert, um kostengünstiger produzieren zu können. Die Pharma-Firmen haben ihre Produktionsstätten inzwischen auf wenige Standorte konzentriert“, so Sven Seißelberg, Apotheker bei der KKH. Kommt es in einem Bereich zu unvorhergesehenen Verzögerungen, kann dies die gesamte globale Lieferkette beeinflussen. Gerade auf Produktionsstandorte in China wirkt sich auch die Corona-Pandemie nach wie vor aus. Aufgrund der strengen Maßnahmen und den anhaltenden lokalen Lockdowns stehen ganze Fabrikhallen leer, wodurch sich die Produktion erheblich verzögert und die Lieferketten gestört werden. Weitere Gründe betreffen fehlende Gewinnmöglichkeiten von Anbietern und Produktrücknahmen, sei es im Rahmen von Rabattverträgen oder bei fehlendem „Zusatznutzen“ (nach AMNOG).
Seißelberg fordert deshalb: „In Zukunft sollten solche Engpässe durch gesetzliche Steuerungsmaßnahmen verhindert werden, um eine sichere Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Denn damit Medikamente ihre Wirkung entfalten und den Genesungsprozess fördern, ist eine unterbrechungsfreie Einnahme wichtig.“ Unter der Rubrik „Sicherstellung der Versorgung“ hat die Hauptversammlung des Deutschen Apothekertags eine Reihe von Beschlüssen zu Lieferengpässen gefasst. So wird die Re-Lokalisierung der Herstellung von Wirkstoffen und Arzneimitteln unter hohen Umwelt- und Sozialstandards in der Europäischen Union gefordert.
Pressemitteilung KKH Kaufmännische Krankenkasse, September 2022
Pressemitteilung Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), September 2022