„Alle Länder der Erde sind von Arzneimittelfälschungen betroffen – mit einer breiten Grauzone zwischen krimineller Absicht und nachlässiger Qualitätskontrolle. In den reichen Ländern der westlichen Welt sind schätzungsweise 1 % der Arzneimittel in der legalen Vertriebskette gefälscht – mit steigender Tendenz.
Dr. Ulrike Holzgrabe
Seniorprofessorin für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Würzburg
ulrike.holzgrabe@uni-wuerzburg.de
Besonders viel riskiert, wer seine Medikamente über das Internet bezieht. Denn im Online-Handel beträgt der Fälschungsanteil weltweit 50 %. Das lukrative Geschäft mit den Fälschungen ist auch eine Folge der Globalisierung, denn die Herstellung ist ein internationaler Prozess, alles wird einmal um die Welt geschippert. Das macht es viel einfacher, eine Fälschung in die normalen Lieferketten einzuschleusen. Das seit 2019 europaweit eingeführte securPharm-Sicherheitssystem bietet zwar einen gewissen Schutz, doch keine umfassende Sicherheit. Denn durch Abgleich des Data-Matrix-Codes auf jeder Einzelpackung mit den Angaben des Herstellers wird in der Apotheke quasi nur die Verpackung überprüft – über die Qualität der enthaltenen Inhaltsstoffe kann das System keine Angaben machen. So wurden erst im Sommer 2023 im Zuge des Hypes um die „Abnehmspritze“ Fälschungen von Pens in Umlauf gebracht, die Insulin glargin statt Semaglutid enthielten und massive Unterzuckerungen auslösten. Die Fälschungen wurden schließlich von Apothekern entdeckt, die Packungen geöffnet und darin anders geformte Pens vorgefunden hatten. Generell gilt: Fälschungen häufen sich immer bei großer Nachfrage und Knappheit des Arzneimittels. Am besten schützt man sich, indem man sichere Bezugsquellen wählt – und das ist an erster Stelle immer noch die Apotheke vor Ort.“