Ein Purinnucleosid namens Inosin könnte die Fettverbrennung in braunen Fettzellen steigern – zumindest in Mäusen, stellen Forscher aus Bonn fest. Mutmaßlich funktioniert dieser Mechanismus auch in Menschen und könnte einen weiteren Einblick in die Mechanismen der Adipositas geben.
Braunes Fettgewebe spielt bei der Thermogenese eine wichtige Rolle und fördert die kardiovaskuläre Gesundheit. Der Verlust von braunen Fettzellen bei Adipositas oder im Alter ist ein prinzipielles, den Abnehmerfolg limitierendes Problem bei der Übergewichtstherapie. Allerdings ist kaum etwas darüber bekannt, wie es zur Apoptose der braunen Fettzellen kommt. Die Forschergruppe aus Bonn, Hamburg, Leipzig, Neuherberg und Houston hat bei ihren Untersuchungen hierzu nun Inosin als zentrales Molekül identifiziert, das die braunen Fettzellen dazu stimuliert, die Fettverbrennung zu erhöhen.
„Es ist bekannt, dass sterbende Zellen oft einen Mix aus Botenstoffen abgeben, die das Verhalten ihrer Nachbarn beeinflussen“, erläutert Dr. Birte Niemann von der Bonner Arbeitsgruppe. „Wir wollten wissen, ob das bei braunem Fett genauso ist“. Hierfür untersuchten sie braune Fettzellen aus Mäusen, die sie so stark gestresst hatten, dass die Zellen quasi auf dem Weg in den Tod waren. „Dabei haben wir festgestellt, dass sie in großen Mengen das Molekül Inosin ausschütten“, sagt Niemann. Interessanter war aber, wie intakte braune Fettzellen auf den molekularen Hilferuf reagierten: Sie wurden durch das Inosin (oder auch schlicht durch sterbende Zellen in ihrer Nähe) aktiviert. Der Signalstoff fachte also die Thermogenese in ihnen an. Weiße Fettzellen wandelten sich zudem in braunen Fettzellen um. Mäuse, die sehr energiereiche Nahrung erhielten und gleichzeitig Inosin injiziert bekamen, blieben auch schlanker als ihre Artgenossen und waren vor Diabetes geschützt.
Schlanker mit weniger Inosintransportern?
Eine wichtige Rolle scheint in diesem Zusammenhang der Inosin-Transporter zu spielen: Dieses Protein in der Zellmembran transportiert Inosin in die Zelle und senkt so die Konzentration des Botenstoffs auf deren Außenseite. Das Signalmolekül kann so vermutlich nicht mehr seine thermogenetische Wirkung entfalten. „Es gibt ein Medikament, das eigentlich gegen Gerinnungsstörungen entwickelt wurde, aber auch den Inosin-Transporter hemmt“, sagt Prof. Dr. Alexander Pfeifer vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Bonn, nämlich der Thrombozytenaggregationshemmer Dipyridamol. „Wir haben es Mäusen verabreicht, die daraufhin mehr Energie verbrauchten“. Auch Menschen verfügen über einen Inosin-Transporter. Bei 2-4% aller Menschen ist er durch eine genetische Veränderung weniger aktiv. „Unsere Kollegen an der Universität Leipzig haben 900 Personen genetisch analysiert“, berichtet Pfeifer. „Diejenigen mit dem weniger aktiven Transporter waren im Schnitt deutlich schlanker“.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Inosin auch beim Menschen die Verbrennung in braunen Fettzellen reguliert. Substanzen, die in die Aktivität des Transporters eingreifen, könnten sich daher möglicherweise zur begleitenden Behandlung der Adipositas eignen. Als Ausgangspunkt könnte der erwähnte Thrombozytenaggregationshemmer Dipyridamol dienen. „Es sind aber weitere Studien in Menschen nötig, um das pharmakologische Potential dieses Mechanismus zu klären“, meint Pfeifer.
Pressemitteilung Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Juli 2022
Niemann B et al.; Nature. 2022 Jul 5 (DOI 10.1038/s41586-022-05041-0).