In einem aktuellen Übersichtsbeitrag im „Bulletin für Arzneimittelsicherheit“ beleuchten Autoren des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die bestehenden medikamentösen Adipositas-Behandlungsoptionen mit Blick auf die Arzneimittelsicherheit, einschließlich der potenziellen Risiken, die gemäß der Risikomanagementpläne einer weiteren Evaluierung bedürfen. Darüber hinaus wird ein Ausblick auf aktuelle Entwicklungen und mögliche neue Therapieoptionen gegeben.
Nach Auffassung der Autoren hat sich mit Liraglutid und Semaglutid, die ursprünglich als Antidiabetika entwickelt wurden, der inkretinbasierte Therapieansatz auch in der Behandlung von Adipositas durchgesetzt. Gleichzeitig wird aktuell an weiteren Darreichungsformen und neuen Wirkstoffen aus dieser Gruppe geforscht. Beispielsweise wird Semaglutid, das derzeit nur als subkutane Injektion für Patienten mit Adipositas zur Verfügung steht, zur oralen Anwendung in Tablettenform bei der genannten Population untersucht.
Besonders hervorzuheben ist aus Sicht der Autoren der Wirkstoff Tirzepatid, der bereits seit September 2022 zur Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend eingestelltem Diabetes mellitus Typ 2 als Ergänzung zu Diät und Bewegung in der EU zugelassen ist (Mounjaro). Bei zulassungsrelevanten Wirksamkeits- und Sicherheitsstudien (SURPASS 1-5-Studien) wurde neben dem Glukosekonzentrations- und HbA1c-Wert-senkenden Effekt auch eine gewichtsreduzierende Wirkung des bivalenten Wirkstoffs dokumentiert, heißt es im Arzneimittelsicherheits-Bulletin. Eine weitere klinische Studie (SURMOUNT-1), die mit nicht-diabetischen übergewichtigen Probanden durchgeführt wurde, zeigte, dass die Teilnehmer nach 72 Wochen mit der höchsten Dosis (15 mg subkutan einmal wöchentlich), zusätzlich zu Lebensstilinterventionen, durchschnittlich 20,9% ihres Gewichts verloren (im Vergleich zu -3,1% unter Placebo). Bei Tirzepatid handelt es sich um einen dualen Agonisten am Rezeptor für GLP-1 sowie das glukoseabhängige insulinotrope Polypeptid (GIP).
Mögliche neue Wirkstoffgeneration der der Gruppe der Antiadiposita
Die Aktivierung von GLP-1-Rezeptoren bewirkt ein verstärktes Sättigungsgefühl und verlangsamt die Magenentleerung. Beide Effekte tragen zur gewichtsreduzierenden Wirkung bei und könnten durch die Wirkung von GIP ergänzt werden. GIP ist ein weiteres Inkretinhormon, das auch auf den postprandialen Glukose- und Fettmetabolismus wirkt und u. a. die Funktion des weißen Fettgewebes positiv beeinflusst sowie die Nahrungsaufnahme vermindern kann. Als häufigste Nebenwirkungen traten unter Tirzepatid gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit und Diarrhö auf. Momentan werden noch weitere Studien zu Tirzepatid durchgeführt, beispielsweise zu Auswirkungen auf Morbidität und Mortalität bei Erwachsenen mit Adipositas sowie der potenziellen Risiken eines medullären Schilddrüsenkarzinoms, Pankreaskarzinoms und Komplikationen bei diabetischer Retinopathie. Eine Zulassung für Tirzepatid zur Behandlung der Adipositas wird bei der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) bereits angestrebt.
Die Forschung zu neuen Wirkstoffen für die Behandlung von Adipositas befasst sich unter anderem mit weiteren Polyagonisten, die zusätzlich zum GLP-1- bzw. GIP-Rezeptor auf die Glukagon-Rezeptoren abzielen. Diese scheinen eine neue Wirkstoffgeneration in der Gruppe der Antiadiposita einzuläuten, jedoch bleibt abzuwarten, ob die präliminären Ergebnisse den Weg zu Arzneimitteln mit einem positiven Nutzen-Risiko-Profil bereiten werden.
Katić J et al.: Antiadiposita – zugelassene Wirkstoffe und mögliche neue Therapieoptionen. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. 2023 Jun;2:4-11. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn und Paul-Ehrlich-Institut, Langen (https://www.bfarm.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Bulletin/Ausgaben/2023/2-2023.html?nn=594982).