Es muss nicht immer gleich ein Antidepressivum aufgeschrieben werden, wenn eine Patientin depressive Beschwerden angibt. In vielen Fällen haben Betroffene einen unerkannten Nährstoffmangel oder eine Hormondysbalance, was die Stimmung trüben kann. Einfache Fragen und Labortests helfen dabei, solche Probleme zu erkennen und mit einfachen Mitteln zu lösen.
Gibt es Auslöser, Befindlichkeiten, Belastungen oder Störungen, die auf das Gemüt schlagen? Das ist die erste Frage, die gestellt werden sollte, wenn sich düster trübe Stimmung bei einer Patientin breitgemacht hat. Gesundheit und Wohlbefinden sind das Ergebnis von aktivierenden und hemmenden Vorgängen, die nur ein Ziel haben: Balance. Dies gilt für die Balance des Blutzuckerspiegels genauso wie für das Gleichgewicht der Emotionen.
Das ausgeglichene Gemüt ist der Idealzustand. Stimmungsschwankungen und das Wechselbad der Gefühle sind zunächst normale Anpassungsreaktionen auf Belastungen jeglicher Art. Problematisch wird es, wenn extreme Emotionen wie Depression oder Manie häufiger auftreten oder zum Dauerzustand werden.
• Die echte Depression ist der dunkle Extrempol im Kontinuum der Gefühle.
• Die Manie ist die überbelichtete, grell euphorische Raserei der gehobenen Stimmungslage.
Beide Zustände, echte Depressionen und bipolare Störungen, können lebensbedrohlich sein – wenn sie lange anhalten, unbehandelt bleiben und schwer ausgeprägt sind.[1]
Es gibt viele Ursachen und Auslöser für das Symptom und die Krankheit Depression. Wer sich erstmals in einer grau getönten Welt verliert, sollte zunächst nach dem suchen, was ihm fehlen könnte … oder was die physiologische Schieflage verursachen könnte: ein Nährstoff, ein Hormon oder ein Vitamin? Am häufigsten wird man Störungen der Hormonbalance, etwa der Schilddrüsenfunktion,[2] oder ein Vitalstoffdefizit entdecken, etwa Eisenmangel.[3] Solche Störungen sind leicht und erfolgreich zu behandeln.
Bei jeder Belastung, Verletzung oder Krankheit kann es vorübergehend zum Stimmungseinbruch kommen. Das ist normal. Der Körper wird bemüht sein, eine gesunde ausgeglichene Grundstimmung wiederherzustellen. Echte Depressionen halten hingegen hartnäckig an oder treten rezidivierend auf. Die Körpersysteme sind so stark und andauernd „anderweitig beschäftigt“, dass für die Balance der Glückshormone (z. B. Serotonin) keine Reserven mehr verfügbar sind.
Natürliche Antidepressiva wirken meist ganzheitlich und können verlorengegangene Balancen wiederherstellen – ohne Nebenwirkungen.
Depressive Verstimmung ist zunächst ein Symptom, das ganz unterschiedliche Ursachen haben kann. Werden solche Ursachen, z. B. Vitamin-D-Mangel,[4] Stress und Trauma,[5] erkannt und behandelt, verschwindet die Depression oft. Bleiben Gegenmaßnahmen ohne Auswirkung auf die Gemütslage, wird man von einer echten Depression ausgehen. Sie gilt als psychische Erkrankung.
Depressive Verstimmungen erlebt fast jeder Mensch, aber vergleichsweise wenige Menschen sind von einer echten Depression betroffen.[6] Hauptunterschied beider Störungen ist das Gefühlsempfinden insgesamt. Bei depressiver Verstimmung sind durchaus noch Emotionen wie tränenreiche Trauer oder Schuld möglich. Eine echte Depression ist die Abwesenheit jeder Gefühlsempfindung – für jeden Betroffenen eine unerträgliche Hölle auf Erden.
Ärzte fahnden am besten mit dem „WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden“, mit der „Allgemeinen Depressionsskala“ (ADS) oder dem „Zwei-Fragen-Test“ nach einer depressiven Störung.[7] Patienten können vorab ihre Stimmung selbst testen.[8] Schlafstörungen sind ein führendes Symptom.
Jede Art von Stress verschiebt die Gefühlslage in Richtung Depression. Manchmal bemerkt man es, manchmal nicht. Körperliche und psychische Verletzungen (Traumata) können abheilen. Sie hinterlassen aber bleibende Spuren oder Narben, mit denen Betroffene zurechtkommen müssen. Je nachdem wie stark die Traumatisierung ist, kann auch die Depression unterschiedlich ausgeprägt sein und länger anhalten. Das posttraumatische Belastungssyndrom (PTBS) ist der Endzustand der nicht kompensierten Stimmungsstörung, die chronifizierte depressive Befindlichkeit.
Dauerstress ist die „Seuche des 21. Jahrhunderts“, meint die WHO. Er macht körperlich krank und zerrüttet die Psyche. Dauerstress verbraucht Vitalstoffreserven, gefährdet die Hormonbalance und ebnet den Weg für chronische Beschwerden, die wiederum Stress erzeugen – ein Teufelskreis.
Wer sich nach einer Erkältung erschöpft und deprimiert fühlt, erlebt eine normale Reaktion, die mit der Genesung verschwinden wird. Wer einen Herzinfarkt erlitten hat, muss mit einem schwer depressiven Zustand rechnen. Kliniken versuchen heute vermehrt, das Risiko Depression bei der Therapie des Schlaganfalls[9] und des Herzinfarkts zu berücksichtigen.[10]
Wer eine Trennung vom Lebenspartner durchlitten hat, in einer beruflichen Krise steckt, Arbeitsplatz oder Angehörige verloren hat, wer unter Gewalt, Flucht oder Vertreibung leidet, beruflichen und privaten Dauerstress zulässt oder exzessiv Drogen konsumiert, muss mit depressiven Verstimmungen rechnen. Werden solche Stresszustände ignoriert, kann sich eine echte Depression entwickeln.
Ein Grund für depressive Zustände ist die enge Vernetzung von Immunsystem und Nervensystem.[11] Nach jedem Trauma hat die Genesung Vorrang – eine Neujustierung der Balancesysteme, was zu Abstrichen bei den Glückshormonen führt.
„Natürliche“ Antidepressiva sind alle Mittel, die nichts mit chemischen Antidepressiva zu tun haben. Hierzu gehören Hormone (z. B. Schilddrüsen-, Sexualhormone), Vitamine (B/C/D), Mineralstoffe (z. B. Eisen, Lithium, Magnesium, Zink), körpereigene Stoffe (SAM), Heilkräuter (z. B. Johanniskraut, Rosenwurz), Schlafkuren, Entspannungstraining (z. B. AT, PMR, Yoga), Psychotherapie und kreative Aktivitäten (z. B. Musik, Kunst). Es ist ein überraschend reichhaltiges Angebot, das einzeln oder kombiniert sehr wirksam ist.[12] Natürliche Antidepressiva wirken meist ganzheitlich und können verlorengegangene Balancen wiederherstellen – ohne Nebenwirkungen.
Die häufigsten Mangelzustände, die depressive Verstimmung verursachen, sind Vitamin D-, Eisen-, Vitamin-B12-Mangel[13] und Schilddrüsenstörungen. All diese Zustände lassen sich leicht erkennen und erfolgreich behandeln – wenn man diese Option nicht als belanglos oder unwichtig abtut. Leider ist das Wissen über depressiogene Vitalstoff-Mangelzustände kaum verbreitet. Oft bekommen Patienten beim kleinsten Anflug von gedrückter Stimmung „reflexartig“ Antidepressiva verschrieben. Und es trifft bevorzugt Frauen. Lassen Sie nicht zu, dass Ihre Patientinnen ahnungslos in die „Antidepressiva-Falle“ tappen, wo sie unkontrolliert jahrelang verbleiben. Mitunter steigt dann das Suizidrisiko.[14]
Wenn ein Patient erstmals depressive Verstimmungen äußert, sollten zunächst die Laborwerte von Vitamin D (25[OH]D), B12 (HoloTc/MMA/Homocystein), Eisen (Ferritin) und die Schilddrüsenfunktion (TSH) kontrolliert werden. Mangelzustände können durch Supplementierung leicht beseitigt werden – einfach, preiswert und erfolgreich. Besteht Depressivität dennoch weiter, kann die Antidepressiva-Verordnung sinnvoll sein.
Da natürliche Antidepressiva überwiegend körpereigene oder körperähnliche Stoffe sind, sind echte Nebenwirkungen kaum zu befürchten. Es gibt bei manchen Mitteln bestimmte Vorgaben für die Dosierung und Anwendung, die zu beachten sind. Gesunde Ernährung, körperliche Bewegung, Psychotherapie, Schlafentzug und Kunsttherapie sind sehr sichere Empfehlungen, um depressive Phasen zu überwinden. Es gibt tatsächlich Studien, die die antidepressive Wirkung von Mittelmeerkost nachweisen (siehe Tabelle).[15]
Jede antidepressive Option hat ihre Indikation, Berechtigung und bei richtiger Diagnose auch ihre Erfolgswahrscheinlichkeit. Antidepressiva, alternative Mittel und Psychotherapie können einzeln oder kombiniert dazu beitragen, dass belastende oder gar lebensgefährliche depressive Zustände überwunden werden. Zunächst muss klar sein, ob eine depressive Verstimmung oder eine echte Depression vorliegt. Mangelzustände jeder Art sollten ausgeschlossen oder beseitigt sein.
Alternative Mittel sind die „First-Line-Therapie“ bei depressiven Zuständen und Verstimmungen: Beseitigung von Mangelzuständen, Behandlung von Hormonstörungen, Förderung der Genesung, Stärkung des Immunsystems, Bewegungstraining und künstlerische Aktivitäten.
Psychotherapie kann bei jeder Stimmungsstörung wirksam und empfehlenswert sein. Sie ist gleichfalls eine bedarfsabhängige und temporäre Maßnahme, vor allem in Krisensituationen. Psychotherapie erwies sich in Studien als vergleichbar oder besser wirksam als Antidepressiva.[16]
Wenn weiterhin eine Depression bemerkbar ist, können rezeptpflichtige Antidepressiva hilfreich sein – um die Gemütslage zu stabilisieren oder Suizid vorzubeugen. Antidepressiva sollten generell nur zeitlich begrenzt eingesetzt werden. Frauen haben ein besonders hohes Risiko, von Allgemein- und Hausärzten „reflexartig“ ein Antidepressivum verordnet zu bekommen, sobald die Worte „Angst“, „Depression“, „gedrückte Stimmung“ oder „Trübsinn“ fallen. Antidepressiva sind in solchen Fällen meist unnötig oder gar gefährlich. Sie sind andererseits bei rezidivierender Depression oder bipolaren Störungen wirksame Mittel.
Antidepressiva sind keine nachhaltige Lösung für psychische Störungen und Probleme oder Heilmittel für psychische Erkrankungen. Diese Position vertreten mittlerweile auch Fachgesellschaften und deren Leitlinien. DGPPN-Präsidentin Iris Hauth betont (2015): „Medikamente sollten nie die einzige Behandlungsmöglichkeit sein, sondern immer Teil eines Therapiekonzeptes, das auch Psychotherapie und psychosoziale Hilfen einbezieht.“ Natürliche Antidepressiva sind eine bislang unterschätzte und vielfach ungenutzte Möglichkeit, den Betroffenen einen Weg aus dem dunklen Tal der Depression aufzuzeigen.
[1] Wormer EJ, Bipolar – mit extremen Emotionen leben, humboldt 2018
[2] Wormer EJ, Hashimoto, Mankau 2015, 54 ff.
[3] Wormer EJ, Eisen – das Lebenselement, Kopp 2016, 112 ff.
[4] Wormer EJ, Vitamin D, Kopp 2015, 174 ff.
[5] DeCaporale-Ryan L et al., Curr Probl Surg 2017; 453–502
[6] Hidaka BH et al., Clin Psychol Rev 30, 2010; 145–154
[7] S3-Leitlinie, Unipolare Depression, 2009; S. 66
[8] https://www.mankau-verlag.de/media/pdf/8d/d3/74/Depression_Selbsttest.pdf
[9] Das J et al., Neurosci Biobehav Rev 2018; 104–114
[10] Kumar M et al., Biomed Pharmacother 2017; 487–496
[11] Capuron L et al., Pharmacol Ther 2011; 226–238
[12] Wormer EJ, Natürliche Antidepressiva, Mankau 2017
[13] Wormer EJ, Vitamin B12, Kopp 2017, 110 ff., 176 ff.
[14] Hengartner MP, Front Psychiatry 2017; 275
[15] Sanchez-Villegas, BMC Medicine 2013; doi: 10.1186/1741-7015-11-208
[16] Wagner CJ et al., Int J Methods Psychiatr Res. 2018; doi: 10.1002/mpr.1607