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Allgemeinmedizin

Integrative Krebsbehandlung

Mit oralem Bicarbonat PH-Wert und Tumorprogession kontrollieren?

Dr. med. Christine Adderson-Kisser

24.3.2023

Die saure Mikroumgebung von Tumoren begünstigt den Krankheitsprogress und kann sich auch negativ auf die Krebsbehandlung auswirken. Niedrige Kontroll- und hohe Rezidivraten sind die Folge. Die Einnahme von Natriumbicarbonat kann den pH-Wert anheben und so antitumorale Effekte erzielen.

Die im Tumor-Microenvironment vorliegende ­Azidose mit pH-Werten von 6,5 bis 6,9 bietet die Grundlage für den Einsatz von oralem Natrium­bicarbonat. Der adjuvante Einsatz dieser kostengünstigen und leicht verfügbaren Substanz in der Krebsbehandlung wurde daher in präklinischen ­Studien mit verschiedenen Tumorentitäten untersucht. In einem Review fassten Yang et al. die Erkenntnisse aus präklinischen und klinischen Untersuchungen zum Thema zusammen [1].

Ansatzpunkt für Natriumbicarbonat

Generell gilt: Je weiter entfernt eine Tumorzelle vom versorgenden Blutgefäß ist, desto schlechter ihre Sauerstoffversorgung – und umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Energie durch die sauerstoffunabhängige Glykolyse gewinnt, bei der Laktat, Wasserstoffionen (H+) und Kohlendioxid (CO2) entstehen. Aber auch gut oxygenierte Tumorzellen neigen dazu, ihre Energie verstärkt durch Glykolyse zu gewinnen, was als Warburg-Effekt bezeichnet wird. Folge ist ein Absinken des pH-Werts in der Zellumgebung, was den Tumorzellen einen Überlebensvorteil verschafft.

Hier setzt die Gabe von Natriumbicarbonat an: Durch Neutralisierung des Säuregehalts und Anheben des pH-Werts soll das Fortschreiten des Tumors kontrolliert werden. In verschiedenen In-vivo-Experi­menten [2-7] reduzierte die Einnahme von Natriumbicarbonat in Mausmodellen die Metastasenbildung und die Rate des Lymphknotenbefalls (metasta­sier­ter Brustkrebs) [3], die Entwicklung zu einer mikroinvasiven Erkrankung (Prostatakarzinom) [4] sowie das Tumorwachstum (malignes Melanom) [5]. Auch eine Verbesserung der CD8+ T-Zell-Infil­tration [5] und Aktivität der natürlichen Killerzellen [6] konnte in Mausmodellen nachgewiesen werden.

Kombinierte klinische Anwendung

Auch In-vivo-Untersuchungen zum kombinierten Einsatz von Natriumbicarbonat und konventionellen Krebstherapien konnten in Mausmodellen positive Effekte aufzeigen. Gerade bei Therapien mit schwach basischen Substanzen kann die pH-Wert-Anhebung durch orales Natriumbicarbonat in einer vermehrten Wirkstoffaufnahme resultieren. Dies zeigte sich im Mausmodell: Oral aufgenommenes Bicarbonat führte zu einer 2- bis 3-fach höheren Wirkung des Chemotherapeutikums Doxorubicin [8].

Bei der Therapie mit einem VEGFR2-Inhibitor [9] bewirkte die gleichzeitige Einnahme von Natriumbicarbonat eine Verzögerung des Tumorwachstums mit Abnahme der Anzahl an Blutgefäßen und Zunahme der Tumornekrose. Abnahme des Tumorwachstums bei zunehmender Tumornekrose zeigte auch die Natriumbicarbonat-Einnahme während einer Therapie mit dem TORC1-Inhibitor Rapamycin [10]. Bei den Immuntherapien fielen die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus [5].

Bleibt die Frage nach der optimalen Dosierung von Bicarbonat. Denn die in Mausmodellen verabreichten Mengen von etwa 3 g/kg KG sind beim Menschen nicht anwendbar. Robey et al. untersuchten daher in einer Phase-I-Studie die Sicherheit und Praktikabilität einer Einnahme von 0,5 g/kg KG Natriumbicarbonat täglich über 90 Tage [11]. Das Resultat: die Langzeiteinnahme war gut verträglich, die hohe Dosierung aber nur schwer umsetzbar. Hier sind weitere Dosisfindungsstudien notwendig.

Lokale Anwendung vielversprechend

Als sehr effektiv zeigte sich in einer Untersuchung von Chao et al. auch die lokale Anwendung von Bicarbonat bei der Behandlung des hepatozellu­lären Karzinoms [12]. Denn die mittels konventioneller TACE (transarterielle Chemoembolisation) erreichte objektive Ansprechrate (ORR) von nur 35 % (16–61 %) [13] konnte durch Zugabe von 5 % Natriumbicarbonat zur zytotoxischen Medikation (Doxorubicin) in Form der intratumoralen Laktatazidose-TACE (TILA-TACE) massiv verbessert werden: alle Studienpatienten erreichten eine vollständige oder partielle Remission [12].

Fazit

Oral aufgenommenes Bicarbonat kann helfen, den sauren pH-Wert in der Umgebung von Tumor­zellen anzuheben, wodurch Krebswachstum und Metastasenentstehung positiv beeinflusst werden. Die gleichzeitige Einnahme mit schwach basischen Therapeutika zur Krebsbehandlung kann deren Aufnahme und Wirkung verbessern.

1 Yang M et al., Integr Cancer Ther 2020; 19: 1534735420922579
2 Estrella V et al., Cancer Res 2013; 73: 1524–1535
3 Robey IF et al., Cancer Res 2009; 69: 2260–2268
4 Ibrahim-Hashim A et al., J Urol 2012; 188: 624–631
5 Pilon-Thomas S et al., Cancer Res 2016; 76: 1381–1390
6 Pötzl J et al., Int J Cancer 2017; 140: 2125–2133
7 Robey IF et al., Biomed Res Int 2013; 2013: 485196
8 Raghunand N et al., Br J Cancer 1999; 80: 1005–1011
9 Faes S et al., Oncotarget 2016; 7: 86026-86038
10 Faes S et al., Mol Cancer 2016; 15: 78
11 Robey et al., J Integr Oncol 2015; 4: 128
12 Chao M et al., eLife 2016; 5: e15691
13 Llovet JM et al., Hepatology 2003; 37: 429–442

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