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Allgemeinmedizin

Metabolische Azidose

Bicarbonat reduziert Mortalität bei CKD

Dr. med. Peter Stiefelhagen

28.11.2023

Chronische Niereninsuffizienz (CKD) geht oftmals mit einer metabolischen Azidose einher. Häufig wird hier oral einzunehmendes Natriumbicarbonat eingesetzt. Doch welche Effekte hat Bicarbonat bei Patienten mit fortgeschrittener CKD (Stadium V) bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse und Mortalität?

Die metabolische Azidose gehört zu den häufigsten Begleiterkrankungen bei Personen mit einer chronischen Niereninsuffizienz (CKD). Betroffen sind vor allem Patienten mit einer GFR < 30 ml/min/1,73 m2. Pathogenetisch spielen dabei 2 Mechanismen die entscheidende Rolle: Zum einen ist die Ausscheidung von Säuren wie Ammonium gestört, zum anderen sind Bildung und Reabsorption von Bicarbonat vermindert. Daraus resultiert eine metabolische Azidose.

Metabolische Azidose ist gefährlich

Die metabolische Azidose ist aber nicht nur eine harmlose Laborveränderung, sondern eine prognostisch relevante Störung, wie zahlreiche Beobachtungsstudien zeigen konnten. Sie induziert einen Muskelschwund, verstärkt die Progression der CKD, führt zu kardiovaskulären Komplikationen und erhöht letztendlich die Sterberate. Die KDIGO-Guidelines von 2012 empfehlen deshalb eine Bicarbonat-Gabe, wobei ein Bicarbonat-Zielwert zwischen 24 und 26 mEq/l angestrebt werden sollte. Doch gilt diese Empfehlung auch für Patienten mit einer fortgeschrittenen CKD im Stadium V, also bei ­Patienten im Stadium der Prädialyse? Zudem stellt sich die Frage, ob die Gabe von Bicarbonat zu einer Überwässerung mit Ödembildung und Blutdruckanstieg bzw. einer kardialen Dekompensation ­führen kann. Diese Frage ist vor allem relevant für Patienten mit einer CKD im Stadium V, bei denen die Hämodynamik sehr vulnerabel ist. Bisher lagen für diese Patientengruppe kaum verwertbare und teilweise auch widersprüchliche Daten vor.

Bicarbonat auch bei Prädialyse-Patienten?

Im Zuge einer aktuellen Studie wurde deshalb der Frage nachgegangen, ob bei CKD-Patienten im ­Stadium V eine Bicarbonat-Substitution kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle verhindern kann [1]. Dabei wurden die Daten von 25 599 Patienten einer taiwanesischen Datenbank retrospektiv ausgewertet. Verglichen wurden Patienten mit und ohne Bicarbonat-Substitution. Endpunkte der Studie waren die Notwendigkeit einer Dialyse, das ­Auftreten eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls oder ein tödliches Ereignis.

Weniger MACE-Ereignisse, weniger Todesfälle

Von den Patienten hatten 5 084 (19,9 %) eine Bicarbonat-Therapie erhalten, 20 515 Patienten (80,1 %) nicht. Beim Endpunkt „Notwendigkeit einer Dialyse“ ergab sich in der Cox-Regression kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (23,0 % vs. 24,9 %; HR 0,98; 95%-KI 0,95–1,02; p = 0,379). Aber das Risiko für MACE-Ereignisse (Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Schlaganfall) war in der Bicarbonat-Gruppe signifikant geringer (35,3 % vs. 36,1 %; HR 0,95; 95%-KI 0,92–0,98; p < 0,001); das zeigte sich auch bei den Einzelkomponenten Herzinfarkt (8,6 % vs. 8,9 %; HR 0,91; 95%-KI 0,86–0,97; p = 0,002) und Schlaganfall (14,9 % vs. 17,1 %; HR 0,92; 95%-KI 0,88–0,96; p = 0,001). Auch bezüglich der Gesamtmortalität war das Risiko bei den Bicarbonat Einnehmenden signifikant geringer (49,9 % vs. 57,0 %; HR 0,75; 95%-KI 0,74–0,77; p < 0,001; Abb.). Was die Sicherheit betrifft, so wurde auch das Risiko für ein Lungenödem gemindert (13,9 % vs. 14,9 %; HR 0,92; 95%-KI 0,88–0,96; p < 0,001).

Die Überlegenheit von Bicarbonat fand sich in allen Subgruppen (Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen wie Diabetes, Myokardinfarkt, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz, Schlaganfall).

Kein Substrat mehr für Nephroprotektion

In einer Reihe früherer Studien konnte eine nephroprotektive Wirkung einer Bicarbonat-Gabe dokumentiert werden. Denn die Azidose stimuliert in den Nierengefäßen die Bildung von Endothelin und proinflammatorischen Zytokinen, die die Nephrone schädigen und somit die Progression der CKD verstärken. Doch warum konnte in dieser Studie ein günstiger Einfluss auf die Niere nicht gezeigt werden? Nach Meinung der Autoren ist das dem Patientenkollektiv geschuldet. In den vorangegangenen Studien wurden Patienten des gesamten CKD-Spektrums analysiert. Sie umfassten also auch Patienten, bei denen noch intakte oder gering geschädigte Nephrone vorhanden waren, die von einer protektiven Wirkung des Bicarbonats profitieren können. Doch im Stadium V sind kaum noch intakte Nephrone vorhanden, sodass das Substrat für eine potenziell nephroprotektive Wirkung fehlt.

Fazit

Auch wenn die Progression der CKD bei Patienten im Stadium V durch eine Korrektur der ­Azidose mittels Bicarbonat-Substitution nicht günstig beeinflusst werden konnte, so empfiehlt sich diese doch im Hinblick auf die Rate an kardiovaskulären Ereignissen und die ­Prognose quo ad vitam auch bei diesen vulnerablen Patienten. Die Bicarbonat-Substitution erwies sich in der Studie von Ya-Lien Cheng et al. als sicher: Natrium-Bicarbonat führte nicht zu einem vermehrten Auftreten von Hypertonie, Überwässerung, Herzinsuffizienz und ­Lungenödem. Die Angst vor einer solchen Komplikation ist deshalb unbegründet und rechtfertigt nicht, auf die Bicarbonat-Substitution zu verzichten.

1 Cheng YL et al., Front Pharmacol 2023; DOI 10.3389/fphar.2023.1146668

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