Für Patienten mit rezidiviertem Multiplem Myelom fehlen Therapieoptionen. Wird die Erkrankung durch Mutationen und/oder klonale Evolution der Tumorzellen refraktär gegenüber den verfügbaren Therapielinien, ist die Prognose schlecht. Mit der EU-Zulassung von Melphalanflufenamid (Melflufen) können sich für diese Patientengruppe Chancen eröffnen.
Die Europäische Kommission hat dem Wirkstoff Melphalanflufenamid (auch Melflufen genannt) im August 2022 die EU-Zulassung zur Therapie erwachsener Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Multiplem Myelom erteilt. Die Therapie muss in Kombination mit Dexamethason erfolgen. Die neue Therapieoption richtet sich an Patienten, die vorher mindestens drei Therapielinien erhalten haben, deren Erkrankung gegenüber mindestens einem Proteasom-Inhibitor, einem Immunmodulator und einem monoklonalen Anti-CD38-Antikörper refraktär ist und die ein Fortschreiten der Krankheit während oder nach der letzten Therapie gezeigt haben. Für Patienten nach autologer Stammzellentransplantation eignet sich die neue Therapie, wenn die Zeitspanne bis zur Progression der Erkrankung mindestens drei Jahre nach Transplantation beträgt.
Das Multiple Myelom ist die zweithäufigste hämatologisch maligne Erkrankung in den westlichen Industriestaaten. Etwa sechs bis acht Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner werden jährlich verzeichnet. Im Verlauf der Erkrankung kann diese refraktär gegenüber den o. g. Therapielinien werden. Experten wie Dr. med. Hans Salwender, Sektionsleiter Hämatologie, Asklepios Kliniken Hamburg, Altona und St. Georg, Hamburg, sehen daher gerade in der Rezidivtherapie einen hohen Bedarf an neuen Alternativen.
Lipophiler Peptidanteil schleust Wirkstoff in Tumorzellen ein
Melphalanflufenamid (Melflufen) ist ein lipophiles Peptid-Wirkstoff-Konjugat von Melphalan, einem Phenylalaninderivat von Stickstoffsenf, das als DNA-alkylierendes Mittel eine breite Antitumorwirkung hat. Die lipophile Natur von Melphalanflufenamid (Melflufen) ermöglicht eine bessere Diffusion durch die Zellmembranen. Nach dem Eindringen in die Zelle wird durch die Aminopeptidase-vermittelte Peptidhydrolyse die alkylierende Komponente freigesetzt, die sich in der Zelle anreichert und eine DNA-Schädigung und anschließende Apoptose verursacht. Melphalanflufenamid zeigte in Kombination mit Dexamethason eine synergistische Zytotoxizität bei Zelllinien des Melphalan-resistenten und -nichtresistenten Multiplen Myeloms.
Die für die EU-Zulassung von Melphalanflufenamid (Melfluflen) in Kombination mit Dexamethason ausschlaggebende HORIZON-Studie umfasste 157 Patienten mit rezidivierendem oder refraktärem Multiplem Myelom, von denen 97 dreifach refraktär waren, mindestens drei vorherige Therapielinien bekommen hatten und keine autologe Stammzellentransplantation erhalten hatten oder deren Transplantation mindestens drei Jahre zurücklag:
Die konfirmatorische Phase-3-Studie OCEAN unterstützt die Ergebnisse der HORIZON-Studie. Die Ergebnisse von OCEAN wurden im Februar 2022 in Lancet Hematology veröffentlicht.
Schjesvold FH et al. Lancet Haematol 2022;9:e98-110