Bei der ideellen Mitunternehmerschaft werden Mitarbeiter vom Praxisinhaber behandelt als wären sie ebenfalls Unternehmer in der Praxis: Sie erhalten (teilweise) Einblick in die Finanzen und werden in Entscheidungen eingebunden. Doch wie funktioniert die Maßnahme und wie kann sie zur Mitarbeiterbindung beitragen?
Ganz vorne auf der Liste der Gründe, wieso qualifizierte Mitarbeiter Arztpraxen verlassen, stehen schlechte Stimmung im Team, fehlende Weiterentwicklung und eine als unfair empfundene Bezahlung. Privatärzte, die ihre Mitarbeiter langfristig an sich und ihre Praxis binden wollen, sollten diesen Themen demnach besondere Beachtung schenken: Sorgen Sie für eine Wohlfühlatmosphäre im Team, fördern Sie Ihre Mitarbeiter mit internen Karriereplänen und Weiterbildungsmöglichkeiten und setzen Sie auf eine leistungsgerechte Bezahlung.
Wenn Sie darüber hinaus noch Raum für persönliche Gespräche bieten und Ihre Mitarbeiter sich durch eine klare Positionierung mit Ihrer Praxis identifizieren, können Sie sich schon sicher sein, dass sie sich Ihrer Praxis auch verbunden fühlen. Diese fünf Personalbindungsmaßnahmen bilden die Grundlage für zufriedene und motivierte Mitarbeiter, die lange in Ihrer Praxis bleiben.
Der letzte Schritt zu loyalen Mitarbeitern
Sind all diese Personalbindungsmaßnahmen ausgeschöpft, gibt es jedoch noch einen weiteren Schritt, mit dem Sie die höchste Stufe der Personalbindung erreichen. Hierbei handelt es sich um die ideelle Mitunternehmerschaft, bei der Sie Ihre Mitarbeiter so behandeln als wären sie ebenfalls Unternehmer in Ihrer Praxis: Denn wer würde sich wohl mehr mit Ihrer Praxis identifizieren und sich zugehörig fühlen als ein Mitarbeiter, der Ihre betrieblichen Zahlen kennt und mitentscheiden darf, in welchem Rahmen Investitionen getätigt werden?
Auf den ersten Blick mag es nicht richtig wirken, Ihren Mitarbeitern diese Einsichten zu gewähren. Doch tatsächlich können Sie auf diese Weise das Entstehen falscher Bilder vermeiden und Unzufriedenheit vorbeugen.
Umsatz und Gewinn einer Praxis
In den meisten Praxen haben die Mitarbeiter nur eine sehr vage und meist falsche Vorstellung davon, welchen Umsatz und vor allem welchen Gewinn die Praxis erwirtschaftet. Es ist nämlich nicht Standard, dass Praxisinhaber mit ihren Angestellten über diese Themen sprechen.
Jedoch wissen viele Mitarbeiter, dass sie eigentlich alle Kennzahlen beim Statistischen Bundesamt einsehen können. Auch wenn es sich hierbei nur um Durchschnittswerte handelt, können sie doch einschätzen, in welche Kategorie eine Praxis fällt. Sie haben dann eine Zahl vor Augen, doch in der Regel fehlt ihnen das nötige Hintergrundwissen, um diese korrekt einzuordnen.
Mitarbeiter haben meist eine falsche Vorstellung davon, welchen Gewinn ihr Arbeitgeber erwirtschaftet.
Die meisten Mitarbeiter werden ihr Jahresnettogehalt mit dem vermeintlichen Gewinn der Praxis vergleichen. Der Unterschied erscheint ihnen unnatürlich hoch und sie fühlen sich für ihre geleistete Arbeit nicht ausreichend und fair bezahlt. Es entsteht schnell das Bild des bösen Arbeitgebers, der seine Arbeitnehmer ausbeutet und nur in die eigene Tasche wirtschaftet.
Ein eigener Finanzbericht
Offene Kommunikation kann der hierbei entstehenden Unzufriedenheit vorbeugen: Es geht natürlich nicht darum, Ihre gesamte betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) offenzulegen. Denn vermutlich würden Ihre Angestellten mit den betriebswirtschaftlichen Zahlen nicht allzu viel anfangen können. Doch Sie können stattdessen basierend auf der BWA einen eigenen Kurzbericht erstellen, der alle für Ihre Mitarbeiter relevante Punkte beinhaltet.
Zu der Position „Personalkosten“ sollten Sie ein angemessenes Gehalt für sich selbst, dass sich zum Beispiel am Krankenhaustarif zzgl. 20 % Sozialabgaben orientiert, addieren und die Summe als einen Posten in der Kurz-BWA ausweisen. Zusätzlich subtrahieren Sie bitte noch die hierauf entfallenden Steuern sowie eventuelle Tilgung noch laufender Darlehen. Das reduziert den ausgewiesenen Gewinn der BWA auf ein realistisches Niveau und bietet eine gute Basis, um die wirtschaftliche Situation der Praxis darzustellen.
Bindung durch Transparenz
Durch diese geschaffene Transparenz kennen die Mitarbeiter die tatsächliche wirtschaftliche Lage Ihrer Praxis. Dies verhindert nicht nur, dass sie sich unfair bezahlt fühlen, sondern ermöglicht es Ihnen auch, sie in finanzielle Entscheidungen einzubinden.
Zum Beispiel können Sie größere Anschaffungen mit ihnen diskutieren und gemeinsam entscheiden, ob sie getätigt werden soll oder nicht. Vielleicht stellt sich im Gespräch heraus, dass die Anschaffung doch nicht nötig ist oder zumindest nicht sofort umgesetzt werden muss. Vielleicht kommen sie aber auch zu dem Schluss, dass die Anschaffung sich langfristig sogar positiv auf den Gewinn der Praxis auswirken wird. Wir haben dies in einer noch jungen Allgemeinarztpraxis miterlebt, in der sich eine angestellte Ärztin für die nach ihrer Meinung dringend notwendige Anschaffung eines Ultraschallgeräts stark machte. Da ein gutes Gerät schnell 30 000 Euro und mehr kostet, will so eine Investition sehr gut überlegt sein. Nach Offenlegung der wirtschaftlichen Zahlen gemäß der vorhin beschriebenen verkürzten Form der BWA fanden Praxisinhaber und Mitarbeiterin ein gemeinsames Umsatzziel, nach dessen Erreichung die Anschaffung getätigt werden soll.
Wie bereits erwähnt, ist es ein großer Schritt, die betriebswirtschaftlichen Eckdaten Ihrer Praxis offenzulegen. Aber Sie schaffen so eine Transparenz und binden Ihre Mitarbeiter auf Augenhöhe in die Belange der Praxis ein. Indem Sie mit Ihren Mitarbeitern kommunizieren als wären sie selbst auch Mitunternehmer, erreichen Sie die höchste Stufe der Mitarbeiterbindung.
Der Autor
Wolfgang Apel
Praxisberater und Betriebswirt
MediKom Consulting GmbH
90461 Nürnberg
Wolfgang Apel veröffentlicht regelmäßig den Podcast „Unternehmen Arztpraxis“ und berät Inhaberinnen und Inhaber von Arztpraxen aller Fachrichtungen.
Literatur beim Autor
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