Gibt es einen Trend zur Feminisierung in der deutschen Ärzteschaft? Falls ja, woher kommt der Trend und was sind die Gründe dafür? Die Datenlage ist eher gering, aber die Auswirkungen für die Zukunft sind umso bedeutender. Nachfolgend eine Trend- und Ursachenforschung.
Das einzig Beständige ist der Wandel! Die Geschlechterverteilung in der Ärzteschaft kann je nach Fachrichtung und beruflichem Status variieren. Allerdings zeichnet sich insgesamt ein Trend zur zunehmenden Feminisierung ab.
Erstens: Der Trend
Dieser Trend wird durch Faktoren wie den Zugang von Frauen zur medizinischen Ausbildung, berufliche Aufstiegschancen und gesellschaftliche Entwicklungen beeinflusst. Der Anteil der Ärztinnen an der Ärzteschaft lag 1991 noch bei rund einem Drittel (33,6 %). Seitdem hat sich der Frauenanteil auf rund 54 % erhöht, so die Bundesärztekammer.
Die Chef- und Spitzenpositionen im Gesundheitswesen bleiben generell männlich besetzt.
Laut einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 24. April 2020 waren 2018 bereits 4 von 5 Erwerbstätigen im Gesundheitswesen Frauen. Im gesamten Gesundheitswesen stellten Frauen im Jahr 2018 insgesamt 79 % der Erwerbstätigen. Dagegen waren nur rund 50 % der Ärzteschaft Frauen. Dies entsprach exakt dem Frauenanteil an allen Erwerbstätigen in Deutschland.
Gesundheits- und Pflegeberufe bleiben in naher Zukunft voraussichtlich eine weibliche Domäne: Unter den 25- bis 34-Jährigen, die dann auch die fertig ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte umfassen, betrug der Männeranteil 22 %. Seit Jahren steigt der Anteil der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Psychotherapeutinnen kontinuierlich jährlich an und hat im Jahr 2022 erstmals einen Anteil von mehr als 50 % erreicht. Sowohl der Trend als auch der Frauenanteil unterscheiden sich allerdings zwischen den Fachgruppen zum Teil deutlich: Insbesondere in der Psychotherapie stellen die Frauen die deutliche Mehrheit, während in den chirurgischen Fächern und der Urologie nach wie vor nur relativ wenige Ärztinnen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen.
Der Trend zur zunehmenden Feminisierung der Ärzteschaft in Deutschland hält also an. Es wird erwartet, dass er sich in den kommenden Jahren weiter ausbauen wird, aber die genaue Entwicklung kann von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden, darunter gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen sowie politische Entscheidungen im Gesundheitswesen. Es ist daher möglich, dass sich die Situation im Gesundheitswesen im Laufe der Zeit ändern kann.
Sowohl Trend als auch Ursache ist folgende Entwicklung: Laut Informationen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sind derzeit rund zwei Drittel der Studienanfänger im Fach Medizin Frauen. Es ist zu erwarten, dass sich auch dieser Trend in den kommenden Jahren weiter fortsetzt. Dies wird unweigerlich dazu führen, dass der Anteil der weiblichen Ärzte an der medizinischen Versorgung in Deutschland zukünftig weiter steigt.
Zweites: Die Ursachen und die Folgen
Die Feminisierung der Ärzteschaft in Deutschland findet also statt – und es gibt mehrere Gründe dafür:
Veränderungen in der Medizinausbildung: Das Medizinstudium haben die Frauen für sich entdeckt. Der Frauenanteil unter den Medizinstudierenden ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.
Gesellschaftlicher Wandel: Traditionell wurden bestimmte Berufe, einschließlich der Medizin, von Männern dominiert. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich jedoch die Einstellung zur Geschlechterrolle in der Gesellschaft verändert, was zu einer größeren Akzeptanz und Förderung von Frauen in verschiedenen Berufsfeldern geführt hat.
Flexiblere Arbeitsbedingungen: Es gibt eine zunehmende Sensibilität für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was besonders für Frauen wichtig ist. Flexible Arbeitsmodelle und familienfreundliche Bedingungen können Frauen ermutigen, eine medizinische Laufbahn einzuschlagen. Ob 4-Tage-Woche, Teilzeitbeschäftigungen oder betriebliche Flexibilität bei kurzfristigen Ereignissen, Frauen achten bei der Stellenauswahl sehr auf diese Kriterien. Dies erfordert viel Engagement auf Seiten des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin und viel Geschick im Falle der Selbstständigkeit, ist aber unabdinglich, um eine attraktive ganzheitliche Lebensplanung zu ermöglichen.
Änderungen in der ärztlichen Versorgung: Der Bedarf an ärztlichem Personal in verschiedenen Fachrichtungen hat dazu geführt, dass die Gesellschaft offener für Ärztinnen ist. Es gibt eine zunehmende Nachfrage an qualifizierten Fachkräften in verschiedenen medizinischen Bereichen, und Frauen tragen zum Angebot bei.
Das Arbeitsfeld Medizin und Gesundheitswesen wird weiblicher, obwohl es bereits von Frauen dominiert wird. Dieser Trend wird weiter anhalten und vermutlich dazu führen, dass es weniger niedergelassene Ärzte und Ärztinnen, aber dafür mehr medizinische Versorgungszentren geben wird, da die Ärztinnen i. d. R. lieber in Teilzeit arbeiten. Modelle der Kinderbetreuung werden immer wichtiger, was die Attraktivität der Arbeitsstelle erhöht. Die medizinische Versorgungslage wird dadurch nicht zwangsläufig schlechter, aber auf jeden Fall konzentrierter.
Insbesondere die Landbevölkerung und die strukturschwachen Gebiete Deutschlands werden dies deutlich zu spüren bekommen, denn auch die Verbindung von Beruf mit kurzen Wegen, z. B. zum Einkauf, um sein Leben organisieren zu können, spielen eine Rolle. Hier gibt es bereits einen Mangel an niedergelassenem ärztlichem Personal – ein negativer Trend, der sich unweigerlich durch die Feminisierung verstärken könnte.
Der Autor
Uwe Zoske
Risikomanagement und Marketingberatung
med3
55130 Mainz
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