Mit Einführung der Videosprechstunde im April 2017 hat erstmalig eine telemedizinische Leistung Einzug in die Regelversorgung der GKV genommen. Danach hat die Digitalisierung in den Vertragsarztpraxen, getriggert durch COVID-19, seit Frühjahr 2020 deutlich Fahrt aufgenommen. Wie aber ist die Situation in den Privatpraxen?
Nachdem die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) vorgelegt hatte, gab am 24. Juni 2020 auch die Bundesärztekammer (BÄK) GOÄ-Abrechnungsempfehlungen für die telemedizinische Betreuung bekannt [1]. Mitentscheidend für diesen Schritt war auch die Änderung der Musterberufsordnung (§ 7 Abs. 4) beim Deutschen Ärztetag 2018: „Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist“ [2]. Eine Auflistung der von der BÄK empfohlenen Leistungen entnehmen Sie bitte der Tabelle.
Bei der Einbindung der privaten Krankenversicherung (PKV) in das System der digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen muss berücksichtigt werden, dass alle gesetzlichen Vorgaben lediglich für den GKV-Bereich Gültigkeit besitzen und der PKV-Sektor vom Gesetzgeber dabei zunächst nicht eingebunden wurde. Dies gilt sowohl für das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) [3] vom Oktober 2020 als auch für das Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) [4] vom März 2021 und damit auch für die daraus folgenden Vorgaben durch das SGB V (> Medizinrecht). Nachdem die PKV die Gematik im Jahre 2012 verlassen hatte, kehrte sie im April 2020 wieder als Gesellschafter zurück, ein sicherer Hinweis dafür, dass auch die PKV die Digitalisierung fördern und beschleunigen möchte [5]. Dafür müssen aber alle Privatversicherer an die Telematikinfrastruktur angeschlossen werden. Bisher ist unklar, wann dieser Zeitpunkt erreicht ist und ob dies für alle Versicherer zum gleichen Zeitpunkt geschieht. Ebenso unklar ist weiterhin wohl auch, ob die Anbindung technisch für alle Versicherer gleich ist oder ob es auch hier unterschiedliche Lösungen geben wird [6]. Eine Grundvoraussetzung für die Nutzung der digitalen Angebote und Serviceleistungen ist zum einen die entsprechende digitale Aufrüstung in der Privatpraxis, auf der anderen Seite aber auch der Besitz einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) beim Privatpatienten.
Schon heute ist der elektronische Arztausweis (eArztausweis) nicht nur im GKV-Sektor einsetzbar. So gibt es auch privatärztliche Verrechnungsstellen, bei denen die Sammelabrechnung mit dem eArztausweis signiert werden kann (> Abrechnung). Darüber hinaus ist der eArztausweis in Zukunft für die meisten Aktionen im Bereich der digitalen Infrastruktur erforderlich [7]. Dazu gehören u. a. elektronische Patientenakte (ePA), elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), eRezept, eMP (Medikationsplan), KIM (Kommunikation im Medizinwesen) (> eHealth).
Die Einzelheiten zur ePA sind geregelt in den §§ 341 ff. [8], basierend auf dem PDSG. Auch hier gilt: es ist nur für die GKV verpflichtend. Nach dem Gesetz soll die ePA seit dem 01.01.2021 jedem Patienten von seiner Krankenkasse angeboten werden können, allerdings ist die Technik in den Praxen der Vertragsärzte noch nicht flächendeckend existent (> Praxismanagement). Wann die PKV entsprechende Angebote zur Verfügung stellt, ist aktuell noch nicht voraussehbar.
Die Einführung der verpflichtenden eAU zum 01.10.2021 ist ein erster Härtetest für die Segnungen der digitalen Infrastruktur. Aus Sicherheitsgründen hat man am 12.08.2021 kurzfristig eine Übergangszeit bis Ende des Jahres beschlossen, um ein Chaos in den Praxen zu verhindern [9]. Inwieweit die eAU auch in der Privatpraxis Einzug hält, bleibt abzuwarten. Spätestens die Pflicht, dass die Krankenkassen die AU grundsätzlich an den Arbeitgeber weiterleiten sollen, dürfte so in der Privatpraxis bzw. in der PKV nur schwer realisierbar sein.
Während die flächendeckende Einführung des eRezepts in der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt ist, steht eine endgültige Regelung für privatversicherte Patienten noch aus. Auch sie werden letztlich von den Vorteilen des eRezepts profitieren, nur ein endgültiger Zeitpunkt ist derzeit noch nicht festgelegt. Eine nicht unwesentliche Rolle bei der Realisierung des eRezepts spielen auch die Apotheker. Hier werden bereits Gespräche über eine digitale Direktabrechnung zwischen Apotheken und Versicherern geführt.
Der Autor
Dr. med. Heiner Pasch
Praxisoptimierung Pasch GbR
Im Käulchen 26
51515 Kürten
Literatur beim Autor