In den vergangenen Jahren hat sich viel im Forschungsfeld der pulmonalen Hypertonie getan, was im für 2022 erwarteten Update der Leitlinien aus dem Jahr 2015 Berücksichtigung finden wird. Dieser Artikel fasst den aktuellen Stand zusammen und gibt einen Ausblick auf neue Entwicklungen.
Nach dem 6. Weltsymposium für pulmonale Hypertonie (PH) 2018 in Nizza blieb die bisherige Klassifikation der PH in fünf Gruppen unverändert, abgesehen von kleineren Anpassungen in den Subgruppen. Besonderes Augenmerk verdient die neue hämodynamische Definition der PH. Rezente Studien zeigen, dass bereits ein mit einem Rechtsherzkatheter gemessener mittlerer pulmonal arterieller Druck (mPAP) > 20 mmHg mit einer erhöhten Mortalität einhergeht. Diese Grenze markierte ohnehin den Normalbereich. Diesen beiden Argumenten folgend wird die neue Leitlinie voraussichtlich den Cut-off für die PH-Diagnose von 25 auf 21 mmHg senken. Das hat allerdings primär keine Bedeutung für die Therapieindikationen, weil alle aktuell zugelassenen Medikamente bei Patienten mit einem mPAP ≥ 25 mmHg geprüft wurden und daher nur für diese Krankheitsbilder Evidenz für die Wirksamkeit vorliegt.
Pulmonal arterielle Hypertonie
Bei der PAH, einer seltenen Form des Lungenhochdrucks, liegt häufig ein vasokonstriktives Remodeling der kleinen Pulmonalarterien vor, das zu einer massiven Erhöhung des pulmonalen Gefäßwiderstands und damit des arteriellen Drucks im kleinen Kreislauf führt. Progrediente Dyspnoe, Leistungsknick und Rechtsherzbelastung bis hin zum Rechtsherzversagen treten als Folgen auf. Mittlerweile sind mehr als zehn gezielte Medikamente für die PAH zugelassen. Sie zählen zu den Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (ERA; Ambrisentan, Bosentan, Macitentan), Phosphodiesterase-5-Hemmern (PDE-5i; Sildenafil, Tadalafil), Stimulatoren der Guanylatzyklase (sGC; Riociguat) und den Prostazyklin-Rezeptor-Agonisten (Epoprostenol, Iloprost, Treprostinil und Selexipag). In der Subgruppe der idiopathischen PAH (IPAH) reagieren ca. 10 % der Patienten sehr schnell und stark auf Vasodilatoren (Responder), was eine Indikation für einen hochdosierten Calciumkanalblocker darstellt. Für andere PH-Patienten haben hochdosierte Calciumkanalblocker keine längerfristigen positiven Effekte, sondern verursachen teilweise gravierende Nebenwirkungen.
Die Risikostratifizierung spielt bei der Therapieentscheidung eine tragende Rolle. Anhand von Studien wird die Prognoseeinschätzung unter laufender Therapie präzisiert, wobei die Betrachtung von drei einfachen Parametern (funktionelle Klassifikation WHO, NT-proBNP, Gehtest) sehr hilfreich ist (Tab.).
In den Leitlinien wird empfohlen, dass die Therapieentscheidungen in einem Expertenzentrum getroffen werden. Die meisten Patienten werden heutzutage mit einer Kombination von gezielten PAH-Medikamenten behandelt.
Aktuell gibt es mehrere klinische Entwicklungen von neuen gezielten Therapien der PAH. In einer Phase-III-Studie wird Sotatercept, ein Aktivin-Antagonist, untersucht. Es handelt sich um einen monoklonalen Antikörper, der alle drei Wochen subkutan appliziert wird. Die entsprechende Phase-II-Studie bei PAH war auch bei solchen Patienten sehr erfolgreich, die bereits eine umfangreiche Vortherapie hatten. Eine weitere neue Entwicklung betrifft die Poly(ADP-ribose)-Polymerasen (PARP), die in der onkologischen Therapie bereits als Target validiert wurden und zu mehreren neuen Zulassungen geführt haben. Zusätzlich ist eine Vielzahl von inhalativen Medikamenten in Entwicklung. Sie zielen im Wesentlichen auf die Stimulation des Prostacyclin(IP)-Rezeptors und der löslichen Guanylatzyklase sowie auf die Inhibition des Platelet-derived-growth-factor(PDGF)-Rezeptors.
PH bei Linksherzerkrankung
Diese Form einer PH ist am häufigsten anzutreffen. Heart failure with reduced ejection fraction (HFrEF), heart failure with preserved ejection fraction (HFpEF) und Klappenerkrankungen sind die wichtigsten Ursachen. Leider fehlt die Evidenz für die Behandlung solcher Erkrankungen mit PAH-Medikamenten und diese sind demzufolge hier auch nicht zugelassen. Die Therapie zielt auf eine optimierte Behandlung der Grunderkrankung. Manchmal ist die Abgrenzung zwischen der HFpEF und der IPAH sehr schwierig, was auch die Therapieentscheidungen erschwert. So ist zu erklären, warum im COMPERA-Register ein recht großer Teil der PAH-Patienten die typische Erscheinungsform von HFpEF-Patienten aufweist (Frauen um die 70 Jahre mit Hypertonievorgeschichte).
PH bei Lungenerkrankung und/oder Hypoxie
Erkrankungen der Lunge wie COPD, interstitielle Lungenerkrankungen oder schlafbezogene Atemstörungen sind die zweithäufigste Ursache einer PH. Die Diagnose wird bei diesen Patienten oft verkannt und häufig erst spät gestellt. Überproportionale Atemnot, die trotz optimierter Therapie der Lungenerkrankung persistiert, sollte den Verdacht auf eine pulmonale Hypertonie lenken und zu einer Vorstellung in einem Expertenzentrum führen. Ob diese Patienten dann eine PAH mit einer begleitenden Lungenerkrankung oder eine PH aufgrund einer Lungenerkrankung haben, ist oftmals schwer zu entscheiden und bedarf einer Vielzahl an diagnostischen Tests. Auch hier spiegeln sich die Abgrenzungsprobleme im COMPERA-Register wider, in dem sich eine relativ große Zahl von Patienten mit der typischen Erscheinungsform einer chronischen Lungenkrankheit finden (Männer um die 70 Jahre, viele packyears, niedrige DLCO [Diffusing Capacity of the lungs for Carbon Monoxide]). Patienten mit PH bei Lungenerkrankung und/oder Hypoxie (mPAP > 35 mmHg oder mPAP > 25 mmHg und „cardiac index“ < 2,0 l/min/m2) können durchaus von einer gezielten PAH-Therapie profitieren. Das Risiko-Nutzen-Profil ist allerdings ungünstiger als bei PAH und die Indikation soll in Expertenzentren gestellt werden. Erfreulicherweise wurden unlängst die Ergebnisse einer positiven Arzneimittelstudie bei Patienten mit interstitieller Lungenkrankheit mit schwerer PH publiziert (INCREASE). Die Autoren zeigten in dieser multizentrischen, randomisierten placebokontrollierten Studie, dass inhalatives Treprostinil nach 16 Wochen die körperliche Belastbarkeit signifikant verbesserte. In der Post-hoc-Analyse zeigte sich sogar ein günstiger Effekt auf die Lungenfibrose, obwohl das mit Vorsicht zu interpretieren ist.
Chronisch thromboembolische Erkrankung und CTEPH
Bei der chronisch thromboembolischen Erkrankung (CTED) kommt es aufgrund von kleinen oder großen thromboembolischen Ereignissen zu persistierenden Gefäßokklusionen und Remodeling der Pulmonalarterien. Das Fortschreiten der pulmonalen Thromboembolien oder ein Remodeling der verbliebenen Gefäße führt zu einem Anstieg der pulmonalen Druck- und Widerstandswerte in den pathologischen Bereich, womit die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) definiert wird. Oftmals ist die Unterscheidung zwischen einer akuten Pulmonalarterienembolie (PAE) und einer CTEPH eine Herausforderung. Persistieren nach einer akuten PAE die Beschwerden oder finden sich besonders hohe pulmonal arterielle Druckwerte in der Echokardiografie, sollte an eine CTEPH gedacht werden und die Patienten in einem Expertenzentrum vorgestellt werden.
Prinzipiell wird bei Patienten mit CTEPH, anders als bei rezenter PAE, keine N(neue)OAK-Therapie, sondern eine dauerhafte orale Antikoagulation (OAK) mit einem Vitamin-K-Antagonisten empfohlen. Goldstandard in der Therapie ist die pulmonale Endarteriektomie (PEA). Ist diese allerdings aufgrund von zu weit peripher gelegenen Thromben oder bei nicht akzeptablem Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht möglich, bietet sich die Ballonpulmonalisangioplastie (BPA) als alternative Therapie an. Dabei werden die Pulmonalarterien in mehreren Sitzungen aufgedehnt. Es gibt aber auch medikamentöse Therapieoptionen. Für die nicht operablen Patienten ist die orale Therapie mit Riociguat (sGC) zugelassen, und rezente Studien mit Macitentan (ERA) und Treprostinil zeigten ebenfalls positive Ergebnisse.
Die im Zuge des 6. Weltsymposiums für pulmonale Hypertonie 2018 beschlossene Änderung der PH-Definition korrigiert die Klassifikation der Patienten, hat aber keine direkten Auswirkungen auf die Therapie. Für Patienten mit einem mPAP > 25 mmHg und einem PAWP < 15 mmHg aus der Gruppe der PAH und CTEPH stehen bereits viele zugelassene Medikamente zur Verfügung und weitere befinden sich in der Entwicklung. Die wichtigste Therapieoption für die CTEPH bleibt die Pulmonalisendarterektomie. Für PH-Patienten mit Linksherzerkrankung und solche mit Lungenerkrankung und/oder Hypoxie kommt leider nur selten eine PAH-Therapie infrage. Hier ist der Bedarf für die Entwicklung neuer Therapieoptionen besonders hoch.
Korrespondierende Autorin
Dr. med. Teresa Sassmann
Leitung Klinische Abteilung
für Pulmologie
Medizinische Universität Graz