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Allgemeinmedizin

Long-COVID

Vielfältiges Krankheitsbild erfordert exakte Diagnostik

Ob chronische Müdigkeit, Herzschwäche oder depressive Verstimmung – wer mit SARS-CoV-2 infiziert war, leidet oft noch Monate später an solchen Symptomen. Ärzten kommt bei der Behandlung von Long-COVID-Patienten eine besonders hohe Bedeutung zu, sie sollten zudem verstärkt interdisziplinär zusammenarbeiten.

„Long-COVID ist derzeit ein sehr relevantes Thema“, berichtete Dr. med. Georg-Eike Böhme, ärztlicher ­Leiter einer Hausarztpraxis in München. „Immer mehr Patienten kommen mit unspezifischen Symptomen, die auf Long-COVID hindeuten, zu uns.“

Grundsätzlich können alle Bevölkerungsgruppen betroffen sein. Den typischen Long-COVID-Patienten gibt es nicht. Studien versuchen, mehr Licht ins ­Dunkel zu bringen: Frauen sind demnach häufiger betroffen als Männer, Ältere häufiger als Jüngere, übergewichtige Personen häufiger als schlanke. Und bei Personen mit Vorerkrankungen des Herzens und der Lunge treten ebenfalls öfter Symptome auf als bei zuvor Gesunden. Vor allem aber leiden COVID-Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden mussten, oft unter langwierigen Folgen. Aber auch bei mildem Krankheitsverlauf oder unbemerkter Infektion können später gesundheitliche Probleme auftauchen.


Herausforderung: unspezifische Symptome

Problematisch ist bei Long-COVID vor allem die Vielfalt der Krankheitssymptome: Die Patienten klagen über chronische Müdigkeit und Leistungsschwäche, über Kurzatmigkeit, Gedächtnisprobleme, Kopfschmerzen oder starke Niedergeschlagenheit. Diese unspezifischen Symptome erschweren die Diagnosestellung, wie Böhme betonte: „Bei jedem einzelnen Patienten müssen wir genau prüfen, ob die Beschwerden im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion stehen oder eine andere Ursache infrage kommt. Auch die hohe psychische Belastung, der viele ­Menschen in der Pandemie ausgesetzt sind, muss berücksichtigt werden.“

Zu Beginn der nötigen gründlichen Diagnostik sollte eine sehr ausführliche Anamnese durchgeführt werden. „Es ist wichtig, genau zuzuhören und die Patienten ernst zu nehmen“, sagte Böhme. „Die ­geschilderten Beschwerden sollten nicht vorschnell auf die Psyche geschoben werden.“ Im Zuge eines Gesundheitschecks führt der Arzt auch eine gründliche körperliche Untersuchung durch.


Häufige Long-COVID-Symptome
  • Müdigkeit und ausgeprägte Erschöpfung (Fatigue)
  • verminderte Leistungsfähigkeit
  • Kurzatmigkeit, Atembeschwerden, Brustschmerzen
  • Denk- oder Konzentrationsstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Husten
  • depressive Verstimmung
  • Angstzustände
  • eingeschränkter Geruchs- und Geschmackssinn
  • Schlafstörungen
  • Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Nervenschmerzen

Biomarker lassen sich schnell bestimmen

Wichtig ist nach Ansicht von Böhme auch eine schnelle Ermittlung bestimmter Biomarker mit denen eventuelle Komplikationen bei einem ­Long-COVID-Patienten – darunter Lungenembolien und Herzinfarkte – inzwischen frühzeitig erkannt werden können. Böhme erläuterte: „Wichtige Biomarker können heute schnell innerhalb von nur 15 Minuten direkt in der Praxis ermittelt werden. Die Ergebnisse zeigen, wie akut und schwerwiegend die Erkrankung ist. So können wir gegebenenfalls sehr schnell die richtigen, eventuell sogar über­lebens­wichtigen Therapiemaßnahmen einleiten.“

Von Bedeutung sind bei Long-COVID-Patienten vor allem folgende Parameter: D-Dimere, Troponin ­sowie die Entzündungsmarker Procalcitonin (PCT) und das C-reaktive Protein (CRP). Mehrere Studien belegen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Krankheitsverlauf von COVID-19 und diesen Biomarkern gibt. So deuten erhöhte D-Dimer-Werte auf eine Beinvenenthrombose oder Lungenembolie hin. Bei Corona-Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf lagen die D-Dimer-Werte bis zu neunmal höher als bei Betroffenen, die nicht intensiv­me­di­zinisch betreut und beatmet werden mussten. Hohe Troponin-Werte korrelierten mit koronaren Herzkrankheiten.

Je nach Beschwerdebild werden entsprechende ­weitere Untersuchungen durchgeführt, beispiels­weise ein Elektrokardiogramm (EKG), ein Be­las­tungs-EKG, eine Echokardiografie (UKG) sowie ein ­Lungenfunktionstest oder auch Spiroergometrie. Zusätzliche bildgebende Diagnostikverfahren wie eine kardiale Magnetresonanz(MRT)-Untersuchung sollten im Einzelfall in Betracht gezogen werden.


Long-COVID-Behandlung erfolgt nach Stufenschema

Sofern keine akuten Erkrankungen wie eine Thrombose im Zuge der Diagnostik gefunden werden, die gegebenenfalls ein schnelles Handeln und mitunter die Einweisung in eine Klinik erfordern, empfiehlt Böhme bei Long-COVID-Patienten die Behandlung nach einem Stufenplan: „Bewährt haben sich kleine Schritte und viel Geduld.“

Um das Immunsystem zu stärken, können Zink und Vitamin D verschrieben werden. Bei Leistungs­minderung befürwortet Böhme in vielen Fällen eine milde Bewegungstherapie. Die Bewegung sollte auf einem niedrigen Niveau gehalten werden, nicht an der Belastungsgrenze. Eine Pulsuhr ist hilfreich. „Wichtig sind klare Handlungsempfehlungen, die dem aktuellen Leistungsniveau des Patienten ­an­gepasst sind“, so Böhme. Je nach Befund können Herz- oder Lungenmedikamente notwendig sein. Oft sei auch eine psychosomatische Betreuung empfehlenswert und könne Halt geben.

An die Ärzteschaft appelliert Böhme, in puncto ­Long-COVID, noch stärker interdisziplinär zusammenzuarbeiten: „Man sollte das eigene Netzwerk wirklich nutzen.“ Böhme weiter: „Auch Psycho­therapeuten sollten stärker eingebunden werden.“ Dies sollte unmittelbar geschehen, da noch viele Fakten zu Long-COVID unerforscht seien.


Große Studie mit Tropeninstitut München

Um noch mehr Klarheit über den Gesundheits­zustand von Long-COVID-Patienten zu bekommen, beteiligt sich Böhme mit seiner Hausarztpraxis an einer neuen Studie des Tropeninstituts München, die von der bayerischen Landesregierung finanziert wird. Insgesamt 2 000 Long-COVID-Patienten mit aus der Infektion resultierenden Alltagseinschränkungen nehmen daran teil. Viele davon hat Böhme rekrutiert, denn „wir betreuen viele Senioren in ­Altersheimen“. Die Kontrollgruppe umfasst 500 Probanden. Ziel der Studie: Prüfen, in welchem Ausmaß und wie lange eine Leistungsminderung bei Long-COVID-Patienten anhält.

Literatur bei der Redaktion

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