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Allgemeinmedizin

Diabetes mellitus

Gesunder Lebensstil ist entscheidend

Prof. Dr. med. Stephan Martin

Der primär durch den Lebensstil bedingte Typ-2-Diabetes ist mit einem hohen kardiovaskulären Risiko assoziiert, wie in den vergangenen Jahren in verschiedenen epidemiologischen ­Untersuchungen nachgewiesen werden konnte. Studien zeigen die Bedeutung eines gesunden ­Lebensstils sowohl bei Prädiabetes als auch bei der Manifestation eines Diabetes.

Aktuelle Daten belegen, wie wichtig es ist, nicht nur den Diabetes, sondern auch die mit Typ-2-­Diabetes mellitus assoziierten Risikofaktoren zu behandeln. Auch die Bedeutung eines gesunden Lebensstils bei Prädiabetes und Manifestation eines Diabetes wird dabei unterstrichen. Anders ausgedrückt: Man sollte Diabetologie anstelle von „Zuckerologie“ betreiben.

Diabetes-Remission durch Gewichtsreduktion

So konnte die Arbeitsgruppe von Roy Taylor in den vergangenen Jahren in der DiRECT-Studie nachweisen, dass Typ-2-Diabetes keine chronisch progrediente Erkrankung ist, sondern auch noch Jahre nach seiner Manifestation durch ein Gewichtsmanagementprogramm in eine Remission geführt werden kann. Dabei wurde, unter komplettem Absetzen der antidiabetischen und antihypertensiven Therapie, eine handelsübliche Formula-Diät mit einem hohen Kohlenhydratanteil mit einer täglichen Kalorienaufnahme von weniger als 900 kcal über mehrere Wochen eingesetzt.

Als Ergebnis zeigte sich eine starke Abhängigkeit der erreichten Therapieziele von der Gewichtsreduktion: Bei den Teilnehmern, die an Gewicht zunahmen, kam es zu keiner Diabetesremission, während die Probanden mit Gewichtsabnahme, abhängig vom Ausmaß der Gewichtsreduktion, eine Besserung zeigten. Insgesamt konnte nahezu die Hälfte der Teilnehmer nach zwölf Monaten eine klinische Remission bis zum Stadium einer nicht-diabetischen Stoffwechsellage ohne jegliche anti-diabetischen Medikamente erreichen.

Eine aktuelle Subanalyse zeigt nun, dass für eine Remission primär die Normalisierung der bei Typ-2-Diabetes gestörten First-Phase-Insulinproduktion verantwortlich ist (Abb. 1).[1] Responder und Non-Responder unterschieden sich in den basalen Charakteristika nur durch eine kürzere Diabetesdauer von 2,7 Jahren in der Respondergruppe und 3,8 Jahren in der Non-Respondergruppe.

Offenbar gibt es – außer einer kürzeren Diabetesdauer – keinen Prädiktor, der eine Remission vorhersagt. Die hier erreichte hohe Rate an Remissionen bei kurzer Diabetesdauer sollte daher in der klinischen Praxis dazu führen, die Patienten bei Diagnose des Typ-2-Diabetes in den vergangenen Jahren auf die Möglichkeit einer Remission bei drastischer Gewichtsabnahme hinzuweisen. Bei konsequentem Vorgehen ist die Remission des Typ-2-Diabetes ein praktikables Ziel für die primäre hausärztliche Versorgung.

Formula-Diäten in der täglichen Praxis

Die DiRECT-Studie hat bereits in den parallel in Diabetes Care2 und Diabetologia[3] publizierten Consensus Report der American Diabetes Association (ADA) und der European Association for the Study of Diabetes (EASD) Aufnahme gefunden. Dadurch sind Formula-Diäten bei der Behandlung des Typ-2-Diabetes nun stärker in den Vordergrund gerückt.

Bisher ist jedoch völlig unklar, wie Formula-Diäten eingesetzt werden sollen. Bei der DiRECT-Studie etwa war eine handelsübliche Formula-Diät mit einem hohen Kohlenhydratanteil mit einer täglichen Kalorienaufnahme von weniger als 900 kcal über mehrere Wochen verwendet worden, was für Betroffene sicher nicht einfach umzusetzen ist und eine hohe Motivation erfordert.

In einer aktuellen Studie wurden nun 160 Personen mit zwei eher moderateren Mahlzeitenersatz-Regimen behandelt.[4 ]Verglichen wurden außerdem unterschiedliche Therapieregime einer anderen handelsüblichen Formula-Diät, die einen geringeren Anteil an Kohlenhydraten und einen höheren Anteil an Proteinen hat: Die Therapiegruppe mit dem sehr moderaten Regime erhielt über einen Monat zwei Ersatzmahlzeiten, wobei das Frühstück und das Abendessen durch die proteinreiche, kohlenhydrat­arme Formula-Diät ersetzt wurden, während in der stringenten Gruppe in der ersten Woche dreimal täglich ein Mahlzeitenersatz vorgenommen wurde. Die tägliche Kalorienmenge lag zwischen 1.300 und 1.500 kcal pro Tag.

In beiden Behandlungsgruppen kam es zu einer signifikanten (p 

Bedeutung von Lebensstilfaktoren

Auch eine Änderung hin zu einem gesunden Lebensstil wirkt sich günstig auf die Gesundheit aus. Denn nach einer großen Studie der WHO stellte sich heraus, dass Deutschland im Hinblick auf die körperliche Aktivität sowohl bei Männern als auch bei Frauen weltweit einen der untersten Plätze belegt.[5] Daher ist es wichtig, den Patienten wissenschaftlich begründete Empfehlungen für eine Verbesserung des Lebensstils zu geben.

Hier eignen sich die Ergebnisse von zwei aktuellen Studien gut für die Beratung von Patienten[6,7]: Zum einen kann man das häufige Argument entkräften, dass, wer in der Stadt wohnt, dort Sport aufgrund der Abgase besser lassen solle. Zum anderen ist die Empfehlung, bei sitzender Tätigkeit zwischendurch regelmäßig aufzustehen und etwas zu laufen, leicht umsetzbar. So sollte man etwa bei Telefonaten besser im Zimmer herumlaufen als am Schreibtisch zu sitzen.

Und was ist mit Kaffee? Der Nachweis einer angeblich günstigen gesundheitlichen Wirkung von Kaffee basiert aus methodischen Gründen auf Assoziationsstudien. Da viele Überzeugungen des täglichen Lebens aber auch nur auf solchen Daten beruhen, kann man Patienten guten Gewissens dazu raten, Kaffee ohne schlechtes Gewissen zu genießen. Das bedeutet jedoch nicht, dass man den Kaffeekonsum zur Kompensation von ungünstigem Lebensstil nutzen könnte!

Der Autor

Prof. Dr. med. Stephan Martin
Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums (WDGZ)
40591 Düsseldorf

stephan.martin@vkkd-kliniken.de

[1] Taylor R et al., Cell Metab 2018 Oct 2; 28(4): 667
[2] Davies MJ et al., Diabetes Care 2018 Dec; 41(12): 2669–2701
[3] Davies MJ et al., Diabetologia 2018 Dec; 61(12): 2461–2498
[4] Kempf K et al., Nutrients 2018 Aug 4; 10(8): pii: E1022
[5] Guthold R et al., Lancet Glob Health 2018 Oct; 6(10): e1077–e1086
[6] Kubesch NJ et al., J Am Heart Assoc 2018 July; 7(15)
[7] Broadney MM et al., Diabetes Care 2018 Oct; 41(10): 2220–2228

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