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Gynäkologie

Kontrazeptionsberatung

Mit guten Argumenten der Angst aus den sozialen Medien begegnen

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

21.6.2024

„Ich möchte sicher verhüten, aber auf gar keinen Fall Hormone nehmen.“ Diesen Satz kennen wir alle sehr gut. Wir sprechen mit Dr. Sebastian Zuber darüber, wie man Vorurteilen aus dem Netz im Beratungsgespräch begegnen kann und wie man es schafft, bestehende Ängste zu nehmen.

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Herr Dr. Zuber, Ängste vor hormonellen Verhütungsmitteln gehören ja zu Ihrem Praxisalltag – besonders bei jungen Mädchen. Wo kommt diese Angst Ihrer Meinung nach her?

Einen großen Einfluss haben natürlich die sozialen Medien. Ich weiß, dass die Meinung von Influencerinnen bei den Jugendlichen sehr viel zählt und auch die Beeinflussung sehr stark ist. Ich bin selbst Vater einer 16-jährigen Tochter und kann ein Lied davon singen, welchen Einfluss Social Media hat. Letztlich versuchen alle, ihre Informationen über Social ­Media zu bekommen, und echte Fakten zu finden, ist für die Jugendlichen tatsächlich schwierig. Ich kann zum Beispiel das Thromboserisiko bei der ­Pille vernünftig erklären und einordnen oder ich kann Angst machen. Insofern glaube ich, dass viele ­Entscheidungen mit einem gefährlichen Halbwissen getroffen werden.

Sie haben gerade die Angst erwähnt, die in den sozialen Medien geschürt wird. Was können Sie als Gynäkologe denn tun, um das bei den Frauen richtigzustellen?

Zuhören, zuhören, zuhören und aufklären. Wenn wir die Chance bekommen, dass die jungen Frauen in die Praxis kommen, dann müssen wir zuhören, das ernst nehmen und nicht abtun. Ich glaube, dass wir uns wirklich die Zeit nehmen müssen, eine vernünftige Aufklärung zu machen. Das zeigt auch die

COCO-Studie, wie sehr sich durch ein vernünftiges, strukturiertes Aufklärungsgespräch die Präferenz der Frauen dann auch verschiebt – hin zu sicheren Verhütungsmethoden. Und vor allem sind die Patientinnen dann mit ihrer Verhütungsmethode auch zufrieden, wenn sie verstanden haben, wie die verschiedenen Verhütungsmethoden funktionieren. Und eine zufriedene Patientin ist eine compliante Patientin, die dann vielleicht auch anfängt zu hinterfragen, ob die ein oder andere Information aus Social Media vielleicht nicht doch zu einseitig war.

Reicht Ihnen denn die Zeit dafür im Praxisalltag? Wie haben Sie die Kontrazeptionsberatung organisiert?

Also, ich glaube, es gibt zum einen die Möglichkeit, sich über eine Mädchensprechstunde speziell die Zeit zu nehmen. Das wird bei uns angeboten und auch teilweise eingefordert. Manchmal merkt man das auch im Gespräch, ansonsten sollte man zumindest nachfragen, ob Aufklärungsbedarf besteht. Es ist ja nicht so, dass jede Patientin bei jedem Besuch diese Aufmerksamkeit braucht, weil sie vielleicht schon eine passende Methode hat. Aber wir sollten wirklich aktiv danach fragen, wie die Patientin verhütet und ob sie zufrieden ist mit ihrer Verhütungsmethode. Manchmal müssen wir Zeit investieren, so ein Aufklärungsgespräch darf auch mal eine halbe Stunde dauern.

Was glauben Sie, überzeugt Ihre Patientinnen dann letztendlich doch von einer sicheren Kontrazeption?

Am Beispiel der Hormonspiralen sieht man sehr gut, wie Frauen nach einer Aufklärung ihre Entscheidung noch einmal überdenken. Die typische Patientin kommt in die Praxis und sagt: „Ich möchte sicher verhüten, aber auf gar keinen Fall Hormone nehmen.“ Das kennen wir alle sehr gut. Wenn man mit den Patientinnen dann spricht und eben auch die Sicherheit der Verhütungsmethode erklärt und ihr zum Beispiel zeigen kann, dass eine Hormonspirale in den meisten Fällen nicht in den Zyklus eingreift, dann verstehen die Patientinnen, dass das eine Alternative sein kann, und viele entscheiden sich dann auch für eine Hormonspirale. Wenn sie sagt, sie möchte keine Hormone haben, ist der eigentliche Wunsch vielleicht, dass sie keine Unterdrückung des Zyklus wünscht. Aber wir haben ja gute alternative Verhütungsmethoden, die wir der Patientin anbieten können, und das muss eben nicht immer das Kondom sein, was ja mit einem Pearl-Index von 12 unsicher ist. Und man muss auch ein bisschen über die ­Konsequenzen reden, was passiert denn, wenn sie doch schwanger werden? Wir sehen ja leider an den zunehmenden Zahlen der Schwangerschaftsab­brüche, dass die Tendenz zu unsicheren Verhütungsmethoden schon auch Konsequenzen hat.

Das bringt mich zur letzten Frage. Welchen Tipp können Sie Kolleginnen und Kollegen mitgeben, um klassische Vorurteile zu adressieren wie „die Pille macht dick“ oder „die Hormonspirale tut weh bei der Einlage“?

Ich glaube, wir müssen es schaffen, über die Nebenwirkungen der verschiedenen Methoden zu sprechen. Möglichst neutral sprechen, gut zuhören und die ­Sorgen ernst nehmen. „Die Pille macht dick“ ist ­natürlich ein schwieriges Beispiel. Ist die Patientin ­zufrieden, wenn man sagt, dass das vielleicht nur ­Wassereinlagerungen sind? Vielleicht eher nicht. Man sollte auch offen sagen, dass nicht jede Verhütungsmethode immer passt. Wenn man es probiert hat und es passt nicht, muss man sich über Alternativen ­Gedanken machen. Und was die Einlage einer ­Hormonspirale betrifft, gibt es inzwischen sehr gute Methoden, die auch wissenschaftlich nachgewiesen den Schmerz bei der Einlage reduzieren, zum Beispiel die Einlage einer Spirale unter Ultraschallkontrolle.

Ich glaube, dass die hohe Zahl an Patientinnen mit einer Spirale in unserer Praxis zeigt, dass irgendwann diese Angst vor dem Schmerz der Einlage verschwindet und die Patientinnen ihren Freundinnen erzählen, dass die Einlage überhaupt nicht schlimm war. Und diese Mund-zu-Mund-Propaganda kann dann zum positiven Social-Media-Aspekt werden.

Herr Dr. Zuber, vielen Dank für dieses Gespräch.

Im Gespräch

Dr. med. Sebastian Zuber
Gynäkologe
82377 Penzberg

zuber@frauenarzt-penzberg.de

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