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Kongress-Ticker

Bekanntes und Perspektiven

Das (fast) Allmächtige Mikrobiom

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

8.8.2024

Erst in den vergangenen Jahren hat man nach und nach entdeckt, welche physiologischen Prozesse vom Mikrobiom gesteuert und modifiziert werden. Eine wissenschaftliche Session beschäftigte sich mit dem Mikrobiom und dem Zusammenspiel der Darm-Hirn-Achse, der Immunkompentenz und der Neuroplastizität.

PD Dr. med. Dr. scient. med. Sabrina Mörkl (Graz) referierte über die Darm-Hirn-Achse als wechselseitiges Kommunikationssystem zwischen Darm und Gehirn, welches immunologische, endokrinologische und neurale Kommunikationswege beinhaltet. Das Darmmikrobiom kann somit direkt und indirekt Auswirkungen auf das Gehirn und auf die Psyche haben. Ernährung hat einen großen Einfluss auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms und kann dieses binnen Tagen maßgeblich verändern.

Unter dem Begriff „Psychobiotikum“ werden alle Interventionen mit Einfluss auf die Darm-Hirn-Achse zusammengefasst, welche zu einer Verbesserung des psychischen Wohlbefindens führen sollen. Dazu zählen beispielsweise Ernährungsstile wie die mediterrane Ernährung, fermentierte Nahrungsmittel, Probiotika (lebende Darmbakterien), Präbiotika (Ballaststoffe, welche Bakterien als Nahrung dienen), Postbiotika (von Bakterien produzierte Stoffe, wie kurzkettige Fettsäuren, short chain fatty acids) und Synbiotika (Mischung aus Prä- und Probiotika). Laut Metaanalysen zeigen Probiotika antidepressive Effekte, wenn diese als Add-on-Therapie bei Menschen mit Depressionen eingesetzt werden.

Das Darmmikrobiom ist auch von zentraler Bedeutung für die Entwicklung und Modulation des angeborenen und adaptiven Immunsystems, sowohl lokal innerhalb der Darmschleimhaut als auch systemisch in anderen Organen, allen voran in der Leber. Die Leber ist ein wichtiges immunologisches Organ und das erste Organ, das aus dem Darm stammende Bakterien, bakterielle pathogenassoziierte molekulare Muster (PAMPs) und aufgenommene Lebensmittelprodukte herausfordert, nachdem sie in den systemischen Kreislauf gelangen. Aus diesem Grund befinden sich 80 % der körpereigenen Makrophagen in der Leber. Die Leber bildet somit eine „Firewall,“ die die eindringenden, zirkulierenden Bakterien eliminiert. Jede Änderung in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms wirkt sich daher auf die homöostatischen Funktionen aus, was zu Störungen der Leberfunktion führen kann.

Die Zusammenhänge zwischen Mikrobiom und Neuroplastizität stellte Prof. Dr. med. Aitak Farzi (Graz) vor. Aus Experimenten mit keimfreien Mäusen weiß man, dass es ohne Mikrobiom zu eingeschränktem Gedächtnis und Verhaltensänderungen kommt, zu einer eingeschränkten hippocampalen Neurogenese sowie eingeschränkter Langzeitpotenzierung im Hippocampus. Die Ergebnisse von Mikrobiom-Transplantationen von jungen auf alte Mäuse und umgekehrt unterstützen diese Ergebnisse. Man geht davon aus, dass in erster Linie bakterielle Metaboliten wie kurzkettige Fettsäuren und Tryptophan hier eine Rolle spielen. Sie sind essenzielle Bestandteile von Neurotransmittern.

Symposium „Mikrobiom – Bekanntes und Perspektiven“

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