Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging-Medizin gibt seine Einschätzung zum Kongress und über die spannenden Entwicklungen des Fachgebiets. Und er wagt eine Prognose, welche relevanten Trends wir in den kommenden Jahren sehen werden.
Auf dem Kongress haben mich viele Teilnehmer gefragt: „Wieso macht ihr jetzt Longevity?“ Das klingt so, als hat die GSAAM einen ganz neuen Fokus. Hat sie aber nicht. Es geht eher um Begrifflichkeiten. Der Begriff „Anti-Aging“ ist in den vergangenen Jahren zunehmend von den ästhetischen Dermatologen gekapert worden. Wenn ich sage: „Ich mache Anti-Aging-Medizin“, bekomme ich oft zu hören: „Okay, was empfiehlst du denn gegen meine Falten?“
Der Begriff „Longevity“ setzt sich immer mehr durch, wo es tatsächlich um Langlebigkeit geht – und vor allen Dingen um gesunde Langlebigkeit. Das hat zwei Gründe. Zum einen gibt es wirklich Fortschritte in diesem Bereich, vor allem bei der Epigenetik. Es gibt neue Supplemente, die gezielten Einfluss haben, und es gibt Leute, die das groß in die Medien bringen. Wie Brian Johnson, ein IT-Multimillionär, der einen Selbstverjüngungs-Versuch macht, der wohl ganz erfolgreich ist, aber natürlich enorm aufwendig. Viele Leute weltweit verfolgen das in den sozialen Medien.
Das Interesse ist riesig und auf einmal sind ganz neue Altersgruppen dabei. Nicht mehr nur die Generation 50+, die dann eher auch merkte: „Oh, da kommen die ersten Zipperlein.“ In der Longevity-Bewegung sieht man wahnsinnig viele 20-, 30-Jährige, die total fit sind, aber jetzt schon alles daran setzen, auch tatsächlich 120 Jahre alt zu werden. Und das ergibt Sinn. Prävention ist umso effektiver, je früher man damit anfängt.
Bio-Hacks in der Longevity-Klinik bald Realität
Und ich glaube tatsächlich: Da kommt eine neue Longevity-Generation. Sie wird die Altersgrenze deutlich nach oben schieben. Und das Interesse an diesem Thema wächst sehr schnell. Auch die entsprechende Industrie, die dahinter steht, wächst. Die ersten Longevity-Kliniken haben weltweit eröffnet, die nicht nur im Sinne von ästhetischem Anti-Aging arbeiten, sondern wirklich den Alterungsprozess angehen. Dieser Trend ist teilweise in anderen Ländern noch viel ausgeprägter als in den deutschsprachigen Ländern. Die großen Firmen sehen das als eine Chance, völlig neue Geschäftsfelder zu begründen. Denn die Frage liegt ja auf der Hand: Worin kann man besser investieren als in die eigene Gesundheit und in die eigene Langlebigkeit?
Viele Menschen sind bereit, sich mit Longevity-Themen zu beschäftigen. Es gibt Erfolge auf diesem Gebiet und es gibt neue Zielgruppen, die das für sich entdecken. Es kommen viele neue Player und das haben wir auch teilweise schon auf dem Kongress gesehen, dass wir da ein ganz anderes Publikum anziehen. Das stimmt hoffnungsvoll für die Zukunft: Die Anti-Aging-Medizin wird jünger.
Das sehen wir auch an unseren Mitgliedern, die jetzt teilweise aus der Bio-Hacking-Szene kommen. Das sind 20-, 30-Jährige, die sagen: „Okay, was gibt es für Bio-Hacks, die ich machen kann?“ Ob ich mich jetzt in die Eistonne knalle oder mich vors Rotlicht setze? Viele Ansätze werden getestet und manche von diesen Early Adopters werden auch bei uns Mitglied. Wir haben noch nie nach einem Kongress so viele neue Mitglieder gewonnen wie nach dem letzten.
Der Experte
Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk
Metropol Medical Center Nürnberg
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging-Medizin (GSAAM)