Wann gilt eine Anaphylaxie als Berufskrankheit? Welche Berufsgruppen sind wie häufig betroffen? Und was ist im Ernstfall zu tun? Gerade im Gesundheitswesen kommt der Latexallergie nur noch eine untergeordnete Rolle zu. Hier dominieren inzwischen andere Allergene als Auslöser der Anaphylaxie. Eine Standortbestimmung.
Eine berufsbedingte Anaphylaxie liegt vor, wenn die Reaktion aus Triggern oder Bedingungen resultiert, die einer speziellen beruflichen Umgebung zuzuordnen sind, erklärte Prof. Dr. med. Regina Treudler (Leipzig). Beispielsweise also wenn ein Gärtner von einer Biene gestochen wird oder eine Ärztin mit Latex in Berührung kommt. Ist dieses Kriterium erfüllt, kann und sollte eine Anerkennung als Berufskrankheit erwogen werden, da eine Beteiligung der Berufsgenossenschaften die finanzielle Absicherung verbessere.
Aus der Liste der Berufskrankheiten sind die Nummern 4301 und 5101 relevant (durch allergisierende Stoffe ausgelöste Atemwegserkrankungen einschließlich Rhinopathie / schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen).
Im März 2024 publizierte Daten aus dem Anaphylaxie-Register wiesen 225 (3,8 %) der gemeldeten 5 851 Fälle als berufsbedingt aus. Bei den meisten davon war der Auslöser Insektengift (83 %), nur selten waren Nahrungsmittel (12 %), Medikamente (4 %) oder Latex (1 %) verantwortlich. Männer waren häufiger betroffen (66 %) als Frauen. Nahrungsmittel-Anaphylaxien kamen insbesondere bei Köchen vor, aber auch bei Jägerinnen oder Forstarbeitern, die durch Zeckenstiche eine α-GAL-Sensibilisierung erfahren hatten und heftige allergische Reaktionen gegen rotes Fleisch aufwiesen. Hier sei eine Anerkennung als Berufskrankheit möglich, berichtete Treudler.
Nicht nur Latexallergien im Gesundheitswesen
Beschäftigte im Gesundheitswesen tragen ein erhöhtes Risiko für berufsbedingte Anaphylaxien durch Medikamente, Latex und Chemikalien. Die Latexallergie ist inzwischen selten, kann aber zu Kreuzreaktionen mit Avocado, Bananen, Maronen oder Maniok führen. Abgesehen davon müsse man im Gesundheitssektor bei Sensibilisierungen durch Aufziehen von Medikamenten oder die Durchführung von Pricktests ohne Handschuhe das eigene Risiko im Kopf behalten. Allergen-Immuntherapien könnten zu einer Sensibilisierung des Personals gegenüber Gräserpollen führen. Außerdem seien Desinfektionsmittel wie Chlorhexidin, Povidon-Jod oder Polyhexanid als Allergene relevant, ebenso Duftstoffe und Adhäsiva. Bei Laborpersonal wurden tierassoziierte Anaphylaxien nach Bissen und Nadelstichverletzungen beschrieben.
Adrenalin intramuskulär
Leitliniengemäß soll jede Anaphylaxie ab Grad II, also „alles, was über die Haut hinausgeht“, mit Adrenalin intramuskulär behandelt werden, so Treudler. Adrenalin wirke viel schneller als Antihistaminika und Steroide, selbst wenn man diese intravenös verabreiche. Im Anschluss an die Akutversorgung sollte eine genaue Anamnese der Auslöser und Risikofaktoren erfolgen, Allergene möglichst eliminiert und die anaphylaktische Episode als Arbeitsunfall an die Berufsgenossenschaft gemeldet werden, wenn das Allergen berufsrelevant ist. Außerdem können eine sIgE-Diagnostik (spezifisches IgE) und bei Insektengiften eine Allergen-Immuntherapie eingeleitet werden, ggf. über die Berufsgenossenschaft.
Vortrag „Berufsbedingte Anaphylaxie“ von Prof. Dr. med. Regina Treudler (Leipzig)