Eine Anaphylaxie kann schnell lebensbedrohlich werden. Umso wichtiger, dass Betroffene und ihr Umfeld, aber auch das Praxisteam für den Ernstfall gut geschult und optimal vorbereitet sind. Dabei kommt das in den Leitlinien empfohlene und oft lebensrettende Adrenalin i. m. aber immer noch zu selten zum Einsatz.
„Einen tödlichen Verlauf nimmt eine Anaphylaxie nur dann, wenn das Herz-Kreislauf-System oder die Atemwege betroffen sind“, erklärte Prof. Dr. med. Ludger Klimek (Wiesbaden). Daher müssen diese beiden Organsysteme beim Auftreten einer Anaphylaxie engmaschig kontrolliert und schnell behandelt werden. Wichtig sei aber zunächst, dass die Betroffenen selbst, aber auch das Praxispersonal die Alarmzeichen einer auftretenden Anaphylaxie überhaupt kennen, so der Experte. „Gerade Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen oder Schweißausbrüche sind Zeichen, bei denen viele nicht gleich an eine Anaphylaxie denken.“ Handlungsbedarf bestehe immer – und zwar leitliniengemäß [1] –, spätestens ab Grad 2, wenn mindestens 2 unterschiedliche Organsysteme betroffen sind. Dann besteht dringender Handlungsbedarf. „Eine Anaphylaxie muss man nicht alleine beherrschen“, betonte Klimek. „In der Praxis sollte parallel zur ersten Beurteilung der Lage immer sofort der Notruf abgesetzt werden.“
Therapie nach Leitlinie zu selten Standard
Eine wichtige Maßnahme bei einer Anaphylaxie ist die zügige Volumengabe. „Da das Volumen rasch verloren geht, sollte es auch rasch wieder zugeführt werden“, rät Klimek. Die Atemwegssicherung erfolgt mittels Larynxmaske oder -tubus. „Medikamentös wird häufig immer noch die intravenöse Gabe von Antihistaminika und Glukokortikoiden als wichtigste therapeutische Maßnahme angesehen, obwohl diese Medikation nicht die sofortig notwendige lebensrettende Maßnahme ist, sondern eine, die erst im weiteren Verlauf ihre Wirkung entfaltet“, betonte Klimek. „Denn diese Medikamente wirken viel zu spät und nicht kardiovaskulär und respiratorisch. Gerade bei Insektenstichen dauert es im Median nur ca. 15 min, bei injizierten Arzneimitteln sogar bloß 5 min, bis zum Eintritt einer Anaphylaxie – hier hilft nur die prompte Gabe von Adrenalin.“ Über die Wirkung an den α- und β-adrenergen Rezeptoren biete Adrenalin alles, was im Notfall notwendig sei, so Klimek. Bedauerlicherweise werde es in Deutschland aber immer noch viel zu selten eingesetzt – etwa nur bei 1 bis 2 von 10 Notarzteinsätzen [2]. Obwohl inzwischen mehrere vordosierte Adrenalin-Autoinjektoren (AAI) für die einfache und sichere intramuskuläre Applikation zur Verfügung stehen, die zudem rascher wirkt als die subkutane Gabe – was die Überlebenschancen erhöht und das Risiko von biphasischen Verläufen reduziert [3-5].
Welcher Adrenalin-Autoinjektor für wen?
Auf dem deutschen Markt sind aktuell 4 verschiedene AAI zugelassen, aufgrund eines Rückrufs nach einem Rote-Hand-Brief sind derzeit aber nur 2 auf dem deutschen Markt verfügbar. Die AAI unterscheiden sich in ihren Funktionsmerkmalen wie der praktischen Handhabung, der Nadellänge oder der Eignung für verschiedene Gewichtsklassen. Somit besteht die Notwendigkeit für regelmäßige Schulungen der Anwenderinnen und Anwender, um im Notfall sekundenschnell handeln zu können. „Ist ein Patient auf einen bestimmten Autoinjektor trainiert, sollte unbedingt auch immer der gleiche verschrieben werden und auf dem Rezept zur Sicherheit das Aut-idem-Kreuz gesetzt werden“, betonte Klimek.
Ein wichtiger Aspekt bei der Wahl des Präparates ist die STMD (Skin-to-muscle-distance) der betreffenden Person, der am Oberschenkel Adipöser bei über 20 mm (Normalgewichtige 15–20 mm) liegen kann. Denn die innerhalb der ersten kritischen 10 Minuten erreichbaren Adrenalinkonzentrationen sowie die Dauer bis zum Erreichen der maximalen Plasmawerte unterscheiden sich bei den jeweiligen Präparaten und in Abhängigkeit von der STDM, wie in einer Vergleichsstudie gezeigt wurde (Abb.) [6,7].
Wer braucht einen zweiten Notfall-Pen?
Sowohl BfArM als auch EMA empfehlen, Anaphylaxie-Patientinnen und -Patienten bzw. davon Bedrohten 2 AAI zu verschreiben. Auch die Empfehlungen der deutschen Anaphylaxie-Leitlinien sprechen sich für die Verschreibung eines zweiten AAI aus, wenn
Da der Verlauf und die Schwere einer Anaphylaxie nicht vorhersehbar sind und es in bis zu 20 % der Fälle nach einer erfolgreichen Therapie der Anaphylaxie zu einem protrahierten oder bisphasischen Verlauf mit erneuter Symptomatik nach 6–24 Stunden kommt, sollten stets beide Pens mitgeführt werden.
Vorbereitung ist das A und O
„Den Erfolg der Anaphylaxiebehandlung entscheidet zum großen Teil eine gute Vorbereitung“, betonte Klimek. Neben einem gut aufgeräumten Notfallset spielen regelmäßige Anaphylaxieschulungen eine entscheidende Rolle, wie die der Arbeitsgemeinschaft „Anaphylaxie – Schulung und Edukation“ (AGATE), die nachweislich zu einem signifikant besseren Wissen im Umgang mit der Anaphylaxie bei den Betroffenen und mehr noch bei den Eltern betroffener Kinder führen [8].
Vortrag „Neue Aspekte bei der Therapie der Anaphylaxie“ von Prof. Dr. med. Ludger Klimek (Wiesbaden)