Der Arztberuf hat gesellschaftlich immer noch einen hohen Stellenwert. Allerdings haben sich das Bild und die Einstellung zum Beruf in den vergangenen Jahrzehnten doch erheblich geändert. Es bahnt sich immer mehr ein Ärztemangel im kurativen Bereich an. So zeigte die Ärztestatistik für 2021 zwar einen geringen Anstieg der Ärzteanzahl, doch die Rate blieb hinter dem Wachstum der vergangenen Jahre deutlich zurück. Besonders besorgniserregend scheinen diese Zahlen den stationären Bereich zu treffen, die Zahl ist dort sogar eher rückläufig.
Ein weiterer Aspekt ist, dass immer weniger Ärzte 100 % ihrer Zeit eine ärztliche Tätigkeit ausüben. Das betrifft sowohl die Praxis als auch die Klinik. Es hängt natürlich auch mit der starken Zunahme von Frauen in unserem Fachgebiet zusammen, da verständlicherweise gerade junge Frauen in Zeiten der Familienplanung Elternzeiten in Anspruch nehmen. Aber auch bei männlichen Kollegen ist es heute durchaus nicht unüblich, die entsprechenden Elternzeiten zu nehmen oder wegen der Familie die Arbeitszeiten zu reduzieren. Bei der jüngeren Generation spielt die Work-Life-Balance eine ganz wichtige Rolle und macht sich besonders bemerkbar in Bereichen, in denen eine 24-stündige Bereitschaft erforderlich ist – wie in der Geburtshilfe.
Auch die Abwanderung von Ärzten in die nicht ärztliche Tätigkeit hat zugenommen. Im Zuge der Pandemie hat der öffentliche Gesundheitsdienst – sicher zu Recht – eine entsprechende Förderung erfahren. Auch das spielt bei der Gesamtentwicklung eine Rolle. Zahlreiche Befragungen zeigen, dass viele Ärzte sich überfordert fühlen. Dabei liefert weniger die ärztliche Tätigkeit den Grund, sondern der oft enorme administrative Aufwand, der in den vergangenen Jahren hinzugekommen ist. Dies verleidet doch manchen die Freude an der Arbeit. Der Zustrom ausländischer Ärzte, durch den die Entwicklung lange kompensiert werden konnte, ist vermutlich auch pandemiebedingt etwas rückläufig.
Ein erster Ansatz wären mehr Studienplätze in Deutschland. Wie Minister Lauterbauch kürzlich anmerkte, fehlen ca. 5 000 Medizinstudienplätze pro Jahr. Dies wird nicht über Nacht zu kompensieren sein, dieser Effekt wird sich frühestens in 6 bis 10 Jahren bemerkbar machen. So bleibt zu befürchten, dass diese Engpässe auch in den nächsten Jahren durch das Ausscheiden vieler Kolleginnen und Kollegen zunehmen werden.
Auch in der Geburtshilfe und Gynäkologie wird es schwieriger, die Abteilungen ärztlich auszustatten. Dies ist besonders in ländlichen Gebieten ein Problem, während es in größeren Kliniken noch ausreichend Bewerber für Assistenzarztstellen gibt. Es muss nicht nur aktiv für den Arztberuf geworben werden, sondern auch ganz gezielt für unser schönes Fachgebiet. Unsere Fachgesellschaft hatte hier bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen, indem Medizinstudenten spezielle Sommerkurse angeboten werden, um die Besonderheiten unseres Fachgebietes zu zeigen. Hier ist jeder von uns gefordert, ein positives Bild von unserem vielfältigen Fachgebiet zu zeichnen. Gerade die Betreuung von Schwangeren und die Geburtshilfe sind doch etwas Besonderes, das in dieser Form kein anderes Fachgebiet zu bieten hat.
Der Abbau administrativer Tätigkeiten und die Konzentration auf die ärztliche Arbeit wären weitere wichtige Maßnahmen. Eine adäquate Vergütung, wie sie in Coronazeiten immer wieder versprochen wurde, nicht nur für den pflegerischen Bereich, wo es besonders dramatisch ist, sondern auch für den ärztlichen Bereich, wäre angebracht. Die jetzt diskutierte Verschiebung einer neuen GOÄ in die nächste Legislaturperiode ist sicher das falsche Zeichen. Die aktuelle Entwicklung sollte man ernst nehmen. Wir alle können einen Beitrag dazu leisten, dass die Medizin und vor allem die Frauenheilkunde und Geburtshilfe attraktiv bleiben. Es ist gut, wenn wir junge Kolleginnen und Kollegen motivieren. Auch neue Ausbildungsmodelle in Kooperation zwischen Klinik und Praxis sind dabei sicherlich förderlich.
Auch dem Schwerpunkt Infektionen in dieser Ausgabe haben wir uns von mehreren Seiten genähert. Ich hoffe, mit diesen aus meiner Sicht sehr praxisnahen Übersichtsarbeiten können wir Ihnen für die tägliche Praxis eine Hilfestellung bieten.
Ich wünsche Ihnen weitere Freude an unserem schönen (Traum-)Beruf.
Ihr
Prof. Dr. med. Thomas Römer
Herausgeber
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