Die Reformen im Gesundheitswesen werden allerorts diskutiert, aber viele Fragen sind offen. Was wird umgesetzt? Spannend wird auch bleiben, welche von den angekündigten Reformen, die sich politisch gut verkaufen, wirklich zu einer Verbesserung der Situation im Gesundheitswesen führen? Das betrifft sowohl den ambulanten Bereich als auch die Klinikstruktur in Deutschland.
So sind die Vorschläge der Regierungskommission zur Grundlage der Reform der Krankenhausvergütung zunächst sehr interessant. Allerdings bestehen schon jetzt erhebliche Zweifel, ob das tatsächlich zu einer Verbesserung der aktuell angespannten Situation führen würde. Wesentliche Punkte bleiben unklar oder wurden ganz ausgespart. Plus: Diese Reformen würden einen radikalen Umbau der Krankenhauslandschaft bedeuten, der aber ohne die Zustimmung der einzelnen Länder gar nicht realisierbar ist.
Schauen wir uns ein paar Details an: Der Vorschlag der Vorhaltepauschalen, der nicht neu ist, hört sich gut an. Aber Hürden, wie die Prüfung der Behandlungsanteile pro Leistungsgruppen, können doch wieder zu einer Mengenausweitung führen. Der erhebliche wirtschaftliche Druck wird auch bei einer teilweisen Abschaffung der Fallpauschalen (> Abrechnung) bleiben. Denn drei Versorgungsstufen führen nicht dazu, dass mehr Geld im System (> Gesundheitssystem) ist, nur zu einer Umverteilung. Verbunden damit sind auch Mindeststrukturvoraussetzungen, die sicher in bestimmten Bereichen sinnvoll sind. Allerdings wird das Leistungsspektren massiv einschränken und einige Kliniken sehr treffen. Und statt einer Entbürokratisierung, wird durch die Prüfung von Komplexpauschalen und Notaufnahmen mit zusätzlicher Arbeit für die Kliniken zu rechnen sein, die das Personal aber weniger in der Bürokratie, sondern beim Patienten benötigen. Es handelt sich de facto nicht um eine Änderung der Krankenhausvergütung, sondern der gesamten Krankenhausplanung. Auch die Facharztausbildung dürfte damit deutlich erschwert sein, da sie so nicht mehr im vollen Umfang möglich sein wird.
Ähnliches gilt für den ambulanten Bereich. Eine Stärkung des ambulanten Operierens ist ja bisher vor allem an der unzureichenden Vergütung gescheitert. Grundsätzlich wäre eine Anpassung der Vergütung, beispielsweise für operative Leistungen bei gynäkologischen Operationen, zu begrüßen, ob ambulant oder stationär. Allerdings müssten dazu mit entsprechendem Vorlauf auch Strukturen geschaffen werden, die diese Umsetzungen ermöglichen. Ob die vermehrte Einführung von tagesklinischen Behandlungen tatsächlich die Nachtdienste in Kliniken reduziert, ist sehr fraglich. So dürfte die Idee der tagesklinischen Versorgung – die Patientin kommt jeden Tag wieder in die Klinik – insbesondere bei älteren Patientinnen oder im ländlichen Raum kaum zu realisieren sein.
Eines der größten Probleme in der Zukunft wird sowohl in der Praxis als auch in der Klinik sein, adäquates Personal zu finden. Hiermit steht und fällt die Versorgung. So wie es in der Praxis oft schwer ist, MFA zu finden, gibt es in der Klinik immer weniger Pflegepersonal. Dieser Markt wird inzwischen zunehmend durch Zeitarbeitsfirmen dominiert, die diese Lücke ausnutzen und den Kliniken die Bedingungen diktieren können. Damit wird das Gesamtsystem noch teurer. Das betrifft nicht nur die stationäre Pflege, sondern auch die Funktionsbereiche. Selbst Leihhebammen sind inzwischen ein gängiges Konzept geworden. Strukturvorgaben wie Mindestbesetzung in der Pflege oder in Kreißsälen sind häufig nicht realisierbar, was dann zum Teil zu einer Schließung von Stationen führt oder auch zur Abmeldung von Kreißsälen.
Apropos Kreißsaal: Im vergangenen Jahr hat die Leitlinie zur vaginalen Geburt für viele Diskussionen gesorgt – nicht alle Vorstellungen decken sich immer mit unserem bisherigen Verständnis der Leitung und Überwachung einer Geburt. Deshalb haben wir dieses Thema noch einmal aufgegriffen und ich bin dankbar, dass mit Prof. Michael Abou-Dakn einer der Leitlinienkoordinatoren uns dazu die Hintergründe erläutert.
Bei dieser intensiv diskutierten Leitlinie geht es um die Entbindung zum Termin ohne Risikofaktoren. Andererseits sehen wir eine Zunahme von Hochrisikoschwangerschaften, z. B. von Patientinnen mit Diabetes mellitus. Auch dazu geben wir einen Überblick, in einem Beitrag aus der Universitätsfrauenklinik Jena. Und last but not least sind auch reproduktionsmedizinische Problematiken in den vergangenen Jahren durch den oft viel später einsetzenden Kinderwunsch immer relevanter geworden. Zu den Fortschritten der vergangenen Jahre gibt uns PD Dr. Dolores Foth ein Update in diesem Heft.
Ich wünsche Ihnen für 2023 alles Gute verbunden mit der Hoffnung, dass dann vielleicht doch sinnvolle Reformen uns die Arbeit erleichtern und nicht bürokratische Hindernisse diese noch weiter erschweren.
Ihr
Prof. Dr. med. Thomas Römer
Herausgeber
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