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Dermatologie

Dimethylfumarat bei Psoriasis

Der Wirkstoff muss zu den Bedürfnissen passen

Dr. med. Viktor A. Czaika

16.8.2024

Steht die Indikation zur Systemtherapie einer moderaten oder schweren Psoriasis, bieten sich heutzutage mehrere Möglichkeiten der Firstline-Therapie. Auch wenn das Portfolio an Biologika groß ist, haben doch auch die altbewährten systemischen Wirkstoffe immer noch ihre berechtigten Einsatzgebiete.

Die Schuppenflechte kann unbehandelt einer ganzen Reihe von relevanten internistischen und neurologisch-psychiatrischen Komorbiditäten Vorschub leisten. Zusammenhänge einer unbehandelten Psoriasis mit einem signifikant erhöhten Myokardinfarktrisiko, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Diabetes mellitus, Depression u. a. sind wissenschaftlich erwiesen [1,2]. Die fehlende adäquate Behandlung einer Psoriasis kann eine Verkürzung der Lebenszeit zur Folge haben. Aus diesem Grund ist in der deutschen S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis die klare Indikation zur systemischen antipsoriatischen Behandlung bei moderater und schwerer Psoriasis gegeben. Der BSI, der PASI, aber auch der DLQI sind Scores, die die Ausprägung definieren. Eine starke Einschränkung der Lebensqualität erhöht per se den Schweregrad einer Psoriasis.

Bei der Wahl einer systemischen Therapie sind die Kriterien der Wirksamkeit, der zu erwartenden unerwünschten Wirkungen, aber auch der Praktikabilität und nicht zuletzt der Kosten in ein optimales Verhältnis zueinander zu setzen. Fumarsäureester sind in der systemischen Therapie der Psoriasis vulgaris langjährig bewährt und wirksam, zeigen im Vergleich zu den klassischen Immunsuppressiva wie Methotrexat, Cyclosporin oder den Retinoiden ein um ein Vielfaches geringeres Potenzial für unerwünschte Arzneimittelwirkungen und haben gegenüber den Biologika den Vorteil der peroralen Einnahme [3].

Neben einem Fumarat-Gemisch ist auch Dimethylfumarat (DMF), der aktiv wirksame Anteil der Fumarsäureester, konzentriert für die perorale Langzeitbehandlung der Psoriasis zugelassen. Als „firstline“ verschreibungsfähiges Systemantipsoriatikum ist es eine wichtige frühe Option innerhalb der seitens der Krankenkassen vorgeschriebenen Behandlungsstufen vor Einsatz der modernen Biologika.

In der nachfolgenden Kasuistik wird der erfolgreiche Einsatz von DMF dargestellt.

Suberythrodermatische Psoriasis vulgaris

Der 66-jährige pensionierte Polizist aus dem brandenburgischen Flächenland leidet seit seinem 42. Lebensjahr an einer rezidivierenden und teils suberythrodermatischen Psoriasis. Er berichtet von mehreren dermatologisch-stationären Aufenthalten mit PUVA-Badetherapie, Anwendung von Keratolytika, topischen Steroiden und Dithranol sowie langjähriger ambulanter Lokaltherapie mit Calcipotriol/Betame­thason in Salben- oder Schaumformulierung. Über einen längeren Zeitraum war mit Methotrexat p. o. und nachfolgend s. c. behandelt worden. Hier kam es nach einem Verlauf von 2 Jahren zum Wirkungsverlust, allerdings sei der Grund des Absetzens eine zunehmende Blutbilddepletion und der Anstieg der Leberwerte gewesen. Ein nur kurzzeitiger Behandlungsversuch mit Fumarsäureester vor Jahren sei wegen gastrointestinaler Unverträglichkeit abgebrochen worden, allerdings ließ sich hier eruieren, dass damals möglicherweise eine viel zu rasche Dosisaufsättigung erfolgt war. Eine Behandlung mit dem Retinoid Acitretin habe wegen starker Hauttrockenheit und erosiver Schleimhautläsionen vorzeitig beendet werden müssen. Nur kurzfristige Besserungen nach dermatologischen Klinikaufenthalten, die diversen und eher wenig effektiven sowie schlecht verträglichen Systemtherapien hätten ihn resignieren lassen. Auch die Lokaltherapie hätte er insbesondere wegen der starken Rückfettung der Betamethason/Calcipotriol-Präparate und der Färbeeffekte an den Textilien nach und nach eingestellt. Zudem hätte ihm seine Wohnsituation im eher ländlichen Gebiet auch den kurzfristigen Zugang zu dermatologisch-fachärztlicher Versorgung erschwert. Gelenkbeschwerden hätten nie bestanden. Eine leichte Besserung würden Aufenthalte im Mittelmeerklima bewirken, weswegen er sich in den Wintermonaten in einem Wohneigentum auf Mallorca aufhalte.

Dermatologischer Befund

Am gesamten Rücken und im Gesäßbereich finden sich großflächig konfluierende, stark erythematöse mittellamellär schuppende Plaques. Die streckseitigen Ober- und Unterarme und die Beine sind ebenfalls großflächig betroffen. Bis auf einzelne kleinere Plaques im Bereich des lateralen Abdomens ist der zentrale Stamm weitgehend erscheinungsfrei. Die Hände und Nägel sind nicht befallen. Klinisch findet sich kein Hinweis auf Gelenkbeteiligung.

Diagnostik

Laborchemisch fällt eine geringe Auslenkung von ALAT und ASAT sowie eine geringe Einschränkung der GFR auf 55 ml/min auf. Das übrige Routinelabor einschließlich des Differenzialblutbilds ist unauffällig.

In der Abdomensonografie imponiert eine moderate Steatosis hepatis bei normal großer Leber und ein ansonsten unauffälliger Befund der Oberbauchorgane.

Therapie und Verlauf

In Korrelation von Anamnese und klinischem Befund lässt sich unschwer die Diagnose einer Psoriasis vulgaris Typ II vom chronisch-stationären Typ stellen. Die großflächige Ausprägung im dorsalen Stammbereich lässt eine nahezu suberythrodermische Ausprägung erkennen. BSI und PASI liegen deutlich über 10 % und es besteht ein vom Patienten deutlich formulierter Leidensdruck bei Resignation hinsichtlich einer weiteren aktiven Therapie. Unstrittig handelt es sich um eine schwere Verlaufsform der Psoriasis.

Es werden mit dem Patienten die verfügbaren Therapiestrategien erörtert. Eine Biologika-Therapie (die ihm bislang noch nie angeboten worden war) erscheine ihm hinsichtlich der Beschaffung bei sehr ländlicher Wohnlage und wegen des längeren Spanienaufenthalts im Winter problematisch. Zudem stehte er einer biomolekularen Langzeitbehandlung per injectionem zunächst skeptisch gegenüber und würde doch eher eine orale Therapie bevorzugen. Letztlich einigt man sich auf eine erneute Fumarat-Therapie. Bei dem Jahre zuvor ersten Versuch der Einnahme von Fumarsäure erfolgte die Dosissteigerung viel zu schnell – mit der Folge einer erheblichen gastrointestinalen Symptomatik. Mit dem auf die aktive Wirkform Dimethylfumarat bereinigten Fumarsäuremedikament wolle er es nun noch einmal versuchen.

Im Folgenden wurde eine bewusst sehr protrahierte Dosisaufsättigung mit DMF begonnen. Dabei wurde die 3 × tägliche Gabe von 30 mg in Woche 3 gut toleriert. Bei oraler Gabe von täglich 120 mg (1–1–2) in Woche 8 kam es zu einer leichteren gastrointestinalen Symptomatik, weswegen auf die zuletzt tolerierte Dosis mit täglich 1–1–1 p. o. reduziert wurde.

Im Anschluss erfolgte eine erneute, aber vorsichtige Dosistitration in 30-mg-Schritten über weitere 4 Wochen. Nun tolerierte der Patient die Therapie. Er wurde auch dahingehend beraten, je nach Beschwerdesymptomatik selbst eine Feinanpassung vorzunehmen. Schon bei der ersten Wiedervorstellung nach 6 Wochen war eine deutliche Besserung eingetreten, nach 14 Wochen war das Integument nahezu erscheinungsfrei (Abb. 2).

Anfänglich wurde die systemische Behandlung topisch durch eine Creme mit der Fixkombination aus dem Vitamin-D-Analogon Calcipotriol und dem Klasse-­III-Steroid Betamethason unterstützt. Hierbei wurde ein Präparat mit wasserhaltiger Galenik, basierend auf der skandinavischen PAD-Technologie, gewählt, das sich insbesondere leicht auftragen lässt, schnell einzieht und keine Färbeeffekte auf Textilien aufweist.

Dimethylfumarat

Fumarsäure ist ursprünglich ein Naturprodukt, das vor allem in Pflanzen wie Fumaria officinalis vorkommt. Die Effektivität gegen Psoriasis wurde bereits 1959 gezeigt, 1994 wurden synthetisch hergestellte Fumarsäureester in Deutschland als systemisches Antipsoriatikum zugelassen. Der eigentlich wirksame Bestandteil ist das Dimethylfumarat, das 2017 für die initiale systemische Behandlung der moderaten und schweren Psoriasis zugelassen wurde. Es wurde von den eher für unerwünschte Arzneimittelwirkungen verantwortlichen Estern Calcium-, Natrium- und Zink-Hydrogenfumarat bereinigt.

Dimethylfumarat wirkt als Immunmodulator über direkte oder indirekte Inhibition der Interleukinproduktion, vermittelt Zytoprotektion, verstärkt die zelluläre Abwehr gegen oxidativen Stress und vermindert Neutrophilen-Migration und -Adhäsion. Insbesondere durch die Inhibition der Schlüsselinterleukine der psoriatischen Inflammation, IL-12 und IL-23, und durch die gleichzeitige Stärkung von IL-20 wird ein „Shift“ vom proentzündlichen TH1/TH17-Profil zum TH2-Phänotyp und damit ein Wandel der T-Zell-vermittelten Immunantwort von entzündlich zu antientzündlich bewirkt [4-6].

Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind dosisabhängige und meist vorübergehende gastrointestinale Beschwerden sowie Flush-Symptomatik. Diese können jedoch durch eine individuell angepasste Dosistitration vermieden oder zumindest deutlich reduziert werden. Bei Auftreten der seltenen Leukozytopenie mit < 700/µl oder Lymphozytopenie mit < 3 000/µl wäre ein Abbruch der Therapie erforderlich, bei Leukozyten zwischen 1 000/µl und 700/µl eine Dosisreduktion. Selbst bei moderater Leber- oder Niereninsuffizienz besteht kein Erfordernis zur Dosisreduktion. Kontraindikationen bestehen für Schwangerschaft und Stillzeit [6,7].

Eine Laborkontrolle ist nur vierteljährlich gefordert. Grund für die Überwachung der weißen Blutzellen ist die Prävention hinsichtlich einer extrem seltenen progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie. Diese ebenso wie ein akutes Nierenversagen oder das Fanconi-Syndrom („Phosphatdiabetes“) mit Polyurie, Polydipsie, Dehydratation, Myalgien, Hypoglykämie, neurologischen Störungen und Osteo­malazie sind extrem seltene Einzelfälle und allesamt ausschließlich unter Therapie mit dem mehrere Fumarsäure­ester enthaltenden Fumarat-­Gemisch beschrieben [8,9].

Fumarsäure ist ein in der klinischen Praxis bewährtes, wirksames und sicheres orales Antipsoriatikum. Mit dem Wirkstoff Dimethylfumarat (DMF) gelingt über verschiedene Wirkmechanismen eine Immunmodulation, die die psoriatische Inflammation zurückdrängt. Ganz entscheidend ist die behutsame und individuell angepasste Dosistitration. Als orales „Firstline“-Antipsoriatikum ist Dimethylfumarat auch aus Sicht der Praktikabilität und der Kosten ein nicht nur in der Haut-, sondern auch der hausärztlichen Praxis sinnvoll einsetzbares Medikament.

Der Experte

Dr. med. Viktor Alexander Czaika
Facharzt für Dermatologie,
Venerologie und Innere Medizin
Bruno-Bügel-Weg 16
12439 Berlin

viktor.czaika@gmx.de

  1. Hanova P et al., Scand J Rheumatol 2010; 39: 310–7
  2. Gerdes S et al. Br J Dermatol 2008; 159: 1116–23
  3. S3-Leitlinie „Therapie der Psoriasis vulgaris“, AWMF-Reg.-Nr. 013/001; 2017
  4. Augustin M et al., Acta Derm Venereol 2010; 90: 147–51
  5. Yazdi MR et al., Clin Dermatol 2008; 26: 522–6
  6. Mrowietz U et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018; 32: 3–14
  7. Scannevin RH et al., J Pharmacol and Expt Ther 2012; 341: 274–84
  8. Wu JJ, Am J Manag Care 2017; 23: 403–16
  9. Hanson J et al., Pharmacol Ther 2012; 136: 1–7

Bildnachweis: privat

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