Durch eine gestörte Hautbarriere und die Typ-2-T-Helferzellen-dominante Immunantwort kommt es bei der atopischen Dermatitis (AD) zu quälendem Juckreiz und Entzündungsprozessen. Spezifische Immuntherapeutika gelten in der systemischen Therapie als Gamechanger. Ein Überblick von Prof. Dr. med. Stephan Weidinger (Kiel).
Wann sollte eine Systemtherapie mit Immuntherapeutika bei atopischer Dermatitis in Erwägung gezogen werden?
Zentraler Bestandteil der Therapie einer atopischen Dermatitis ist immer eine stadiengerechte topische Behandlung – vor allem zu Beginn. Wenn man allerdings trotzdem nach etwa 4 Wochen kein ausreichendes Ansprechen aufgrund der Schwere der Erkrankung erkennt und relevante Triggerfaktoren ausgeschlossen wurden, sollte eine zusätzliche Systemtherapie in Erwägung gezogen werden. Es gibt derzeit keine zeitlichen Vorgaben für einen Switch. Dieser kann unter Umständen auch früher erfolgen, wenn beispielsweise bei stark ausgeprägter Erkrankung der Leidensdruck entsprechend hoch ist.
Was ist der Benefit einer frühen Systemtherapie bei gegebener Indikation?
Im Fokus steht immer die Reduktion der kumulativen Krankheitslast der AD. Ein Ziel ist aber auch, durch eine rechtzeitige Behandlung möglicherweise das Risiko für Begleit- und Folgeerkrankungen zu reduzieren bzw. dieses positiv zu beeinflussen. Typische Begleiterkrankungen bei der AD sind Asthma oder eine allergische Rhinitis. Folgeerkrankungen sind z. B. psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen. Wir Therapeutinnen und Therapeuten sprechen nicht von einer frühen Therapie, sondern einer rechtzeitigen und ausreichenden. Und hier sind wiederum die Schwere der Erkrankung und der Patient bzw. die Patientin ausschlaggebend. Bringen wir die Erkrankung so früh wie möglich unter Kontrolle, gelingt es möglicherweise, den atopischen Marsch, also die Entstehung weiterer atopischer Erkrankungen und Allergien, günstig zu beeinflussen.
Können IL-4/IL-13- oder IL-13-Antikörper in der Akuttherapie den Einsatz systemischer Glukokortikoide reduzieren oder gar überflüssig machen?
Kein Therapeut, keine Therapeutin ist ein Freund vom Einsatz systemischer Glukokortikoide. Kurzfristig ergibt die Verordnung allerdings in wenigen Fällen Sinn. Da es sich aber bei der atopischen Dermatitis um eine langfristige Erkrankung handelt, sollten die potenziellen Nebenwirkungen sowie die Gefahr eines Rebound-Effektes nach dem Absetzen nicht in Kauf genommen werden.
Welche Vorteile hat der Einsatz von IL-13-Antikörpern versus Januskinase(JAK)-Inhibitoren?
Grundsätzlich muss man sagen, dass beide Substanzgruppen eine echte Bereicherung darstellen und gut geeignet sind zur Behandlung der moderaten bis schweren atopischen Dermatitis. Unterschiede sind zum Beispiel, dass die JAK-Inhibitoren sehr schnell wirksam sind und typischerweise die Patientinnen und Patienten schon innerhalb weniger Tage nach Beginn der Therapie eine deutliche Verbesserung der Symptomatik erfahren.
Die Biologika brauchen dagegen ein bisschen länger, hier kommt die volle Wirkung eigentlich erst nach einigen Wochen zum Tragen. Dafür ist bei den Biologika eigentlich kaum ein Screening oder Monitoring notwendig, da die Verträglichkeit und Sicherheit enorm hoch sind. Bei den JAK-Inhibitoren ist das Monitoring dagegen schon notwendig – sowohl vor Therapiebeginn als auch während der Therapie.
Wie unterscheidet sich die Adhärenz der beiden Substanzgruppen?
JAK-Inhibitoren werden oral verabreicht, wohingegen die Biologika subkutan in mehrwöchigen Abständen appliziert werden. Hier entscheiden die Patienten und Patientinnen mit, was für sie am angenehmsten ist. Weitere Unterschiede liegen in der Dosisanpassung. Bei JAK-Inhibitoren haben wir Therapeuten und Therapeutinnen mehr Möglichkeiten für eine Dosisanpassung, wir können hoch beginnen und dann reduzieren. Bei den Biologika haben wir zumindest in-label weniger Spielraum.
Was ist mit der Verträglichkeit der beiden Substanzklassen?
Die JAK-Inhibitoren sind insgesamt sehr gut verträglich, aber es gibt doch mehr unerwünschte Ereignisse als bei den Biologika. Anders formuliert: Das Sicherheitsprofil der Biologika ist exzellent, das der JAK-Inhibitoren sehr gut. Letztendlich sind beide Substanzgruppen für die Langzeittherapie geeignet und auch erprobt.
Aus meiner Erfahrung sind Biologika besonders für den langfristigen Gebrauch geeignet, aber weniger als kurzfristige, intermittierende Behandlungsoption.
Dupilumab mit einer IL-4- und IL-13-Blockade versus IL-13-Inhibitoren: Was sind die Unterschiede?
Dupilumab hat die Therapie der atopischen Dermatitis massiv verändert. Es war ein echter Meilenstein und damit auch der Startschuss für die Entwicklung weiterer innovativer Therapeutika. 2021 wurde dann der IL-13-Inhibitor Tralokinumab zugelassen. Dieser Inhibitor ist effektiv, braucht aber länger als Dupilumab, bis er anflutet und seine Wirkung entfaltet.
Und was ist mit dem kürzlich zugelassenen Lebrikizumab?
Die Wirkung von Lebrikizumab setzt vergleichbar schnell ein wie die von Dupilumab. Es gibt auch Übereinstimmungen in Bezug auf das Wirk- und Nebenwirkungsprofil. Beide Substanzen sind effektiv, und das bei guter Verträglichkeit.
Ob und welche Vorteile eine zusätzliche IL-4-Blockade bringt, wissen wir noch nicht genau. Offensichtlich reicht aber die IL-13-Blockade für die atopische Dermatitis selbst in den meisten Fällen aus. Je weniger wir in das biologische System eingreifen müssen, desto besser aus Therapeutensicht. Hier wären Vergleichsstudien, die es bislang nicht gibt, gewinnbringend.
Vielen Dank für dieses Gespräch.
Im Gespräch
Prof. Dr. med. Stephan Weidinger
Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie UKSH, Campus Kiel
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