- Anzeige -
Dermatologie

Interview

Strategien der Gesprächsführung beim Thema STI

Nicole Hein

28.2.2025

In der Dermatologie gehören Themen rund um die Sexualität nicht zum Alltag. Dennoch sind sie wichtig, wenn es um sexuell übertragbare Infektionen geht. Isabel Mordhorst arbeitet beim WIR, dem Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin in Bochum. Sie erzählt, wie sie mit sensiblen Themen umgeht.

Gibt es Strategien, um sensible Themen anzusprechen, die sich in Ihrem beruflichen Alltag bewährt haben?

Es ist oft hilfreich, wenn ich als Ärztin den ersten Schritt mache. So bekommen die Patientinnen und Patienten das Gefühl, dass sie offen sprechen können. Einleitende Worte können sein: „Wenn es für Sie in Ordnung ist, würde ich Ihnen ein paar intime ­Fragen stellen.“ Bei merklich verunsicherten Menschen hilft es, erst über die Beschwerden zu reden und später die Sexualanamnese zu ergänzen.

Außerdem stelle ich immer wieder fest, dass einigen Personen passende Formulierungen fehlen. Hier kann es helfen, den Betroffenen zu signalisieren, dass sie die Wörter benutzen sollen, die sie auch einem Freund oder einer Partnerin gegenüber wählen würden. Als Ärztin benutze ich gegebenenfalls leichte Sprache, um inhaltliche Missverständnisse in der Kommunikation zu vermeiden. Darüber hinaus ist es wichtig sich bewusst zu machen, dass jeder mehr oder weniger ein Schubladendenken besitzt – davor ist man auch als ärztlich ­tätiger Mensch nicht gefeit. Deshalb sollte man sich bemühen, unvoreingenommen und neutral in ein Gespräch zu gehen und sein Gegenüber erstmal reden zu lassen.

Haben Sie konkrete Vorschläge für den Einstieg ins Gespräch?

Meistens klappt der Einstieg in die Sexualanam­nese gut, wenn man über die Beziehungsebene kommt. Hier hilft die Frage: „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Partnerschaft?“ Direkt nach der Sexualität zu fragen, kann als unempathisch oder gar abschreckend in der Arzt-Patienten-Beziehung wirken. Als nächstes bietet es sich an zu fragen, welchem ­Geschlecht die Beziehungsperson angehört. Danach lässt sich die Frage nach der Beziehungsform anschließen, also beispielsweise nach Monogamie und Polyamorie.

Wie gelingt es, eine Vertrauensbasis aufzubauen, auf der sensible Fragen möglich sind?

Entscheidend sind Wertschätzung und Akzeptanz. Die Patientin, der Patient sollte merken, dass es für mich okay ist, was sie oder er erzählt. Denn ich höre zu, ich akzeptiere wie er oder sie ist – und gebe dem Raum. Dabei sollte man aufpassen, dass man nicht anfängt zu moralisieren. Über das, was ich höre, kann dann auch die Wissensvermittlung stattfinden. Ein Beispiel: Ein homosexueller Patient berichtet, dass ein Kondom nichts für ihn wäre. Wie kann man diesen Patienten nun em­powern? Indem man ihn über Risiken aufklärt und über Möglichkeiten der Prävention berät. Auf Basis dessen kann der Patient nun Entscheidungen treffen. Er soll sich an die Hand genommen fühlen – und nicht verurteilt für seine bisherige Ablehnung, ein Kondom zu verwenden.

Was sollten Dermatologen vermeiden, wenn sie sensible Themen ansprechen?

Wir haben ja bereits darüber gesprochen, wie der Einstieg in sensible Themen gelingen kann. Extrem ungünstig ist es, einen Patienten oder eine Patientin mit dem Thema Sex quasi zu überfallen.

Gibt es Unterschiede in der Ansprache von Angehörigen verschiedener Gruppen?

Die Ansprache richtet sich unter anderem nach Alter, Gender und persönlichen Präferenzen. Generell sollte sie immer wertschätzend sein und dem ­Anlass angemessen. Ich persönlich bevorzuge das „Sie“, unsere Medizinischen Fachangestellten nutzen Vornamen und das „Du“ wegen des Datenschutzes und weil es eine persönliche Atmosphäre kreiert. Die Wortwahl im Gespräch hängt unter anderem vom beruflichen, akademischen oder auch kulturellen Background ab. Auch geht es bereits los mit dem Thema Gender: Es ist ein Zeichen von Akzeptanz, jemandem mit dem Pronomen anzusprechen, das die Person für sich gewählt hat. Fettnäpfen passieren allerdings auch bei uns.

Wichtig ist es, sensibel zu sein und Missverständnisse direkt zu verbalisieren. Dies führt im Allgemeinen schnell zu einer guten Vertrauensbasis.

Welche Aspekte wirken sich noch auf ein wertschätzendes Gespräch aus?

Das Gespräch definiert sich meiner Erfahrung nach durch den Anlass, weswegen sich eine ­Patientin oder ein Patient in der Arztpraxis vorstellt. Kommt also jemand zu mir, um sich beraten zu lassen? Oder wegen eines konkreten Problems, das wiederum somatisch oder psychologisch sein kann?

Wie kann man vorbeugen, in bestimmte Denkmuster zu verfallen?

Jeder hat bestimmte Denkmuster im Kopf. Dessen sollte man sich ­bewusst sein – und frei machen davon. Zu einer Sexual- und Risikoanamnese ­gehört es, nicht im Kopf ein Häkchen hinter Beziehungsstatus zu ­setzen, sondern unvoreingenommen weiterzufragen, denn Beratung und Therapie hängen maßgeblich vom Verständnis der Sexualität ab. Patienten und Patientinnen merken es, wenn man Interesse zeigt und honorieren das meistens durch positive Reaktionen.

Was kann man tun, wenn man im Gespräch mit dem Patienten beziehungsweise der Patientin an seine Grenzen stößt, weil er oder sie nicht über das Thema Sex reden möchte?

In dermatologischen Praxen ist das Thema Sexualität nicht das Kernthema. Anfangs hat man vielleicht ein bisschen Scheu, aber das Fragen lässt sich üben. Manche Patientinnen oder Patienten können oder wollen sich nicht öffnen. Wenn jemand zu einem Thema nichts sagen möchte, ist das selbstverständlich in Ordnung. Hier gilt es, die Grenzen meines Gegenübers zu respektieren. Merke ich das im Gespräch, sage ich häufig: „Ich stelle Ihnen jetzt eine Frage dazu. Sie dürfen aber auch nein sagen.“ Es kann sinnvoll sein, sich ein Netzwerk aufzubauen aus Ansprechpersonen, an die man unter Umständen weiterleiten kann.

Und noch ein Tipp: Alle, die sich zum Thema sexu­elle Gesundheit weiterbilden möchten, denen kann ich die Zusatzweiterbildung „Sexualmedizin“ der Ärztekammer nur ans Herz legen.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

Im Gespräch

Isabel Mordhorst
Funktionsoberärztin, WIR Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin
Universitätsklinikum St. Elisabeth-Hospital

wir@klinikum-bochum.de

Bildnachweis: privat

Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt