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Dermatologie

Hidradenitis suppurativa

Frühzeitige Diagnose verhindert Gewebezerstörung

Dr. med. Christine Adderson-Kisser

14.8.2023

Die therapeutischen Optionen für die äußerst schmerzhafte und Lebensqualität-einschränkende Hidradenitis suppurativa (HS) sind sehr überschaubar – nun wurden sie durch die Zulassung des IL-17A-Antikörpers Secukinumab erweitert. Um bleibende Gewebeschäden zu verhindern, muss aber frühzeitig die Diagnose stehen.

Der Experte

Leiter der Dermatochirurgie, Leiter des Centrums für Acne inversa der Ruhr-Universität Bochum

www.klinikum-bochum.de

Was macht es so schwierig, die Diagnose HS zu stellen?

Eigentlich ist es ganz einfach, wenn man die klassischen Diagnosekriterien heranzieht – darum ist es umso schwerer zu verstehen, dass eine derart lange Zeitspanne zwischen der Manifestation der ersten Symptome der Patienten und der Diagnosestellung liegt – wir sprechen immerhin von 7 bis 10 Jahren Latenz. Man braucht weder Blutbild noch Apparatediagnostik, es sind ganz simple Dinge, die beachtet werden müssen: die 3 W – Was: die Kardinalsymptome Knoten, Abszesse und/oder Fisteln, Wo: invers, also an den großen Hautfalten, Wie: chronischer Verlauf mit mindestens zwei Schüben innerhalb von 6 Monaten. Wenn man diese Hauptkriterien sieht, ist die Diagnose klar.

Durch jahrelange Awareness-Kampagnen haben wir schon viele Dermatologen für die HS sensibilisiert, bei anderen Facharztgruppen, v. a. den Allgemeinärzten und Gynäkologen, müssen wir noch mehr Aufklärungsarbeit leisten. Denn ein guter Teil der Patienten stellt sich primär beim Hausarzt vor und erhält vielleicht eine antibiotische Salbe oder wird zur Abszessspaltung an einen Chirurgen überwiesen. Manche gehen auch wiederholt in der Notaufnahme, wenn die Schmerzen nicht mehr aushaltbar sind, oder sie therapieren sich selbst zu Hause. Es werden also Einzelbefunde behandelt, aber der Kontext der systemischen entzündlichen Erkrankung bleibt dabei oft jahrelang unerkannt.

Was sind die Schwierigkeiten in der Behandlung der HS?

Das Problem bei der HS ist, dass es sich um eine progrediente Erkrankung handelt, die über die Zeit einen ganz anderen Verlauf nimmt als andere entzündliche Erkrankungen, z. B. die Psoriasis, bei denen man mit modernen Therapeutika auch nach 10 Jahren noch die Chance hat, eine erscheinungsfreie Haut zu erreichen. Bei der HS aber geht die Entzündung in einen irreversiblen Gewebsschaden mit Fistelgängen und Narben über. Deshalb ist es besonders tragisch, wenn Patienten erst nach vielen Jahren diagnostiziert werden, wenn die Haut schon schwer geschädigt ist. Auch mit den neuesten ­Medikamenten wird es uns wohl nicht möglich werden, diesen Patienten wieder zu normaler Haut zu verhelfen. Bei mittelgradigen bis schweren Verläufen ist meist eine Kombination aus Chirurgie und antientzündlicher Therapie notwendig. Zuerst brauchen wir also eine Bestandsaufnahme, ob das Gewebe des Patienten zerstört ist oder „nur“ eine Entzündung vorliegt und eine alleinige medikamentöse Therapie ausreichend ist. Dann fängt ein ganz individueller Therapieprozess an. In schweren Fällen müssen wir über einen Zeitraum von 1–2 Jahren planen – mit mehreren OPs und begleitender Systemtherapie. Je ausgedehnter die Resektionsfläche, umso aufwendiger auch die anschließende Wundversorgung. Das alles muss mit jedem Patienten genau besprochen und gemeinsam entschieden werden. Es gibt auch immer mehr Patienten, die Symptomlinderung wollen, aber keine OP – das muss man respektieren.

Wie sieht die medikamentöse Behandlung aus?

Bis Adalimumab 2015 für die HS zugelassen wurde, hatten wir lange Zeit kaum Therapieoptionen. Allerdings sprechen auf den TNF-α-Blocker nur etwa 50 % der Patienten an. Alle anderen Therapien ­waren bisher nicht in-label und eher Behandlungsversuche in der Not. Deshalb ist es ein kleiner Lichtblick, dass wir jetzt mit Secukinumab endlich ein zweites für die HS zugelassenes Biologikum haben.

Was verspricht Secukinumab bei HS?

Nach all den Molekülen, die wir in den letzten Jahren in Studien geprüft und wegen fehlender Effektivität quasi „beerdigt“ haben, hat der Anti-IL-17-Inhibitor Secukinumab in zwei großen randomisierten Studien, SUNSHINE und SUNRISE, eine Effektivität ähnlich der von Adalimumab gezeigt. Damit haben wir nun endlich eine zweite Therapieoption, was besonders für die Non-Responder auf Adalimumab sehr wertvoll ist.

Wie sieht das Langzeitansprechen der systemischen Therapien aus?

Die 1-Jahres-Daten der Zulassungsstudien von Secukinumab zeigen uns, dass die Wirkung lang anhaltend, wenn nicht sogar tendenziell ansteigend ist. Solche Daten liegen uns zu Adalimumab nicht vor, für das über die Zeit zudem ein Wirkverlust durch Antikörperbildung angenommen wird. Da die HS eine chronische Erkrankung ist und 1 Jahr Therapie häufig nicht ausreichen wird, sind wir gespannt auf die weiteren Langzeitdaten der open-label-extension von SUNSHINE und SUNRISE in den nächsten Jahren.  

Wie ist die Verträglichkeit von Secukinumab?

Das Safety-Profil in den Studien war gut und so, wie wir es aus der Psoriasis-Behandlung kennen – unabhängig davon, ob man Secukinumab alle 2 oder alle 4 Wochen gegeben hatte. Bei den IL-17A-Antikörpern gibt es nur zwei relevante Nebenwirkungen: einmal die orale Candida-Besiedelung, die sich aber gut kontrollieren lässt, und zum anderen die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, deren Vorliegen eine Kontraindikation für die Therapie darstellt.

Wie lange therapieren Sie Ihre HS-Patienten? Machen Sie Auslassversuche?

Bei ausgedehnt Operierten, die in den großen Körperfalten nicht mehr viel behaarte Haut haben, kann ein Auslassversuch durchaus gut gehen. Ebenso bei Patienten, die irgendwann gar keine Entzündungen mehr zeigen. Aber oft ist die Entzündung unter der systemischen Therapie nur kontrolliert, jedoch nicht weg. In diesem Fall würde man weitertherapieren – was viele Patienten auch wünschen. Bei ganz milden Formen haben wir auch schon gute Erfahrungen mit der Gabe von hoch dosiertem Zink gemacht.

Wir werden sehen, was die Zukunft an weiteren ­Therapieoptionen bringen wird – hoffentlich.

Bildnachweis: privat

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