Die Impfraten bei der Grippeimpfung müssen dringend erhöht werden. Gerade jetzt, wo Fachleute einen Rebound-Effekt erwarten, nachdem die letzte Grippewelle wegen der COVID-19-Schutzmaßnahmen ausgeblieben ist. Gegen COVID-19 und Influenza darf man jetzt auch simultan impfen.
Infolge der Pandemie-Maßnahmen blieb die Grippewelle im letzten Winter aus. Jetzt fürchten Experten, dass die Influenza nach Wegfall der Einschränkungen und mit Wiederaufnahme des internationalen Reiseverkehrs umso heftiger zurückkehrt. Wir sind empfänglicher geworden, weil sich unser Immunsystem längere Zeit nicht mit dem Virus auseinandersetzen musste. Viel zu impfen, erscheint damit wichtiger denn je.
„Die Influenza wird wieder kommen“, ist Prof. Dr. med. Thomas Weinke (Potsdam) überzeugt. „Wir wissen nur nicht exakt, wann.“ Bei RSV(Respiratory Syncytial Virus)-Infektionen, die ebenfalls weitgehend verschwunden waren, ist der Rebound-Effekt schon Realität: „Aktuell gehen diese Zahlen praktisch durch die Decke.“
Bei den Durchimpfungsraten hat Deutschland Aufholbedarf. So waren vor der Pandemie weniger als 40% der Menschen in den Zielgruppen geimpft. Besonders schlecht sah es im Süden der Republik aus: Wie Prof. Dr. med. Tino Schwarz (Würzburg) berichtete, lagen die Impfquoten bei über 60-Jährigen 2019/2020 in Baden-Württemberg bei gerade einmal 23,9% und in Bayern bei 28,4% [1]. In Sachsen-Anhalt waren es immerhin 62%.
Mit Aufklärung, niederschwelligen Impfangeboten und Einbindung verschiedener Facharztgruppen, wie auch schon bei COVID-19, möchten die Impfexperten die Impfquote verbessern. Weinke: „Jeder Arzt darf impfen.“
Außerdem plädierten sie für individuelle Impfstrategien. So profitieren ältere Menschen von Hochdosis- oder von adjuvantierten Impfstoffen, die eine länger persistierende, breitere Immunantwort mit höheren Antikörperspiegeln generieren. Im Gegensatz zu Ei-basierten Vakzinen unterliegt ein auf Säugetierzellen gezüchteter Zellkultur-basierter Grippeimpfstoff keiner Ei-Adaptation. Daher ist, wie auch in Vergleichsuntersuchungen [2] nachgewiesen werden konnte, eine bessere Übereinstimmung der extrahierten Antigene mit denen des jeweiligen Wildtyp-Virus zu erwarten. „Wir müssen die Impfstoff-Vielfalt nutzen, in der vollen Bandbreite“, betonte Dr. med. Markus Frühwein (München). Er bestellt von vornherein verschiedene Vakzine. Dabei setzt er auch auf digitales Impfmanagement mit Online-Buchungssystem und digitalem Impfpass. „Mein System sagt mir, welcher Patient, was braucht.“
Inzwischen ist auch die Simultanimpfung gegen COVID-19 und Influenza möglich, zwei Wochen Abstand sind nicht mehr nötig. Eine britische Studie mit 679 Patienten ergab bei gleichzeitiger versus sequenzieller Administration eines adjuvantierten oder zellbasierten Grippeimpfstoffs mit einer mRNA- oder Vektor-basierten COVID-19-Vakzine keine signifikanten Unterschiede, weder bei Nebenwirkungen noch bei der Immunogenität [1].
[1] Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin Nr. 4, 2020
[2] Rajaram S et al., Open Forum Infect Dis 2018; 5(Suppl 1): S69
Online-Fachpresseveranstaltung „Grippeimpfstoffe im Wandel – Die Bedeutung von differenziertem Influenza-Schutz“ (Veranstalter: Seqirus GmbH), 15.10.2021