Die Grundpfeiler einer modernen CED-Therapie bestehen aus einer Supportivtherapie (z. B. Substitution von Vitamin D, Vitamin B12 und/oder Eisen, Auffrischung von Impfungen nach RKI-Empfehlungen), einer medikamentös-antientzündlichen sowie im Einzelfall einer operativen Therapie.
Im Schub steht die Remissionsinduktion an erster Stelle und wird gefolgt von einer Remissionserhaltung. Es hat sich gezeigt, dass eine Schubtherapie unter Einsatz von Corticosteroiden oder Biologika (selten) in den meisten Fällen wirksam ist. Neben Aminosalicylaten, die vor allem bei der Colitis ulcerosa (CU) eingesetzt werden, stehen somit drei Wirkstoffgruppen zur Verfügung: die systemischen und topischen Steroide, die klassischen Immunsuppressiva und die zielgerichteten neuen Immuntherapeutika, die sich aus Biologika (Antikörper) und kleinen Molekülen („small molecules“) wie z. B. Tofacitinib zusammensetzen. Als klassische Immunsuppressiva sind momentan in Deutschland Azathioprin (6-Mercaptopurin auch in den USA und Kanada) und Methotrexat (MTX; nur für Morbus Crohn, MC) zugelassen. Bei den Biologika stehen zur Verfügung: die anti-TNF-α-Antikörper Infliximab (inkl. Biosimilar), Adalimumab (inkl. Biosimilar) sowie Golimumab (nur für die CU), der anti-Integrin-Antikörper Vedolizumab (Adhäsionsblockade) und der anti-IL12/IL23-Antikörper Ustekinumab (bisher nur für den MC zugelassen, mutmaßlich ab Herbst 2019 auch für die CU).
Bezogen auf den Einsatz von Medikamenten gilt der Leitsatz: So wenig wie möglich, so günstig wie möglich, aber auch so lange und teuer wie nötig. Kurz- und langfristige Nebenwirkungen sollten gering bzw. selten oder gar nicht vorhanden sein. Realistisch ist eine Therapie mit akzeptabler Effektivität bei leichten oder zumindest seltenen Nebenwirkungen. In der täglichen Praxis ist nach der Diagnosestellung zunächst eine Risikostratifizierung hochrelevant, um festzulegen, nach welcher Therapiestrategie weiter vorgegangen wird. Zielsetzung ist eine tiefe Remission, die durch eine klinische Remission plus Mukosaheilung definiert ist. Prädiktive Faktoren für einen komplikationsreichen Verlauf wurden vielfach in retrospektiven Betrachtungen oder Kohortenstudien identifiziert. Daraus kann eine Risikostratifizierung abgeleitet werden, die zu einer Step-up-, beschleunigten Step-up- oder Top-down-Strategie führt. Damit ist gemeint, dass bei einer Top-down-Therapie bereits initial eine Biologikatherapie erfolgt, wohingegen eine Step-up-Therapie diese erst vorsieht, wenn einfachere und auch preiswertere Therapien nicht ausreichend wirksam waren. In Tabelle 1 wird für den MC und Tabelle 2 für die CU dargestellt, wie anhand von verschiedenen Risikofaktoren für einen komplikationsreichen Verlauf eine Einteilung in niedriges, intermediäres und hohes Risiko erfolgen kann. Aus einer solchen Risikostratifizierung wird klar, dass Top down nur wenigen Patienten vorbehalten ist, während meistens primär mit einer Step-up- oder beschleunigten Step-up-Strategie (letzteres mit bereits primär verabreichtem klassischem Immunsuppressivum) verfahren werden kann. Prospektive Evaluationen einer solchen Risikostratifizierung sind wünschenswert. Aktuell kann eine solche Risikostratifizierung die Basis für eine Therapieentscheidung im Sinne einer Personalisierung der klinischen CED-Therapie darstellen. Die Bestimmung von Calprotectin im Stuhl, Anamnese (z. B. Harvey-Bradshaw-Index bei MC) sowie die Darmsonografie wird aktuell als Konsens für ein enges Follow-up angesehen, das anfangs zumindest alle drei Monate, bei tiefer Remission alle sechs Monate erfolgen sollte.
Spätestens seit der SONIC-Studie ist nachgewiesen, dass eine Kombinationstherapie aus Immunmodulator und anti-TNF-α-Antikörper zumindest bei Morbus Crohn eine höhere Effektivität hat als die Einzelsubstanzen. Wirtschaftliche Faktoren, aber vor allem auch Sicherheitsbedenken sprechen allerdings gegen eine Kombination für alle CED-Patienten.Langzeitkomplikationen bei Biologika und Kombinationstherapien mit Immunmodulatoren, insbesondere Malignome, sind für die häufig jungen Patienten ein relevantes Risiko. Auch wenn sich das Sicherheitsprofil von neueren Biologika wie Vedolizumab und Ustekinumab aktuell günstig darstellt, liegen bisher kaum Langzeitdaten über diese vor. So hielt man lange Zeit das Lymphomrisiko unter anti-TNF-α-Antikörper-Therapie für nicht erhöht. Eine sehr große französische Studie, die auf Krankenkassen-Daten basiert, konnte kürzlich zeigen, dass dieses Risiko doch erhöht ist, in der Kombination mit Azathioprin sogar um den Faktor 6,1. Ähnliches gilt vermutlich für das (nicht-melanotische und teils melanotische) Hautkrebsrisiko. Zudem kann insbesondere bei jungen Männern (
Mit der oben beschriebenen dreistufigen Risikostratifizierung aufgrund einfacher klinischer Kriterien und unabhängig von komplexen molekularen diagnostischen Verfahren lässt sich somit eine Strategie im Sinne eines tailored approach darstellen.Die Auswahl des Biologikums ist bei der Top-down-Strategie bereits initial zu treffen. Das Ziel ist die schnellstmögliche effektive Remissionsinduktion und -erhaltung. Es besteht die Möglichkeit, primär Infliximab und Azathioprin zu kombinieren oder eine Infliximab-Monotherapie durchzuführen. Wird eine Monotherapie durchgeführt, sollte nach sechs Wochen eine Messung des Infliximab- und anti-Infliximab-Antikörper-Spiegels (s. u.) erfolgen. Als Alternative stehen Adalimumab oder ggf. Ustekinumab (bisher nur bei MC zugelassen) mit oder ohne Immunmodulator zur Verfügung. Für diese Alternativtherapien sollten jedoch gute Argumente vorliegen, da die Effektivität einer Kombination nicht eindeutig belegt ist. Spätestens bei Nicht-Ansprechen oder Therapieversagen ist eine Medikamentenspiegelmessung (s. u.) indiziert.Komplexer ist die Situation bei mittlerem Risiko und beschleunigtem Step-up-Konzept. Die Remissionsinduktion erfolgt im Regelfall sowohl bei MC als auch CU mit systemischen Steroiden kombiniert mit Azathioprin. Dies stellt den Hauptunterschied zum konventionellen Step-up-Konzept dar, das primär keine Gabe von Azathioprin vorsieht. Kommt es zu einem steroidrefraktären oder -abhängigen Verlauf, wird auf einen anti-TNF-α-Antikörper, Ustekinumab oder Vedolizumab gewechselt.Bezüglich der Entscheidung zwischen Azathioprin und Biologika spielt die persönliche Präferenz, z. B. Bedenken bezüglich der geringeren Langzeiterfahrungen bei manchen Biologika oder auf der anderen Seite der Wunsch nach Steroidverzicht, eine Rolle; dies ist als Bridging meist beim Einsatz von Azathioprin oder auch Vedolizumab erforderlich. Zudem kann die Applikationsform ausschlaggebend sein (intravenös versus subkutan). Ein weiteres mögliches Argument ist das Sicherheitsprofil. Während für Infliximab und Azathioprin zwar langjährige Erfahrungen vorliegen, scheinen Ustekinumab und Vedolizumab trotz der geringeren Erfahrungen nach aktuellem Stand ein günstigeres Sicherheitsprofil aufzuweisen. Unabhängig von der initialen Schubtherapie sollte zumindest bei mittlerem oder hohem Risiko sowie bei den meisten operierten MC-Patienten eine frühzeitige remissionserhaltende Therapie begonnen werden. Auch hier sind die eben genannten Optionen Azathioprin, anti-TNF-α-Antikörper sowie Vedolizumab und Ustekinumab (MC) möglich. Da direkte Vergleiche zwischen den Therapeutika rar sind, ist dies wieder eine individuelle Entscheidung. Wegen der besseren Datenlage ist in der postoperativen Situation Mesalazin, Azathioprin oder ein anti-TNF-α-Antikörper vorzuziehen.Bei niedrigem Risiko und Step-up ist das Konzept grundsätzlich klar: stufenweise Eskalation von topischen Steroiden/5-ASA (CU) auf systemische Steroide, Immunmodulation mit Thiopurinen (alternativ bei MC Methotrexat) und schließlich Biologika-(Kombinations)therapie. Die Auswahl des Biologikums läuft analog zur beschriebenen beschleunigten Step-up-Strategie.
Problematisch in der Biologikatherapie sind variable Ansprechraten sowie sekundäres Therapieversagen. Nicht nur für anti-TNF-α-Antikörper-Therapien, sondern auch für Vedolizumab und Ustekinumab konnte in verschiedenen Publikationen gezeigt werden, dass höhere Biologikatalspiegel prognostisch günstig sind. Antidrug Antibodies (blockierende Antikörper), deren Auftreten häufig mit einem erniedrigten Talspiegel und somit ungünstigerer Prognose assoziiert ist, sowie die Konzentration der Biologika können im Rahmen von Therapeutic Drug Monitoring (TDM) zur personalisierten Dosis- und Therapieentscheidung herangezogen werden. Untersuchungen, ob TDM das Outcome verbessert, gibt es insbesondere für Infliximab.
Seitdem für Hochrisikopatienten Top down ein Therapieansatz ist und Kombinationstherapien teils sogar als Standardtherapie deklariert werden, stellt sich zunehmend die Frage, wann bei welchen Patienten eine Deeskalation stattfinden kann. Ein weiteres Argument für die Etablierung einer Exit-Strategie ist die Beobachtung, dass auch durch das vorübergehende Pausieren einer Medikation die Langzeitnebenwirkungen, z. B. in der Tumortherapie, reduziert werden. So ist die spontane Remission von bereits aufgetretenen Immunsuppressions-assoziierten Malignomen bei Pausierung der Medikation beschrieben.
In einem 2018 veröffentlichten Konsensuspapier veröffentlichte die ECCO Grundsätze in der Therapiedeeskalation und -beendigung: Vor jeder Therapiedeeskalation sollte eine Reevaluation der Krankheitsaktivität durch Kombination von klinischer, biochemischer, endoskopisch/histologischer und/oder radiologischer Diagnostik erfolgen. Darüber hinaus sei an dieser Stelle wieder betont, dass die Entscheidung individuell mit dem Patienten im Sinne einer „shared decision“ zu treffen ist. Außerdem sollte sich die weitere Therapie nach Deeskalation nicht ausschließlich an klinischen Symptomen, sondern auch an früheren Krankheitskomplikationen orientieren.
Bei der Kombinationstherapie aus anti-TNF-α-Antikörper und Azathioprin steht der Azathioprin-Exit im Vordergrund. Hierbei unterscheiden sich MC und CU. Bei MC folgt nach einem Kombinationstherapiezeitraum von sechs Monaten und klinischer Remission kein weiterer Benefit bzgl. Rezidivraten aus der Fortsetzung. Da jedoch die Kombination im Vergleich zur Infliximab-Monotherapie erhöhte Infliximab-Talspiegel und geringere CRP-Spiegel zeigte, ist es nach dem aktuellen Wissensstand auch vertretbar, die Kombination bis zur kompletten klinischen und endoskopischen Remission über diesen Zeitraum fortzuführen. Darüber hinaus ist bei Patienten mit drohenden fatalen Folgen eines erneuten Schubes (wie ausgedehnten Operationen) auch eine dauerhafte Kombinationstherapie zu erwägen. In einer kleineren Studie konnte gezeigt werden, dass der Effekt der erhöhten Infliximab-Talspiegel durch Azathioprin auch mit halber Azathioprin-Dosis in der Kombinationstherapie erhalten bleibt und es nicht zu einer erhöhten Schubrate kommt. Größere Studien sind diesbezüglich wünschenswert, idealerweise mit Beurteilung der Langzeitverträglichkeit. Für CU ist die Datenbasis dünner, einige Studien fanden nach Azathioprin-Exit eine signifikant kürzere Dauer bis zu einem erneuten Schub, somit ist hier die Indikation zur Deeskalation zurückhaltender zu stellen.
In einer Metaanalyse wurde sowohl für MC als auch für CU ein deutlich erhöhtes Schubrisiko nach anti-TNF-α-Antikörper-Exit bei Monotherapie beschrieben. Selektiert man die in der Metaanalyse eingeschlossenen Studien jedoch in zwei Gruppen – klinische vs. endoskopische Remission als Voraussetzung für ein Exit –, zeigt sich ein Unterschied in den 1-Jahres-Schubraten von 42 % bzw. 26 % bei MC. Ähnliches ist in selbiger Metaanalyse für CU gezeigt. Dies untermauert die Empfehlung der ECCO, den Exit nur bei Patienten mit andauernder klinischer, biologischer und endoskopischer Remission zu erwägen.
Vedolizumab/Ustekinumab-Exit
Zu den Biologika Vedolizumab und Ustekinumab gibt es noch keine Daten, ob und wann ein Therapie-Exit sinnvoll ist. Im Falle einer tiefen Remission und einer niedrigen Risikokonstellation (siehe Risikostratifizierung) kann in Analogie zur Therapie mit Anti-TNF-α-Antikörpern ein Auslassversuch nach frühestens zwei Jahren erfolgen.
Die Autorin
Dr. med. Katrin Hirschmann
Oberärztin
Medizinische Klinik 1
St. Marienkrankenhaus Ludwigshafen
Der Autor
Dr. med. Thomas Schaldecker
Assistenzarzt
Medizinische Klinik 1
St. Marienkrankenhaus
Ludwigshafen
Der Autor
Prof. Dr. med. Jörg C. Hoffmann
Chefarzt
Medizinische Klinik 1
St. Marienkrankenhaus
Ludwigshafen
Literatur bei den Autoren