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Dermatologie

Immuncheckpoint-Inhibitoren

Nebenwirkungsmanagement bei ICI – ein Fall für die Dermatologie?

Dr. med. Rafaela Kramer

6.11.2023

Keine dermatoonkologische Therapie hat das Leben der Patienten so revolutioniert wie die Immuntherapie mit den Immuncheckpoint-Inhibitoren, allen voran den Anti-CTLA-4- und Anti-PD-1-Inhibitoren. Doch nicht umsonst behauptete der Pharmakologe Kuschinsky: „Keine Wirkung ohne Nebenwirkung.“

Der Wirkmechanismus der Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) besteht vereinfacht beschrieben darin, die zellvermittelte Inaktivierung der T-Lymphozyten aufzuheben. Dadurch wird „die Bremse gelöst“, und Tumorzellen werden wieder erkannt und angegriffen. Gleichzeitig kann es durch die überschießende Immunreaktion zu einer Diversität an autoinflammatorischen und autoimmunen Erkrankungen kommen. So kann jedes Organ von einer Nebenwirkung betroffen sein. International nennt man derartige Reaktionen „immune related adverse events“ (irAE). Um eine einheitliche Bezeichnung für irAE zu beschreiben, hat sich das Präfix „ir-“ vor dem jeweiligen Krankheitsbild etabliert (z. B. irColitis, irHepatitis etc.). Die Schweregradeinteilung erfolgt nach den Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE). Grad 1 beschreibt eine milde Nebenwirkung, Grad 5 den letalen Verlauf.

Insgesamt liegt die irAE-Inzidenz unter kombinierter Immuntherapie mit Anti-CTLA-4- und Anti-PD-1-Inhibitoren im Vergleich zur Anti-PD-1-Monotherapie höher (96 % vs. 86–87 %; alle Schweregrade). Bei 59 % vs. 23–28 % davon handelt es sich um schwere Nebenwirkungen (CTCAE ≥ Grad 3) [1,2].

Welche Nebenwirkungen treten auf?

Die häufigsten irAE spiegeln sich mit 46–62 % am größten menschlichen Organ wider: der Haut [2,3]. Die Reaktionen können von isoliertem Pruritus bis hin zu Exanthemen mit diversen Phänotypen (makulös, makulopapulös, papulös, urtikariell oder sogar akneiform) reichen. Die zweithäufigsten irAE betreffen den gastrointestinalen Trakt, meist als irColitis (22–48 %) oder irHepatitis (7–33 %) [1-3]. Eine seltene gastrointestinale Nebenwirkung, die das Leben von Klinikern erschwert hat, ist die irPankreatitis oder dem gegenübergestellt die asymptomatische Lipasämie. Man konnte darstellen, dass bei ca. 70 % der im Labor nachweisbaren Lipase-Erhöhungen kein entzündliches Korrelat im Pankreas zu sehen ist [4]. Hier besteht ein therapeutisches Dilemma, da ein Absetzen der Immuntherapie im Falle einer akuten Entzündung indiziert wäre. Andererseits würde man bei einer asymptomatischen Lipasämie die Therapie fortführen. Aus diesem Grund benötigt man für die Diagnose der irPankreatitis nicht nur die etwaige Laborwertkonstellation, sondern auch die typische Symptomatik mit bildmorphologischer Korrelation.

Nebenwirkungen, die mit langfristigen Folgen vergesellschaftet sein können, sind vor allem die endokrinologischen (irThyreoiditis, irHypophysitis, irAdrenalitis) sowie die rheumatologischen irAE. Erstere ziehen meist eine lebenslange Substitutionstherapie nach sich [5]. Bei Zweiteren ist eine Therapierefraktärität auch über mehrere Jahre keine Seltenheit [6].

Zu den erwähnenswerten seltenen irAE zählen neurologische (z. B. irMyositiden, irMyasthenien, irEnzephalitiden), kardiologische (v. a. irMyokarditiden), hämatologische und nephrologische (v. a. irNephritis). Wie oben beschrieben kann potenziell jedes Organsystem betroffen sein, die Breite ist enorm und es kommen noch immer neue irAE dazu. Die schiere Menge an möglichen Nebenwirkungen lässt die Schwierigkeit der Patientenaufklärung erahnen. Denn wie will man eine Therapie empfehlen und zugleich sagen müssen: „Ich weiß nicht, welche Nebenwirkung Sie bekommen, aber ich kann Ihnen fast garantieren: Mindestens eine bekommen Sie!“

Therapiemanagement

Die Akuttherapie fast aller irAE basiert auf der Gabe von Glukokortikosteroiden. Bei den endokrinologischen irAE hat sich jedoch bisher kein Benefit durch die Steroidtherapie gezeigt, weswegen sich hier eine beobachtende und i. d. R. substituierende Therapie etabliert hat. Bei Steroidrefraktärität kommen intravenöse Immunglobuline (v. a. bei neurologischen irAE), Mycophenolat-Mofetil (v. a. bei Hepatitis), Anti-TNF-alpha-Inhibitoren (v. a. bei gastroenterologischen und rheumatologischen irAE) und IL-6-Rezeptor-­Inhibitoren als Zweitlinientherapie in Betracht.

Um zurück zur Fragestellung zu gelangen: Ist Nebenwirkungsmanagement im Zuge von onkologischen Immuntherapien ein Fall für die Dermatologie? Die Antwort ist: Jein. Die ersten ICI-Studien erfolgten mit Melanompatienten. So war die Dermatologie die erste Disziplin, die klinische Erfahrungen mit diesen neuen Therapien, deren Wirkungen und Nebenwirkungen sammeln konnte und ein Nebenwirkungsmanagement etablierte. Allerdings ist bei komplexen und/oder seltenen irAE sowie bei Risikopatienten eine interdisziplinäre oder multizentrische Zusammenarbeit essenziell. Eine internationale irAE-Sammlung ermöglicht den interzentrischen Informationsaustausch, wie es aktuell über das Register SERIO (Side Effect Registry Immuno-Oncology) umgesetzt wird [7]. Als weitere Instanz kann innerklinisch mit interdisziplinären Nebenwirkungsboards gearbeitet werden, wie es aktuell in München (LMU) und Erlangen (FAU) der Fall ist. Diese setzen sich aus Ansprechpartnern verschiedener Disziplinen zusammen (in Erlangen z. B. Vertreter aus Dermatologie, Rheumatologie, Neurologie, Hämatoonkologie, Kardiologie, Endokrinologie, Gastroenterologie), um monatlich Fälle wie in einer Tumorkonferenz zu diskutieren und Empfehlungen auszusprechen. Das Immunotoxboard hat bereits zu einem geordneten Nebenwirkungsmanagement geführt und liefert Möglichkeiten für eine zukünftige Standardisierung.

Fazit

Ein Großteil der mit Immuncheckpoint-Inhibitoren Behandelten weist mindestens eine ICI-bezogene Nebenwirkung (irAE) auf. Da diese nahezu jedes Organsystem betreffen können, empfiehlt sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit und der interzentrische Austausch über das SERIO-Register.

Die Autorin

Dr. med. Rafaela Kramer
Hautklinik Universitäts­klinikum Erlangen
91054 Erlangen

rafaela.kramer@uk-erlangen.de

1 Hodi FS et al., Lancet Oncol 2018; 19: 1480–92
2 Heinzerling L et al., Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 119–26
3 Postow MA, Sidlow R, Hellmann MD, N Engl J Med 2018; 378: 158–68
4 Michot JM et al., J Immunother 2018; 41: 84–5
5 Profili NI et al., J Clin Med 2023; 12: 5161
6 Barron CC et al., J Immunother Cancer 2023; 11: e006500
7 SERIO [Internet], München: LMU; c2023, Stand: 21.08.2023, verfügbar unter: https://serio-registry.org

Bildnachweis: privat

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