Eine Schilddrüsenunterfunktion wirkt sich auf diverse Hirnfunktionen aus. Die Folgen reichen von Antriebslosigkeit über depressive Verstimmungen bis hin zur Demenz. Solche Symptome können einerseits auf eine Hypothyreose hinweisen, andererseits sollten sie bei der Therapie berücksichtigt werden.
Häufigste Ursache einer Hypothyreose ist eine verminderte Produktion von Schilddrüsenhormonen durch eine chronische Hashimoto-Thyreoiditis. Weitere Ursachen sind u. a. ein insuffizienter Hormonersatz nach einer Schilddrüsenoperation oder Radiojodtherapie, selten ein schwerer Jodmangel, angeborene Aplasien, zentrale Regulationsstörungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten (z. B. Lithium).
Schilddrüsenhormone regulieren über verschiedene Mechanismen den zellulären Energiestoffwechsel vieler Organe. Am Gehirn kommt es zudem zu Interaktionen mit anderen Neurotransmittersystemen (z. B. Serotonin). Auch das im Hypothalamus gebildete und für die Schilddrüsenregulation wichtige Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH) moduliert in verschiedenen Hirnregionen die neuronale Aktivität.
Eine Hypothyreose führt zur Verlangsamung und Drosselung diverser Hirnfunktionen. Besonders fatale Folgen hat eine Hypothyreose auf die embryonale und frühkindliche Hirnreifung, sodass es zu schwerwiegenden und irreversiblen Schäden kommen kann (z. B. Kretinismus). Am adulten Gehirn kann eine Hypothyreose zu verschiedenen psychischen und kognitiven Symptomen in unterschiedlicher Ausprägung führen. Typisch sind:
• Müdigkeit, vermehrtes Schlafbedürfnis
• Abgeschlagenheit, Antriebsminderung
• depressive Stimmung
• Beeinträchtigung kognitiver Fähigkeiten, Demenz
Bei etwa 50–90 % der Hypothyreosepatienten können kognitive Funktionseinschränkungen wie Aufmerksamkeits-, Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen, verlangsamte Gedankengänge, Initiativlosigkeit, Stumpfheit oder Lethargie festgestellt werden. Zudem treten bei etwa 40–50 % depressive Zustände in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Die ätiologische Abgrenzung zu primär psychiatrisch-neurologischen Krankheitsbildern ist mitunter schwierig – Komorbiditäten kommen vor. Bislang ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, ob eine Hypothyreose tatsächlich ein Risikofaktor für das Auftreten bestimmter psychiatrischer Erkrankungen ist. Verschiedene Studien kamen hier zu teilweise unterschiedlichen Ergebnissen.
Der erste Schritt zur Abklärung einer Hypothyreose ist die Bestimmung des TSH-Wertes im Blut (Thyreoidea-stimulierendes Hormon). Insbesondere der obere Grenzwert ist immer noch Gegenstand von Diskussionen, da trotz moderat erhöhter TSH-Spiegel eine normale Schilddrüsenfunktion ohne Krankheitswert vorliegen kann. In Deutschland wird eine Hypothyreose in der Regel ab einem TSH-Wert von über 4,0 mU/l diagnostiziert. Zur Unterscheidung zwischen latenter oder manifester Form sollte das freie Schilddrüsenhormon fT4 im Blut bestimmt werden. Die oft gebräuchliche zusätzliche T3-Bestimmung ist nicht unbedingt erforderlich. Bei einer latenten Hypothyreose sind die freien Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 (noch) normal, bei einer manifesten Hypothyreose sind fT3 und fT4 erniedrigt. Ist der TSH-Wert erhöht, sollten zur ätiologischen Abklärung der Hypothyreose auch die Schilddrüsen-Autoantikörper (zumindest Thyreoperoxidase-AK) bestimmt werden.
Therapie der Wahl der Hypothyreose ist ein medikamentöser Hormonersatz mit Levothyroxin (T4). Eine Kombinationstherapie aus Levothyroxin und Trijodthyronin erbrachte nach einer Metaanalyse keinen Vorteil und ist aus pharmakologischen Gründen schwerer zu steuern. Bei unzureichender subjektiver Wirkung einer reinen Thyroxingabe kann eine Kombinationstherapie in der Hand eines erfahrenen Therapeuten im Einzelfall versucht werden. Eine solche Kombinationstherapie kann sogar bei einer normalen Schilddrüsenfunktion als Augmentationstherapie bei einer therapierefraktären Depression hilfreich sein. Unter einer guten medikamentösen Einstellung klingen Hypothyreose bedingte psychische Symptome meist innerhalb von vier bis acht Wochen ab. Während die Indikation zur Thyroxintherapie bei der manifesten Hypothyreose in der Regel gegeben ist, wird die Indikation bei der latenten Hypothyreose mitunter kontrovers diskutiert. Dabei ist zu beachten, dass der TSH-Wert im Laufe des Lebens ansteigt und bei asymptomatischen älteren Menschen ein TSH-Wert bis 10 mU/l toleriert werden kann. Zeigen Patienten allerdings mögliche psychische Symptome einer Hypothyreose, so gibt es genügend Argumente für einen Therapieversuch mit Thyroxin, denn es gibt eine Reihe von Mitteilungen, dass es bei Patienten mit Depressionen sowie bipolaren oder manisch-depressiven Störungen durch eine additive Thyroxingabe auch schon bei einer latenten Hypothyreose zu einer Besserung der psychischen Symptome kommen kann.
Insbesondere bei älteren Patienten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen sollte die Thyroxinaufsättigung nicht schlagartig, sondern allmählich erfolgen (z. B. Beginn mit 25–50 µg Thyroxin täglich, schrittweise Dosissteigerung um 25–50 µg Thyroxin alle zwei bis vier Wochen). Vier bis sechs Wochen nach einer Ersteinstellung oder Dosisänderung des Thyroxins sollte eine Kontrolle des TSH-Wertes erfolgen. Dieser sollte auf Dauer im Normbereich liegen, wobei bei älteren Patienten auch hochnormale Werte akzeptiert werden können.
Bei Patienten mit psychischen oder kognitiven Auffälligkeiten ist ein TSH-Screening empfehlenswert. Liegt eine Hypothyreose vor, sollte die Ursache der Unterfunktion abgeklärt werden. Weisen Patienten schon bei latenter Hypothyreose psychische Störungen auf, lassen sich diese Studien zufolge durch den medikamentösen Hormonersatz mit L-Thyroxin häufig bessern.
Der Autor
Prof. Dr. med. Hans Udo Zieren
Facharzt für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgie
Ärztlicher Direktor Deutsches Schilddrüsenzentrum
50933 Köln
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