Die Anzahl der immungeschwächten Patienten in den Krankenhäusern nimmt zu.1 Das liegt vor allem an den Fortschritten in der Therapie von Krebspatienten. Die Langzeitüberlebenden mit medikamentös bedingter Immunsuppression sind besonders infektionsgefährdet und benötigen mehr Aufmerksamkeit bei der Hygiene.
Viele Infektionen bei hochgradig immunsupprimierten Patienten sind endogenen Ursprungs und somit nur bedingt vermeidbar. Bei den vermeidbaren Faktoren gilt: Die größte Gefahr für den Patienten geht vom medizinischen Personal aus. „Die Hände des medizinischen Personals sind nicht nur ein häufiges Übertragungsvehikel indirekter Kontaktübertragungen, sondern allgemein das häufigste Übertragungsvehikel nosokomialer Infektionen.“[2] Vor allem im Fokus sind dabei Pneumokokken, Staphylokokken, Streptococcus pyogenes, bakterielle Erreger von Durchfallerkrankungen (z.B. Campylobacter, Yersinien, enterohämorrhagische E. coli [EHEC]), Herpesviren (z. B. Herpes-simplex-Virus, Zytomegalievirus, Epstein-Barr-Virus, Humanes Herpesvirus Typ 6) und Virusinfektionen des Magen-Darm-Traktes (v.a. Rotavirus, Norovirus, Astrovirus, bestimmte Adenoviren, Hepatitis A).[3]
Neben dem Kontakt mit Händen, Oberflächen, Instrumenten, Lösungen und Kathetern werden Keime über Tröpfchen (Reichweite beim Husten, Sprechen, Niesen bis zu 1,5 Metern) und Aerosole übertragen. Vor allem Infl uenzaviren, Respiratory-Syncytial(RS)-Virus, Parainfluenza-, Rhino-, Adeno- und Metapneumovirus, aber auch Humanes Parvovirus B19, Masern-, Windpocken- und Mumpsvirus werden so weitergegeben. Patienten mit hochgradig geschwächtem Abwehrsystem sind zudem besonders durch das Einatmen von Pilzsporen gefährdet.[4]
Die Kontakt- und Tröpfchenübertragungswege erfordern im Wesentlichen eine konsequente Umsetzung der Standardhygienemaßnahmen (s. Kasten). Dabei muss sich das Behandlungsteam in Absprache mit dem Hygienefachpersonal auf einheitliche Vorgehensweisen einigen, die für alle (auch für Ärzte, Oberärzte und Chefärzte, Konsiliarärzte, Physiotherapeuten) verbindlich sind und die regelmäßig überprüft und in Schulungen vermittelt werden.[5]
Die Einteilung der Patienten in die einzelnen Risikogruppen und die Zuteilung in ein Einzel- oder Mehrbettzimmer obliegt dem behandelnden Arzt.[6] Für Patienten der Risikogruppe 3 wird ein Einzelzimmer mit entsprechender Raumlufttechnik und eigenem Sanitärbereich vorgeschrieben.
Für den Sanitärbereich und die Wasserversorgung gelten für alle Risikogruppen zusätzlich folgende Empfehlungen:[7] Für Wundspülungen dürfen nur sterile NaCl-/Ringer-Lösung bzw. antiseptische Lösungen verwendet werden. Für Saftzubereitungen von Medikamenten und Inhalationslösungen müssen sterile oder steril filtrierte Flüssigkeiten benutzt werden. Kaffee- und Teeautomaten erhitzen das Wasser möglicherweise nicht ausreichend. Daher sollte Kaffee und Tee stets mit sprudelnd kochendem Wasser aufgegossen werden. Das am besten abgesicherte Verfahren zur Abtötung aller bekannten potenziellen Krankheitserreger (mit Ausnahme von Sporenbildnern) ist die Verwendung von abgekochtem Trinkwasser (mindestens 3 Minuten sprudelnd gekocht) und die Aufbewahrung in thermisch desinfizierten Gefäßen mit Deckel. Alternativ kann die Entnahme aus einer gut kontrollierten Zapfstelle mit endständiger 0,2-µm-Filtration erwogen werden. Der Wechsel des abgekochten oder steril filtrierten Wassers, das zur Mundspülung verwendet wird, sollte einmal pro Schicht erfolgen. Tee ist zur Mundpflege bei Patienten der Risikogruppen 2 und 3 sowie als Getränk in der Risikogruppe 3 nicht geeignet. Mineralwasser, das den Patienten dieser Gruppen angeboten wird, sollte nicht länger als einen Tag gekühlt aufbewahrt werden.
Für die Reinigung und Desinfektion gilt: Für Isolierungsbereiche der Risikogruppen 2 und 3 wird die Verwendung eines sporozid wirkenden Flächendesinfektionsmittels empfohlen. Liegen Patienten der Risikogruppen 2 und 3 in Mehrbettzimmern, sollten die Dusche und der WC-Bereich nach und vor Benutzung desinfiziert werden. In Risikogruppe 3 müssen nach jedem Patientenwechsel Kopfkissen und Bettdecken desinfizierend gereinigt und Matratzen beziehungsweise der Schonbezug desinfiziert werden. Das Reinigungspersonal sollte bezüglich der besonderen Hygienemaßnahmen in den einzelnen Risikobereichen und deren Umsetzung (Übermantel, Mund-Nasen-Schutz, hygienische Händedesinfektion bzw. Tragen von Bereichskleidung) geschult werden.
Auch die Einweisung der Angehörigen ist ein wichtiges Thema in der Pflege.[8] Besucher müssen nicht nur die Händedesinfektion durchführen, sondern auch Uhren und Schmuck ablegen und sollten möglichst keinen Nagellack oder künstliche Nägel tragen. Lebensmittel dürfen nicht mitgebracht werden. Besucher, vor allem Kinder, sollen über kompletten Impfschutz verfügen. Angehörige mit Zeichen einer akuten Infektion (zum Beispiel Fieber, Diarrhö, Atemwegsinfektion mit Husten und Fließschnupfen, unklares Exanthem, Konjunktivitis) sollten von einem Besuch ausgeschlossen werden. Bei einem leichten Infekt der oberen Luftwege und bei Herpes labialis muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden.
Für Patienten, die von stationärer zu ambulanter Behandlung wechseln, sollte das Behandlungsteam auch für die heimische Hygiene Unterstützung geben. Folgende Empfehlungen gelten: Unter anderem sollten Immungeschwächte Menschenansammlungen aus dem Wege gehen. Lässt sich das nicht verhindern, kann das Tragen eines Mundschutzes das Risiko verringern, Krankheitserreger einzuatmen. Hat ein Angehöriger eine ansteckende Krankheit, sollte der enge Kontakt so weit wie möglich gemieden werden. Eine Möglichkeit, im Vorfeld bereits etwas zu tun, sind Schutzimpfungen, zum Beispiel eine Grippeimpfung. Eine Quelle für Keime können auch Nahrungsmittel sein. Patienten mit einer Neutropenie sollten daher nur gekochte, ultrahocherhitzte oder zumindest pasteurisierte Nahrung zu sich nehmen. Auf ungekochtes Obst, rohes Gemüse und andere Keimträger wie etwa Rohmilchprodukte sollte man als Betroffener ganz verzichten. Vorsicht ist zudem bei pilzhaltigen Lebensmitteln geboten sowie bei Naturheilmitteln, die durch Schimmelpilze kontaminiert sein können. Wegen des Kontakts mit potenziellen Keimen ist auch die Verarbeitung dieser Lebensmittel beim Kochen für Betroffene tabu. Den Kontakt mit Abfällen sollte man meiden. Sie sind eine Quelle für Schimmelpilzsporen. Auch bei Erd- und Gartenarbeiten kann man vermehrt Schimmelpilzsporen ausgesetzt sein. Betroffene sollten daher darauf verzichten. Auch Zimmerpflanzen sollte man nicht umtopfen, ebenso wenig verwelkte Blumen entsorgen. Außerdem sollten während der Immunschwäche keine Bauarbeiten in der Wohnung oder im unmittelbaren Umfeld stattfinden. Um die Wohnung staubarm und damit auch keimarm zu halten, reicht es in der Regel, staubzusaugen und Oberflächen feucht zu wischen. Alte Teppichböden sollten gut gereinigt werden. Keime können sich auch in Kleidung, Handtüchern und Bettwäsche ansammeln. Diese Textilien sollte man daher bei mindestens 60 °C mit einem Vollwaschmittel waschen. Bettwäsche sollte wöchentlich und bei Bedarf auch öfter gewechselt werden, Handtücher je nach Bedarf alle ein bis drei Tage.
Besondere Regeln gelten für den Umgang mit Tieren. Haustiere, die in Kontakt zu immungeschwächten Patienten stehen, sollten tierärztlich überwacht, regelmäßig entwurmt und bei Anzeichen einer Infektion (zum Beispiel Diarrhö, Ornithose) tierärztlich untersucht werden. Haustiere sollten nicht im gleichen Zimmer wie ein immunsupprimierter Patient schlafen. Betroffene sollten auch nicht das Reinigen des Vogelkäfigs, der Hundedecke oder der Katzentoilette übernehmen. Niemals sollten kranke Wildtiere „zur Pflege“ aufgenommen werden. Sorgfältiges Händewaschen und Händedesinfektion nach direktem Tierkontakt sollten selbstverständlich sein.
Um die Lebensqualität und die soziale Integration der Patienten nicht zu gefährden, sind soziale Kontakte mit Freunden und Bekannten in den ambulanten Phasen der Behandlung auch bei Patienten der Risikogruppe 2 möglich und sinnvoll. Die nicht erkrankten Kontaktpersonen sollten analog zur Besucherregelung im stationären Bereich über die Infektionsrisiken informiert sein und sich entsprechend verhalten. Kino- oder Theaterbesuche sind in der Risikogruppe 1 möglich, ab Risikogruppe 2 nicht zu empfehlen. Immunsupprimierte Patienten dürfen während der intensiven Therapie (ab Risikogruppe 2) keine öffentlichen Verkehrsmittel oder öffentliche Schwimmbäder benutzen.
[1] Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI). Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten. Bundesgesundheitsbl 2010. 53: 357–388 DOI 10.1007/s00103-010-1028-9. Online publiziert: 20. März 2010. Springer-Verlag 2010.
[2] Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie. Fachrichtlinien Nr. 9. Hygienemaßnahmen bei der Betreuung von immungeschwächten Patienten (Schutzisolierung). IKM 2018
[3] Martin Exner et al., Hygiene-Tipps für immunsupprimierte Patienten zur Vermeidung übertragbarer Infektionskrankheiten. Hyg Med 2011; 36 – 1/2
[4] ebd.
[5] Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI).
[6] Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie. Fachrichtlinien Nr. 9.
[7] ebd.
[8] www.krebsinformationsdienst.de/aktuelles/2014/news67.php. 2019 Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum
[9] Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie. Fachrichtlinien Nr. 9.
[10] Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI).
[11] Martin Exner et al., Hygiene-Tipps für immunsupprimierte Patienten