In der Kontrazeption haben sich in den vergangenen anderthalb Jahren einige wichtige Neuerungen ergeben – durch zwei innovative Neuzulassungen, einen Rote-Hand-Brief und das allgegenwärtige Thema COVID-19. Die wichtigsten Punkte haben wir hier in einer kurzen Übersicht dargestellt und bewertet.
COVID-19 und KOK-Verordnung
Während der COVID-19-Pandemie stand auch zeitweise die Frage der Kontrazeption im Fokus. Global war eine große Problematik die Zugänglichkeit zu Kontrazeptiva für viele Frauen in Entwicklungsländern. Hier wurden besorgniserregende Zahlen der WHO mit einem Anstieg unerwünschter Schwangerschaften bekannt. In Deutschland stand vor allem die Frage im Raum: „Kann man kombinierte orale Kontrazeptiva bei einer COVID-Infektion weiter verordnen?“ Diese Diskussion entstand insbesondere bezüglich eines erhöhten Thromboserisikos sowohl in Verbindung mit der Erkrankung selbst als auch später mit den Impfungen.
Inzwischen kann festgehalten werden, dass es sogar eher eine Evidenz zur protektiven Rolle von Estradiol bezüglich der Schwere des Verlaufs einer COVID-19-Infektion gibt. Es ist bekannt, dass neben vielen anderen Faktoren Estrogene hier einen günstigen Effekt auf den Verlauf der Erkrankung haben. Estrogene stimulieren die Immunantwort auf eine virale Infektion durch die Induktion von höheren Antikörper-Spiegeln und aktivieren die Zellen, Antikörper zu produzieren. Fallkontroll-Studien belegen, dass das Risiko an einer COVID-19-Infektion zu versterben bei Patientinnen in der Altersgruppe von 35 bis 49 Jahren, die eine orale Kontrazeption anwenden, signifikant reduziert ist.
In einer großen Fallkontroll-Studie mit 250 000 prämenopausalen Frauen und über 50 000 KOK-Anwenderinnen konnte gezeigt werden, dass die Erkrankungswahrscheinlichkeit für eine COVID-19-Infektion reduziert ist (Relatives Risiko = 0,87). Somit kann zumindest geschlussfolgert werden, dass eine Pille hier keinen zusätzlichen Risikofaktor darstellt und möglicherweise sogar eine protektive Rolle spielen könnte.
Die WHO hat sich auch bereits sehr frühzeitig dazu geäußert, dass bei einer nur geringen Symptomatik der COVID-Infektionen die Anwendung von kombinierten oralen Kontrazeptiva fortgesetzt werden kann. Nur bei Patientinnen mit sehr schweren Verläufen, die hospitalisiert werden, ist eine Beendigung der Anwendung von kombinierten oralen Kontrazeptiva empfehlenswert.
Das geringe Risiko von venösen Thrombosen durch Impfungen entsteht über eine andere Pathogenese als die durch KOK bedingten Thromboserisiken. Da es sich bei diesen VTE um immunologisch bedingte Ursachen handelt, gibt es keine Rationale, die Anwendung von COVID-Impfungen bei Pillenanwenderinnen einzuschränken. Auch dies wurde bereits im vergangenen Jahr in verschiedenen internationalen Publikationen klargestellt.
Rote-Hand-Brief zum thromboembolischen Risiko von KOK
Am 30. September 2021 erschien ein neuer Rote-Hand-Brief zum VTE-Risiko von kombinierten oralen Kontrazeptiva, der aber im Wesentlichen keine neuen Informationen enthielt.
Der Hintergrund sind vermutlich aktuelle Reporte der Krankenkassen, die zeigten, dass in der Altersgruppe der Erstanwenderinnen (unter 22 Jahren) immer noch ein hoher Anteil von Präparaten verordnet wird, die kein Ethinylestradiol und Levonorgestrel enthalten. In einem AOK-Report wurde gezeigt, dass nur 48 % der Verordnungen von KOK unter 22 Jahren EE/LNG-Präparate sind.
Im neuen Rote-Hand-Brief werden keine wesentlichen aktuellen Daten gezeigt, sondern es wird lediglich eine Pille mit Ethinylestradiol und Levonorgestrel im Langzyklus mit einem etwas höheren VTE-Risiko assoziiert als Ethinylestradiol/Levonorgestrel zyklisch. Dies ist aufgrund der vorliegenden Daten auch nicht ganz plausibel. In den Empfehlungen fehlen bereits seit Längerem die Daten für die Pille mit Estradiolvalerat und Estradiol, zumal hier inzwischen die von den europäischen Behörden in Auftrag gegebenen Studien vorliegen.
Bereits mit der INAS-SCORE-Studie 2018 konnte gezeigt werden, dass eine KOK mit Estradiolvalerat und Dienogest kein erhöhtes Risiko im Vergleich zu Ethinylestradiol und Levonorgestrel aufweisen, sondern tendenziell eher sogar ein geringes Risiko. Das Gleiche wurde jetzt in 2021 in der PRO-E2-Studie auch für die KOK mit Estradiol und NOMAC bestätigt. Dies fand allerdings nur Eingang in einer kurzen Mitteilung des BfArM im März 2022, wobei die Formulierungen sehr unscharf gehalten werden. Im Text wird wieder nur darauf verwiesen, dass Pillen mit einem niedrigen VTE-Risiko (z. B. Ethinylestradiol/Levonorgestrel) verordnet werden sollten. Warum große Studien, die im Auftrag der Europäischen Arzneimittel-Agentur über mehrere Jahre gelaufen sind, im Rote-Hand-Brief des BfArM keine entsprechende Berücksichtigung finden, bleibt unklar. Entsprechende Daten für die Estradiol-Pillen liegen ja vor. Aber auch die Darstellung des VTE-Risikos von Progesteron-only-Pillen wäre eine wertvolle Ergänzung in einem Rote-Hand-Brief. Dies würde das Verständnis erleichtern und vor allem den Verordnern und Anwenderinnen eine höhere forensische Sicherheit geben.
Drospirenon-Monopille
Seit Mai 2021 ist eine Drospirenon-Monopille in Deutschland verfügbar. Gerade im Segment der Gestagen-Monopillen war der Fokus bisher ausschließlich auf Desogestrel gerichtet, das jedoch in einigen klinischen Situationen nicht geeignet war. Zu nennen sind Patientinnen, die beispielsweise unter Androgenisierungserscheinungen oder an einem prämenstruellen Syndrom leiden bzw. auch häufiger Blutungsstörungen unter Desogestrel-Monopillen hatten.
Insofern ist das Konzept einer Drospirenon-Monopille eine Bereicherung des Spektrums, gerade in diesem doch unterrepräsentierten Segment der oralen Gestagen-Mono-Kontrazeption. Interessant ist das neue Konzept für eine POP einer nicht kontinuierlichen Gabe, sondern eines 24/4-Tage-Schemas. Dies hat den Vorteil, dass die unerwarteten Blutungen, insbesondere am Beginn der Einnahme, signifikant geringer sind als unter einer Desogestrel-Anwendung.
Im klinischen Studienprogramm wurde auch die hohe kontrazeptive Sicherheit trotz der 4-tägigen Pause gezeigt. Es wurde gezielt eine Studie durchgeführt, bei der Pillen weggelassen wurden. Dennoch konnte eine hohe Wirksamkeit nachgewiesen werden, sodass hier inzwischen laut Fachinformation ein 24-Stunden-Einnahmefenster möglich ist. Auch in speziellen Subgruppen, z. B. bei Patientinnen mit Übergewicht, zeigt sich eine hohe kontrazeptive Sicherheit der Methode.
In klinischen Studien wurden des Weiteren eine hohe Akzeptanz bei Adoleszenten, die Sicherheit in der Laktationsperiode und ein leicht positiver Effekt bei einem moderaten Hypertonus gezeigt. Diese Vorteile beruhen im Wesentlichen auf den speziellen Partialwirkungen des Drospirenons (antimineralkortikoid, antiandrogen). Diese Gestagen-Monopille stellt somit eine Bereicherung in der klinischen Praxis dar.
Kombiniertes orales Kontrazeptivum mit Estetrol und Drospirenon
Seit Juli 2021 ist in Deutschland eine KOK mit E4 und Drospirenon verfügbar. Auch das stellt ein neues Konzept dar. Estetrol ist ein bioidentisches Estrogen, das in der fetalen Leber produziert wird und jetzt erstmals in der Kontrazeption seine Anwendung findet. Dieses Estrogen hat aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften einen geringen Effekt auf die Leber und weist dadurch sowohl sehr günstige hämostaseologische Parameter als auch ebenso neutrale Effekte auf Leber-, Lipid- und Kohlenhydratstoffwechsel auf.
Auch die spezielle Metabolisierung von E4, die nicht über das Cytochrom P450 erfolgt, ist interessant, da hier das potenzielle Risiko für Interaktionen mit Medikamenten geringer ist. In Studien konnten Vorteile sowohl gegenüber der Kombination mit Ethinylestradiol und Drospirenon als auch gegenüber der Kombination mit Ethinylestradiol und Levonorgestrel bezüglich verschiedener Surrogatparameter gezeigt werden (Tab.).
Ein stabiles Blutungsprofil ist ein weiterer klinischer Vorteil, wobei die Amenorrhoerate im Vergleich zu Präparaten wie E2/NOMAC geringer ist. Dies kann in der klinischen Praxis durchaus von Vorteil sein, wenn die Patientin regelmäßige stabile Abbruchblutungen wünscht. Die positiven Wirkungen des Drospirenon kommen auch hier zum Tragen, z. B. die antiandrogene Partialwirkung und der günstige Einfluss beim prämenstruellen Syndrom.
Aufgrund der Surrogatparameter ist ein ähnliches, geringeres Risiko bezüglich thromboembolischer Ereignisse zu erwarten, wie dies bei dem Estradiol- und Estradiolvalerat-KOK bereits nachgewiesen wurde. Allerdings bedarf es hierzu dann noch der entsprechenden klinischen Studien, die einen längeren Untersuchungszeitraum benötigen. Die Kombinationspille mit E4 und Drospirenon stellt somit eine wichtige Erweiterung im Segment der Kontrazeption mit E2- und E4-Pillen dar.
In Zukunft wird man sich zunehmend die Frage stellen, in welchen Situationen Ethinylestradiol-Pillen überhaupt noch indiziert und sinnvoll sind. Wir werden hier in den nächsten zehn Jahren mit Sicherheit einen Paradigmenwechsel erleben, hin zu den KOK mit den natürlichen Estrogenen, wie E2 und E4, und auch vermehrt zur Gestagen-Mono-Kontrazeption. In der klinischen Anwendung haben sich die neuen Präparate bereits bewährt.
Hormonspiralen
Im vergangenen Jahr haben die beiden Hormonspiralen (LNG-IUS 52 mg) eine Zulassung zur verlängerten Anwendungsdauer für sechs Jahre im Bereich der Kontrazeption erhalten. Dies wurde durch entsprechende Studien (MET und ACCES) bestätigt. Somit ist man auch im perimenopausalen Bereich, wo die Spiralen ja auch bisher in der klinischen Praxis oft schon als Off-Label-Use länger angewendet wurden, forensisch bezüglich der Kontrazeption auf einer sicheren Seite. Eine weitere Verlängerung der Liegezeit ist zumindest noch für ein bis zwei Jahre bei Fortführung der Studien zu erwarten. Bis dahin stellt die Verlängerung auf sechs Jahre schon eine wichtige Bereicherung in der Praxis dar und kann den Patientinnen somit auch empfohlen werden.
Auf den Wunsch der Patientinnen müssen wir auch in unserer Beratung eingehen. Bei der Wahl einer Verhütungsmethode sollte gemeinsam mit der Patientin überlegt werden, welchen Stellenwert die Sicherheit, die Verlässlichkeit, eine einfache Handhabung und die Kosten einer Methode für die jeweilige Patientin haben.
In der oralen Kontrazeption sind in den vergangenen anderthalb Jahren Innovationen verfügbar gemacht worden, die sich mittlerweile in der klinischen Praxis bewährt haben. Wir sollten dieses erweiterte Spektrum der modernen Kontrazeptiva kennen. Durch die jetzt größere Vielfalt an Methoden sollte es in Zukunft noch leichter für alle Patientinnen sein, ein entsprechendes, sicheres und nebenwirkungsarmes Kontrazeptivum zu finden.
Der Autor
Prof. Dr. med. Thomas Römer
Chefarzt der Frauenklinik in Köln-Weyertal
Herausgeber des Journals DER PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE
Literatur beim Autor
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