Herzrhythmusstörungen (HRS) stellen eine häufige Entität in der klinischen Praxis dar, mit zum Teil schwerwiegenden Folgen für die oft auch jüngeren Patienten. Deshalb ist es entscheidend, im Gespräch mit Patienten auf Warnhinweise zu achten und Symptome richtig zu deuten.
Im Normalzustand ist der im oberen rechten Vorhof lokalisierte Sinusknoten als primäres und vom vegetativen Nervensystem gesteuertes Erregungsbildungszentrum der führende Impulsgeber am Herzen. Die elektrische Erregung läuft im Bereich der Vorhöfe u. a. über internodale Faserbündel zum AV-Knoten, im Bereich der Herzkammern über das spezifische Reizleitungssystem des His-Bündels, der Tawara-Schenkel und des Purkinje-Systems zum ventrikulären Arbeitsmyokard. Der elektrischen Aktivierung folgt die mechanische Kontraktion des Herzmuskels (elektromechanische Kopplung). Ist der elektrische Ablauf gestört, liegt eine HRS vor, welcher parasystolischer (Extrasystolie), bradykarder oder tachykarder Natur sein kann.
HRS treten in vielerlei Formen und Intensitätsgraden auf. Europaweit sind Millionen Menschen davon betroffen. Häufig sind HRS ungefährlich und werden von den Patienten erst gar nicht bemerkt. Tatsächlich ist es so, dass der Herzschlag von fast jedem im Laufe eines Lebens gelegentlich etwas aus dem Takt gerät. Dabei handelt es sich z. B. um Extrasystolen, einzelne elektrische Fehlentladungen, die von anderen Herzmuskelzellen als dem Sinusknoten generiert werden. Es kommt jedoch auch vor, dass Patienten unter schwerwiegenden Symptomen oder potenziell vital bedrohlichen HRS leiden, diese jedoch nicht als solche diagnostiziert werden. Der Grund: HRS treten oft anfallsartig und in zeitlich großen Abständen auf. Geht der Patient zwischenzeitlich zum Arzt, kann dieser dann keinen pathologischen Befund erheben. Das kann mitunter schwere Folgen haben. Beispielsweise dann, wenn es sich um eine potenziell lebensbedrohliche ventrikuläre Tachykardie handeln sollte. Auch Vorhofflimmern – die häufigste anhaltende HRS – kann oftmals als Ursache für einen Schlaganfall gefährlich werden. Vielen HRS ist gemeinsam, dass sie in der Frühphase oft nur sporadisch auftreten, die Anfallsfrequenz dann aber im Verlauf deutlich zunimmt und somit ein erheblicher Leidensdruck entsteht.
Bei den bradykarden HRS handelt es sich meist um eine Reizbildungs- (Sinusarrest) bzw. Reizweiterleitungsstörung (Blockbildung im Sinusknoten, AV-Knoten oder den Tawara-Schenkeln), welche eine länger anhaltende Bradykardie oder aber auch nur kurze Asystolien hervorrufen kann. Neben altersbedingten, degenerativen Veränderungen des Reizleitungssystems spielen bradykardisierende Medikamente (ß-Blocker, Digitalis, Antiarrhythmika), in seltenen Fällen aber auch infektiöse Ursachen (Endokarditis mit paravalvulärem Abszess, Myokarditis, Lyme-Borreliose), eine Rolle.
Bei den tachykarden HRS ist zwischen einer fokalen Automatie und einem Reentry-Mechanismus zu unterscheiden. Bei der fokalen Automatie kommt es aufgrund einer pathologisch erhöhten Erregbarkeit bestimmter Herzmuskelzellen (z. B. bei abnormaler Automatie bzw. getriggerter Aktivität) zur wiederkehrenden Parasystolie, also einer zusätzlichen Erregung des Herzens. Beispiele hierfür sind die (supra-)ventrikuläre Extrasystolie oder die fokale Tachykardie. Demgegenüber liegen der Reentry-Tachykardie pathophysiologisch meist zusätzliche Leitungsstrukturen (z. B. bei AV-Knoten Reentry-Tachykardie oder AVRT bei WPW-Syndrom) oder intrakardiale Narben (z. B. bei ventrikulärer Tachykardie oder Vorhofflattern) zugrunde. Dabei fungiert eine Leitungsbahn bzw. die Narbe als „Zone der langsamen Leitung“, welche die elektrische Erregungsfront verlangsamt und dadurch eine Wiedererregbarkeit des Myokards ermöglicht. Diese HRS erreichen oft Frequenzen bis 200/min.
Als Sonderform tachykarder HRS ist das Vorhofflimmern zu nennen, welches durch multiple Erregungsfronten im Vorhofmyokard gekennzeichnet ist und oftmals durch Trigger im Bereich der Pulmonalvenen ausgelöst wird. Angeborene Ursachen für HRS sind z. B. die zusätzlichen Leitungsbündel bei AVNRT oder WPW-Syndrom, aber auch Störungen der Ionenkanäle wie beim Brugada- oder Long-QT-Syndrom. Daneben spielen erworbene myokardiale Vernarbungen, z. B. nach Myokardinfarkt bzw. Myokarditis, oder aber Speichererkrankungen, wie z. B. die kardiale Sarkoidose oder Amyloidose, eine wichtige Rolle. So vielfältig wie die Ursachen sind auch die auftretenden Symptome.
Erkennbar sind auch in das Herz eingebrachte Katheter (Bildmitte und Unterrand). Aus dem Farbverlauf lässt sich der Ursprungsort eines atypischen Vorhofflatterns lokalisieren, welches in diesem Fall vor der rechten oberen Lungenvene kreist. Der blaue Ring im rechten Bildabschnitt stellt die Mitralklappe dar.
Bei HRS sind die Symptome vielfältig und oft nicht eindeutig. Manche Patienten sind gänzlich asymptomatisch, einige Patienten bemerken jede Extrasystole. Bei den bradykarden HRS kommt es oft zu Schwindel, einem Verlust der körperlichen Leistungsfähigkeit oder Synkopen. Bei den tachykarden HRS beklagen die Patienten oftmals einen plötzlich einsetzenden, schnellen Herzschlag, welcher bis in den Hals wahrgenommen wird. Die fokale Automatie zeichnet sich dabei durch kurze, salvenartige und eher unregelmäßige Entladungen mit einem „warming-up“- und „cooling-down“-Phänomen“ aus. Demgegenüber ist die Reentry-Tachykardie meist regelmäßiger Natur, über Minuten anhaltend und durch ein „on/off“-Phänomen gekennzeichnet. Die Patienten berichten hier, dass die HRS wie durch einen Schalter aktiviert und wieder beendet wird. Die Reentry-Tachykardie kann oft durch vagale Manöver (z. B. Valsalva Manöver, Carotismassage) unterbrochen werden. Patienten mit Vorhofflimmern beklagen dagegen unregelmäßige Palpitationen, aber auch unspezifische Symptome wie Belastungsdyspnoe, Harndrang (bedingt durch eine Freisetzung des atrialen natriuretischen Peptids) oder einfach nur eine innere Unruhe. Vorsicht ist geboten bei Synkopen in Kombination mit Palpitationen oder bei vorliegender struktureller Herzerkrankung. Diese können Vorboten eines plötzlichen Herztodes sein. Bei Patienten mit einem kryptogenen Schlaganfall ist in jedem Fall eine weiterführende Diagnostik bezüglich eines evtl. zugrunde liegenden Vorhofflimmerns angezeigt.
Gelegentliche Palpitationen sind völlig normal und nicht unbedingt abklärungsbedürftig, da das Herz nicht immer zu 100 % exakt schlägt. Ein altersabhängiges Patientenscreening bezüglich Herzrhythmusstörungen wird derzeit ebenfalls nicht empfohlen. Besteht jedoch ein Leidensdruck oder liegt ein kryptogener Schlaganfall bzw. der V. a. eine strukturelle Herzerkrankung vor, ist eine weiterführende Abklärung sinnvoll. Wie auch bei anderen Erkrankungen spielt die exakte Anamnese hier eine zentrale Rolle. Dabei sind folgende Fragen von Bedeutung: Tritt das Herzrasen plötzlich auf? Wie sind der Beginn und das Ende zu charakterisieren? Kann der Patient die HRS selbst unterbrechen? Sind die Palpitationen regelmäßig oder unregelmäßig? Handelt es sich um eine in sich abgeschlossene HRS oder ist der Herzschlag nur durch einzelne Palpitationen (z. B. bei Extrasystolie) unterbrochen? Besteht der V. a. einen plötzlichen Herztod in der Familie oder ist der Patient selbst schon synkopiert? Liegt eine strukturelle Herzerkrankung vor? Neben der Anamnese sollte der Fokus auf der EKG-Dokumentation der HRS liegen. Dies gestaltet sich oft schwierig, da z. B. ein 24-Std.-LZ-EKG nur 0,2 % der jährlichen Herzschläge festhält. Tritt die HRS z. B. nur drei- bis viermal pro Jahr anfallsartig auf, ist die Wahrscheinlichkeit einer EKG-Dokumentation somit sehr gering. Wichtig: ein normales LZ-EKG schließt das Vorhandensein einer HRS in keinem Fall aus. Neben den normalen LZ-EKG-Systemen stehen daher inzwischen externe und implantierbare Eventrekordersysteme zur Verfügung, die eine EKG-Aufzeichnung über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren ermöglichen. Bei älteren Patienten bzw. bei begleitenden Synkopen sollte eine strukturelle Herzerkrankung z. B. mittels Echokardiografie bzw. einer kardialen Ischämiediagnostik ausgeschlossen werden. HRS können dabei Ursache (z. B. Tachykardie induzierte Kardiomyopathie) oder Ausdruck (z. B. ventrikuläre Tachykardie bei Ischämie) struktureller Veränderungen am Herzen sein. Im Zweifel kann ein Spezialist (Elektrophysiologe) in einem rhythmologischen Zentrum hinzugezogen werden. Denn bei typischer Anamnese kann durch eine kathetergestützte invasive elektrophysiologische Untersuchung (EPU) in einem hochspezialisierten EPU-Labor oft die korrekte Diagnose gestellt werden.
Heute stehen verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Behandlung von HRS zur Verfügung. Dazu gehören die medikamentöse Behandlung, die Katheterablation oder auch die Device-Therapie.
Antiarrhythmika (AAD) können dabei helfen, die Rezidivrate von HRS zu minimieren. Wichtig: AAD heilen die HRS in der Regel nicht aus, sondern wirken nur rhythmusstabilisierend. Wird ein wirksames AAD abgesetzt, kommt es meist zu einem Rezidiv. Eine Dauertherapie ist in vielen Fällen somit erforderlich, was die Wahrscheinlichkeit für Therapieabbrüche durch Nebenwirkungen erhöht. Und: manche AAD können – z. B. bei vorliegender struktureller Herzerkrankung – selbst gefährliche HRS hervorrufen, insbesondere dann, wenn AAD miteinander kombiniert werden. Daher sollte die Applikation von AAD kritisch geprüft und nur von diesbezüglich erfahrenen Ärzten vorgenommen werden. Die Gabe von AAD eignet sich insbesondere dann, wenn der Patient für einen kathetergestützten Eingriff (Ablationsbehandlung) nicht geeignet ist oder diesen nicht vornehmen lassen möchte. Allerdings ist die Effektivität einer AAD-Therapie häufig wesentlich geringer als bei der Ablationstherapie. Eine Sonderrolle nimmt hier die Substanzgruppe der
ß-Blocker ein, welche in der Therapie der tachykarden HRS eine Rolle spielen, oft aber mehr das Ziel der Frequenzkontrolle verfolgen. Neben der AAD-Therapie können bei HRS mit thromboembolischem Risiko (Vorhofflimmern, Vorhofflattern) orale Antikoagulanzien indiziert sein. Schlaganfall- und Blutungsrisiko werden hierbei patientenindividuell durch Punktesysteme wie den CHA2DS2-VASc-Score bzw. den HAS-BLED-Score ermittelt.
Mit der minimalinvasiven kathetergestützten Ablation wird das Gewebe, das für die gestörte elektrische Erregung des Herzmuskels verantwortlich ist, gezielt verödet. Somit werden bestimmte Herzmuskelzellen durch eine lokale Energieapplikation funktionsuntüchtig gemacht. Elektrophysiologen führen diesen Eingriff oft nach einer vorangeschalteten diagnostischen EPU und Diagnosesicherung durch. Der Zugang zum Herzen erfolgt dabei über eine Punktion der Leistengefäße, in der Regel in Lokalanästhesie. Nach Anlage eines Schleusensystems können dann Elektrodenkatheter schmerzlos durch das Gefäßsystem theoretisch in alle vier Herzhöhlen vorgebracht werden. Auch die epikardiale Ablation, also eine Energieabgabe auf dem Herzen nach Punktion des Perikards, ist möglich. Die Technik und die Wahl der Energiequelle ist dabei von der jeweiligen Rhythmusstörung abhängig. Bei der Hochfrequenzablation wird das Zielgewebe durch Radiofrequenzenergie verödet. Bei der Kryoablation erfolgt die Verödung des Gewebes durch Kälteenergie (bis zu -50 °C). Neben den unterschiedlichen Energiequellen kommen heute hochkomplexe elektroanatomische Mappingsysteme zum Einsatz, die eine millimetergenaue und strahlenfreie 3-D-Visualisierung der Herzanatomie bzw. der Katheterbewegung, aber auch eine Visualisierung der laufenden HRS oder intrakardialer Narbenstrukturen ermöglichen (s. Abb.). In vielen Fällen sind Patienten nach einer Ablationsbehandlung von ihren Rhythmusstörungen befreit. Im Unterschied zur AAD-Therapie kann die Ablationsbehandlung also in vielen Fällen heilen.
Bei der Device-Therapie wird, je nach Indikation, ein Herzschrittmacher bzw. ein implantierbarer Cardioverter-Defibrillator (ICD) eingesetzt. Ein Herzschrittmacher wird zur Behandlung einer symptomassoziierten Bradykardie implantiert. Ein ICD hingegen wird zur primär- oder sekundärprophylaktischen Vermeidung eines plötzlichen Herztodes bei stattgehabten oder drohenden Kammertachykardien eingesetzt. Das Gerät kann im Ernstfall lebensbedrohliche tachykarde HRS durch eine schmerzlose hochfrequente Überstimulation (ATP = antitachykardes Pacing) oder einen Elektroschock bei den oft schon bewusstlosen Patienten terminieren. Der Strom fließt dabei zwischen der Schockwendel einer in den rechten Ventrikel eingebrachten Elektrode, und dem unter dem Schlüsselbein befindlichen Gehäuse. Durch den Schock kommt es zu einer Depolarisation aller erregbaren Myozyten. Dadurch wird die Herzrhythmusstörung terminiert und es etabliert sich eine normale Kammererregung.
Der Autor
Prof. Dr. med. Christian von Bary
Chefarzt für Innere Medizin und Kardiologie mit spezieller, langjähriger klinischer sowie wissenschaftlicher Expertise in den Bereichen Herzrhythmusstörungen, interventionelle Kardiologie und Notfallmedizin
Rotkreuzklinikum München
Literatur beim Autor
Bildnachweis: Rotkreuzklinikum München; privat