Die Notwendigkeit, die Diagnostik in der Dermatologie um die Analyse molekularer Signaturen zu erweitern, wird erst nach und nach immer deutlicher. Nun gibt es kompakte Lösungsansätze, die die molekulare Diagnostik in der Breite salonfähig machen könnten – zunächst für die Differenzierung von Psoriasis und Ekzem.
Diagnostik in der Dermatologie, das heißt noch immer, hauptsächlich den geschulten klinischen Blick anzuwenden sowie eine gründliche Anamnese durchzuführen. Wenn das nicht reicht, wird ergänzend eine Hautbiopsie entnommen und durch den Histopathologen beurteilt. Dieses etablierte System funktioniert so seit vielen Jahren, Jahrzehnten, eigentlich Jahrhunderten. Dass es in den vergangenen Jahren an seine Grenzen kommt, liegt in erster Linie an den großen therapeutischen Fortschritten. Im Bereich der entzündlichen Hauterkrankungen etwa stehen schon seit knapp 30 Jahren spezifische Psoriasis-Medikamente zur Verfügung, seit etwa fünf Jahren auch zunehmend spezifische Ekzem-Therapien. Plötzlich ist es nun wichtig, eine präzise Diagnose zu stellen, weil diese direkte therapeutische Konsequenzen hat – denn eine Psoriasis, die mit Dupilumab behandelt wird, wird sich nicht bessern; umgekehrt sind TNF-Inhibitoren, IL-17- oder IL-23-Antagonisten in der Therapie des atopischen Ekzems wirkungslos. Tatsächlich können Ekzeme durch eine Behandlung mit Psoriasis-Biologika und umgekehrt die Psoriasis durch eine Dupilumab-Therapie getriggert werden. Eine präzise Diagnostik ist daher also wichtig geworden.
Molekulare Differenzierung von Psoriasis und Ekzem
Bleibt die Frage, ob die bisherigen diagnostischen Mittel dafür ausreichen. „Wer Psoriasis nicht von atopischem Ekzem unterscheiden kann, ist kein guter Dermatologe.“ Soweit ein verständlicher erster Impuls. Die Wahrheit ist natürlich, dass die Psoriasis und das atopische Ekzem heterogene Krankheitsbilder sind, deren Phänotypen sich durchaus überlappen – besonders bei palmoplantaren Hautveränderungen, bei Kopfhautbefall oder Erythrodermie, aber auch bei den Mischtypen „psoriasiforme Dermatitis“ oder „ekzematisierte Psoriasis“. Mit den gängigen diagnostischen Mitteln ist die Differenzialdiagnose hier auch für echte Experten herausfordernd, oft unmöglich.
Hier stellt sich die Frage, ob bei Mischtypen überhaupt eine Differenzialdiagnose erfolgen muss, und wenn ja, ob die molekulare Diagnostik einen klinisch relevanten Unterschied machen kann. Mehr und mehr wissenschaftliche Evidenz spricht dafür, dass auch bei Mischtypen ein immunologisches Muster dominant ist – bei ekzematisierter Psoriasis das Th17-Muster, bei psoriasiformer Dermatitis oder nummulärem Ekzem dagegen das Th2-Muster. Daraus folgt, dass Mischtypen, bei denen das dominierende immunologische Muster nicht richtig erkannt wird, auf spezifische Therapien kaum oder gar nicht ansprechen; umgekehrt führt aber die spezifische Behandlung des dominierenden Musters zu einem potenziell vollständigen Rückgang der Entzündung, inklusive des als „Bystander“ zu bezeichnenden Anteils der nicht dominierenden immunologischen Muster. Hier kann uns die molekulare Diagnostik tatsächlich weiterhelfen als der klinische Blick und die Histologie.
Molekulare Diagnostik auf Knopfdruck – für objektive und präzise Therapieentscheidungen.
In der Differenzialdiagnose Psoriasis versus Ekzem etwa gibt ein molekularer Klassifikator, der auf der Expression der Gene NOS2 und CCL27 in der Haut beruht, das dominierende immunologische Muster objektiv und präzise an. Diese beiden Gene spiegeln typische morphologische Aspekte der jeweiligen Erkrankung wider, korrelieren mit Komorbidität und laut ersten Analysen auch mit dem therapeutischen Ansprechen. Der Klassifikator wurde in einer Vielzahl von Studien an unterschiedlichen Endotypen der Psoriasis und des Ekzems validiert.
Molekulare Diagnostik in der Praxis?
Wie aber können diese hochkomplexen Tests Anwendung in der Breite finden? Der Zeitaufwand bei manueller Durchführung ist groß, die Standardisierbarkeit sehr schwierig. Die Lösung werden wohl vollautomatisierte „Westentaschen-Labore“ sein. Der genannte Klassifikator wird dabei als „Lab-on-a-chip“-System auf mikrofluidischer Basis angewendet. Konkret bedeutet das: eine kleine Menge Hautmaterial wird in eine Art Diskette eingegeben, in der dann in einem Analysegerät sämtliche Schritte von Probenaufbereitung, Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) und Ergebnisauswertung innerhalb von 1 bis 2 Stunden durchgeführt werden. Mit einem Knopfdruck, standardisiert und objektiv. In einem ersten Schritt erfolgt dies beim Histopathologen aus Paraffin-Schnitten zusätzlich zur histologischen Standarddiagnostik. Während diese Technik aktuell schon von einem kleinen Kundenkreis eingesetzt und bald in der Breite verfügbar sein wird, wird sie in wenigen Jahren wohl auch als minimalinvasive Methode (auf der Basis von Tesafilmabrissen, also „Tape Strips“) in Schwerpunktpraxen möglich sein. Weitere Biomarker, an denen weltweit intensiv geforscht wird, können dann sehr schnell auf die existierende Plattform übertragen werden. Nach vielen Jahren intensiver Forschung steht die Dermatologie somit an der Schwelle zu einer echten diagnostischen Weiterentwicklung, mit der sie den therapeutischen Fortschritten endlich gerecht wird.
Mit Zunahme der spezifischen Therapiemöglichkeiten bei entzündlichen Hauterkrankungen wird auch eine immer präzisere Diagnostik der einzelnen Erkrankungen – und ihrer Mischtypen – notwendig. Denn das immunologisch dominante Muster entscheidet über die Auswahl des geeigneten Medikaments und somit über den Therapieerfolg. Analysegeräte für die molekulare Diagnostik vor Ort, also direkt in der Praxis, werden bald in der Breite verfügbar sein und für immer mehr Biomarker weiterentwickelt werden. Die Dermatologie steht somit an der Schwelle zu einem echten diagnostischen Fortschritt.
Der Autor
Prof. Dr. med. Kilian Eyerich
Ärztlicher Direktor
Klinik für Dermatologie
und Venerologie
Universitätsklinikum Freiburg
kilian.eyerich@uniklinik-freiburg.de
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