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Fokus Naturmedizin

Orthomolekulare Immunstimulanzien

Vitamine und Zink evidenzbasiert

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

Ein Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen schwächt das Immunsystem und damit auch den Schutz vor Infektionen durch pathogene Erreger. Zur Stärkung der Immunantwort eignen sich insbesondere Vitamin D und Zink, die bei einem Mangel substituiert werden sollten.

 Um pathogene Mikroorganismen abzuwehren, benötigt das Immunsystem Zink und Vitamin D. Das Vitamin agiert dabei völlig anders als gewohnt: Statt die Calcium-Phosphat-Homöostase und den Knochenstoffwechsel zu unterstützen, moduliert es die Immunfunktion. So entstand die Hypothese, dass sich der Stoffwechsel von Vitamin D krankheitsspezifisch ändert. Fakt ist, dass die B- und T-Zellen, Lymphozyten, Makrophagen und dendritischen Zellen einen Rezeptor für Vitamin D exprimieren. In der Folge wird Vitamin D direkt in den Immunzellen in den aktiven Metaboliten Calcitriol umgewandelt. Dieser beeinflusst die Zelldifferenzierung vor Ort.[1] Bevor es zu einer Infektion kommt, müssen physikalische Barrieren überwunden werden. Zudem werden Lysozym, Komplement und zelluläre Komponenten sezerniert. Hier verstärkt Vitamin C synergistisch unter anderem die Antituberkuloseaktivität von monozytischen Keratinozyten. Monozyten sind besonders effektiv beim Eliminieren von Erregern, denn sie exprimieren das antibiotisch wirksame Cathelicidin. Als Transkriptionsfaktor für dieses Protein ist Vita­min D nötig. Es unterstützt zudem die Phagozytose und exprimiert Erkennungs­rezeptoren für den Tuberkuloseerreger. Zusätzlich beeinflusst Vitamin D die Zusammensetzung des Mikrobioms und reduziert die Permeabilität der Darmwand. Auf das erworbene Immunsystem übt Vitamin D antientzündliche Effekte aus, indem es beispielsweise die Zytokinbildung von T-Helfer-Zellen hemmt. Bei regulatorischen T-Zellen wird die Aktivität moduliert und bei ­B-Zellen beeinflusst Vitamin D die Homöostase.[1]

Evidenz bei Infekten der Atmungsorgane

Tatsächlich ist Vitamin D ein unabhängiger Risikofaktor der Lungentuberkulose, das zeigten zwei Übersichtsarbeiten. Wie eine Supplementation wirkt, wurde in acht randomisierten, kontrollierten Studien mit über 1.700 Patienten untersucht.[2] In drei Auswertungen ergaben sich signifikant höhere Sputumkonver­sionsraten unter 1.000 bzw. 5.000 IE Vitamin D pro Tag sowie mit vier Dosen zu je 100.000 IE. In einer Studie verbesserte sich die Sputumkonversion bei einem bestimmten Polymorphismus im Vitamin-D-Rezeptor. Und in einer anderen kam es zur Gewichtszunahme und zu radiologischen Veränderungen. Kein ­Unterschied zeigte sich in drei Studien.[2]

Unterstützt antiretrovirale Therapie

Bei einer Infektion mit dem HI-Virus muss mit Vitamin-D-Mangel gerechnet werden, das zeigte sich bei 97 Patienten, von denen 63 Personen ungenügende Spiegel aufwiesen. Nach einer Supplementation über 24 Wochen erholte sich die Zahl der CD4+- Zellen; die Korrelation mit dem 25(OH)D-Spiegel war signifikant positiv. Wird Vitamin D rechtzeitig, vor einem Hyperparathyreoidismus gegeben, kann ein Knochenverlust verhindert werden.[3] Mehr noch, Vitamin D reguliert die Wirtsantwort bei HIV-positiven Personen. So gehen hohe Vitaminspiegel und exprimierte Vitamin-D-Rezeptoren mit einer ­natürlichen Resistenz gegenüber einer HIV-1-Infektion einher. Im Gegensatz dazu führt Vitamin-D-Mangel zu Entzündungen und einer Immunaktivierung. Die CD4+-Zellen im Blut sind erniedrigt, die Erkrankung schreitet schneller fort, die Lebenserwartung sinkt. Wird also mit dem Ziel supplementiert, normale ­Vitamin-D-Spiegel zu erreichen, kann das die immunologische Erholung während einer Kombinationstherapie erhöhen und auch die Immunität gegenüber Pathogenen stärken. In diesem Zusammenhang interessant ist der Befund, dass die Tuberkulose die bedeutendste opportunistische Erkrankung bei HIV-Infizierten ist. Besonders effektiv gegen Mycobacterium tuberculosis wirken ausgerechnet CD4+-Zellen, die das bevorzugte Ziel des HI-Virus sind. Vitamin D schützt vermutlich auch vor einem systemischen inflammatorischen Response-Syndrom und vor einer höheren Sterblichkeit.[4]

Umverteilung von Zink bei Sepsis

Auf ein erhöhtes Sepsisrisiko unter Vitamin-D-Mangel weisen die gepoolten ­Daten einer systematischen Übersichtsarbeit mit Metaanalyse hin (relatives Risiko [RR] 1,46; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,27–1,68).[5] Bei intensivmedizinisch behandelten Patienten machte eine Hochdosis-Einmalsupplementation jedoch keinen signifikanten Unterschied, wie zwei randomisierte, kontrollierte Studien zeigten.[6] Ein allgemeines Zeichen bei der Sepsis sind veränderte Transportmechanismen für Zink. Normalerweise wird der Mineralstoff über den Importer ZIP14 aufgenommen. In der Folge schwächen die Zinksignale die Entzündungsantwort ab. Ein Zinkdefizit erhöht jedoch das Risiko für Entzündung und Sterblichkeit.[7] Außerdem ist bekannt, dass Zink während einer Sepsis aus dem Serum in die Leber umverteilt wird, und zwar durch Aufregulieren der Import- und Bindeproteine. Der Zinküberschuss schützt das Lebergewebe und steigert die Bildung von Zytokinen und Akute-Phase-Proteinen. Gleichzeitig wirkt der abnehmende Zinkspiegel im Serum wie ein Signalgeber: Das Immunsystem induziert eine Umprogrammierung, die Monozyten beginnen zu reifen.[8]

Nicht überzeugend bei Autoimmunerkrankungen

Die Signale, die Vitamin D und sein Rezeptor an das Immunsystem senden, unterdrücken auch die Autoimmunität. Sie fördern die Differenzierung von dendritischen und regulatorischen Zellen und hemmen die Antwort der T-Helferzellen. Dennoch überzeugen die klinischen Ergebnisse nicht: Epidemiologische Daten deuten zwar eine Verbindung zwischen einem höheren Breitengrad, der abnehmenden Sonneneinstrahlung und einer höheren Prävalenz von Multipler Sklerose, Typ-1-Diabetes und entzündlichen Darmerkrankungen an. Auch eine Korrelation zwischen der Vitamin-D-Aufnahme und der Inzidenz von Typ-1-Diabetes und rheumatoider Arthritis wurde beschrieben. Eine kausale Verbindung konnte jedoch nicht ermittelt werden. Im Frühstadium der rheumatoiden Arthritis verbesserte ein Bolus mit 300.000 IE Vitamin D die Gesundheit im Allgemeinen, nicht aber die Krankheitsaktivität oder die Entzündungsmarker.[1]

Bei Erkältungen in Kombination

Vitamin C wirkt bei Atemwegsinfektionen prophylaktisch, das bestätigte eine Übersichtsarbeit. Mit 100–200 mg pro Tag ließen sich adäquate bis gesättigte Plasmaspiegel und in der Folge optimierte Zell- und Gewebelevel erreichen. Der Grund: Ascorbinsäure unterstützt die Barrierefunktion der Epithelien und ­fördert die Scavenger-Aktivität der Haut. Außerdem reichert es sich in Neutrophilen und Makrophagen an und verbessert die Proliferation von B- und T-Zellen. Alles in allem fördert es die Infektionsresistenz. Therapeutische Studien zeigten jedoch Widersprüche. Die Erkältungshäufigkeit wurde nicht verringert, sodass eine ­routinemäßige Gabe nicht gerechtfertigt ist, resümierten die Autoren.[9] Anders in Phasen von schwerer körperlicher Anstrengung. Hier wiesen reguläre Versorgungsstudien auf einen Zusammenhang mit Erkältungsdauer und Schwere hin.[10] Der abschließende Rat lautet daher, Vitamin C bei Erkältungen individuell im Grammbereich einzunehmen.[9] Was sich im Erkältungsfall auch entscheidend auswirkt, ist die Zinkkonzentration in Lymphozyten, Granulozyten und Blutplättchen. Zink verhindert zudem, dass Rhinoviren an die Nasenschleimhaut binden und reduziert die erkältungstypische Entzündungsreaktion. Dass Zink in oraler Form die Erkältungsdauer bei Erwachsenen verringert, bescheinigten die gepoolten Daten einer Metaanalyse (Mittelwertdifferenz -1,65 Tage; 95%-KI -2,5 bis -0,81; 8 Studien, I-Quadrat[I2]-Maß = 95 %). Der Anteil der Patienten, die nach sieben Tagen Symptome aufwiesen, war in der Zinkgruppe signifikant niedriger (RR 0,63; 95%-KI 0,44–0,90; 9 Studien). Wegen der hohen Heterogenität wird die Evidenz als niedrig angesehen.[11] Eine Kombination aus Vitamin C, D, Folsäure und Selen war bei 192 Patienten mit wiederkehrenden Atemwegsinfektionen effektiv. Nach ­16  ­Wochen hatte sich die Symptomatik signifikant verbessert. Vor allem Patienten mit Vitamin-D-Mangel und/oder ungenügender Vitamin-C-Zufuhr machten deutlich weniger Erkältungsepisoden durch.[12]

[1] Sassi F et al., Nutrients 2018; Nov 10(11): 1656–1674
[2] Franca Gois PH et al., Nutrients 2017; Jul 9(7): 651–673
[3] Coelho L et al., Nutr J 2015; 14: 81
[4] Jiménez-Sousa MA et al., Front Immunol 2018; Mar 12; 9: 458
[5] De Haan K et al., Crit Care 2014 Dec; 18(6): 680
[6] Gois PHF et al., Nutrients 2017 Jul; 9(7): 651
[7] Wessels I et al., Nutrients 2017 Dec; 9(12): 1286
[8] Alker W, Haase H, Nutrients 2018 Jul 27; 10(8): pii E976
[9] Carr AC, Maggini S, Nutrients 2017 Nov 3; 9(11): pii E1211
[10] Hemilä H, Chalker E, Cochrane database syst rev 2013 Jan 31; (1):CD000980
[11] Science M, Johnstone J, Roth DE et al., CMAJ 2012; 184(10): E551–E561
[12] Schmidt K, Zirkler S, MMW Fortschr Med 2011; 153(3): 83–89

Bildnachweis: ttsz (iStockphoto)

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