Bei einer Statinunverträglichkeit erfordert es Therapiealternativen zur Behandlung eines erhöhten Lipidspiegels im Blut. Eine Option sind Naturstoffe wie Phytosterine, Sojaprodukte oder Rotschimmelreis. Ihr Wirkspektrum ist jedoch recht verschieden.
Dyslipidämien gehören zu den Hauptfaktoren für Atherosklerose. Resultierende Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Krankheits- und Todesursache. Der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1)
2008–2011 zufolge haben insgesamt 56,6 % der Männer und 60,5 % der Frauen im Alter von 18–79 Jahren ein Serum-Gesamtcholesterin oberhalb von 190 mg/dl. Aufgrund der hohen Prävalenz der Dyslipidämie, Vorbehalten gegenüber der medikamentösen Therapie oder Statinunverträglichkeit suchen viele Patienten nach Alternativen. Es gibt zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel bzw. Naturprodukte, die hinsichtlich ihrer lipidsenkenden Wirkung untersucht wurden. Über multiple Mechanismen tragen sie zur Lipidsenkung bei und haben darüber hinaus oft weitere positive Effekte vorzuweisen, etwa auf Blutdruck, Blutzuckerspiegel, Inflammation und oxidativen Stress. Jedoch ist speziell bei Patienten mit Statinintoleranz die Datenlage für deren Wirksamkeit sehr limitiert.
Der cholesterinsenkende Effekt des als Nahrungsergänzungsmittel vertriebenen Rotschimmelreises basiert auf einem statinähnlichen Mechanismus: der Hemmung der HMG-CoA-Reduktase. Denn das Naturprodukt enthält Monacolin K, das chemisch identisch zu Lovastatin ist. Für Roten Reis liegt von allen Naturprodukten aktuell die beste Evidenz in Bezug auf eine lipidsenkende Wirkung vor. Dies zeigen Daten aus mehreren randomisiert-kontrollierten Studien sowie Metaanalysen. Denen zufolge können Dosen zwischen 1.200 und 4.800 mg (3–10 mg Monacolin K) täglich zur Cholesterinsenkung verwendet werden. Die zu erwartende Senkung des LDL-Cholesterin (LDL-C)-Spiegels liegt bei 15–25 %. Nahrungsergänzungsmittel mit Rotem Reis werden daher in den aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und European Atherosclerosis Society (EAS) Patienten empfohlen, die für eine Statintherapie nicht geeignet sind. Da Roter Reis Monacolin K enthält, können statintypische Nebenwirkungen auftreten. So wurden nach der Einnahme von Roter-Reis-Präparaten Myopathien beobachtet. Da diese Präparate als natürliche, nicht verschreibungspflichtige Alternative verfügbar sind, besteht die Gefahr einer unkontrollierten Überdosierung von Monacolin K. Zudem kann die Dosierung des Wirkstoffs in den einzelnen Nahrungsergänzungsmitteln stark variieren. Daten zur Langzeitanwendung wären daher wünschenswert. Darüber hinaus sollten nur hochgereinigte, standardisierte und zertifizierte Produkte von guter Qualität eingesetzt werden, die frei von Citrinin – einem toxischen Nebenprodukt des Fermentationsprozesses – sind.
Die sekundären Pflanzenstoffe kommen in höheren Mengen in ölhaltigen Pflanzenteilen wie Sonnenblumenkernen, Sesam oder Sojabohnen vor. Hauptvertreter der Phytosterine sind Sitosterin, Campesterin und Stigmasterin. Phytosterine ähneln in ihrer chemischen Struktur dem Cholesterin (s. Abb.). Aufgrund ihrer chemischen Ähnlichkeit konkurrieren Phytosterine mit Cholesterin um die intestinale Absorption und können so den Gesamt-Cholesterinspiegel senken. Mit täglichen Gaben von 2 g liegt der LDL-C-senkende Effekt der Pflanzenstoffe zwischen 7 und 10 %, wohingegen es kaum bzw. keine Effekte auf die HDL-C-Spiegel gibt. Bisherige Untersuchungen geben keine Hinweise auf Sicherheitsbedenken, doch fehlen Daten aus Langzeitbeobachtungen. Gemäß den aktuellen Leitlinien der ESC und EAC können Phytosterine in Betracht gezogen werden: Bei Patienten mit hohen Cholesterinwerten und geringem bis mittlerem kardiovaskulären Risiko, für die eine Pharmakotherapie nicht geeignet ist. Als Ergänzung zu lipidsenkenden Medikamenten bei Patienten mit hohem bis sehr hohem Risiko, die ihre Zielwerte nicht mit Statinen erreichen oder nicht mit Statinen behandelt werden können. Bei Patienten über sechs Jahren mit familiärer Hypercholesterinämie. Bei Patienten mit der autosomal-rezessiv vererbten Fettstoffwechselstörung Phytosterolämie wird jedoch aufgrund des erhöhten Atheroskleroserisikos ausdrücklich von dem Verzehr solcher Produkte abgeraten.
Eine systematische Übersichtsarbeit zur erhöhten Aufnahme von Ballaststoffen weist auf Senkungen des Gesamtcholesterin- und LDL-C-Spiegels hin. Ob lösliche oder unlösliche Ballaststoffe vorteilhafter sind, bleibt jedoch offen. Je nach Ballaststoff sind bei Aufnahme von 3–10 g täglich LDL-C-Spiegelreduktionen von 3–5 % zu erwarten. Beta-Glucane sind hochmolekulare Polysaccharide, die u. a. als wasserlösliche Ballaststoffe in den Zellwänden von Getreide wie Hafer und Gerste vorkommen. Die Evidenz zu diesen Polysacchariden zeigt einheitlich eine Senkung der Gesamtcholesterin- und LDL-C-Spiegel. Da Ballaststoffe gut verträglich sind und weitere gesundheitsfördernde Eigenschaften aufweisen, ist ihre gesteigerte Zufuhr zur Senkung des LDL-C empfehlenswert.
Der lipidsenkende Effekt von Sojaprodukten basiert auf den enthaltenen Isoflavonen. Durch die Zufuhr von 25–100 g Sojaproteinen pro Tag lässt sich eine LDL-C-Reduktion um 6–10 % erreichen. Daher können Sojaprodukte bei statinintoleranten Patienten erwogen werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die in Soja enthaltenen Isoflavone die Schilddrüsenfunktion und Fruchtbarkeit beeinflussen und die Absorption von Calcium, Magnesium, Kupfer, Eisen und Zink reduzieren können.
Beobachtungsstudien zufolge reduziert mindestens zweimal wöchentlicher Fischverzehr und der Konsum α-Linolensäure-reicher pflanzlicher Produkte (z. B. Walnüsse) das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Schlaganfälle. Jedoch wurde kein Effekt auf die Plasmalipoproteine beobachtet. Die gezielte Gabe von Omega-3-Fettsäuren (1–4 g täglich) hat nur einen geringfügigen Effekt auf das LDL-C (Reduktion um 3–7 %), denn Omega-3-Fettsäuren wirken hauptsächlich auf Triglyceride. Deren Spiegel können sie um etwa 30 % reduzieren. Gemäß der aktuellen Empfehlung der ESC sollte für Patienten mit Hypertriglyceridämie und hohem bis sehr hohem Risiko, deren Zielwerte trotz Statintherapie nicht im Zielbereich liegen, eine Behandlung mit Eicosapentaensäure (EPA) in Betracht gezogen werden. Denn die REDUCE-IT-Studie konnte zeigen, dass mit EPA in reiner Form (Icosapent-Ethyl) in hoher Dosierung (zweimal 2 g/Tag) bei ausgewählten Hypertriglyceridämie-Patienten das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bedeutend gesenkt werden kann.
Berberin ist ein Alkaloid, das u. a. in der namensgebenden Berberitze (Berberis vulgaris) vorkommt. Eine Metaanalyse zu diesem Naturstoff zeigt, dass im Vergleich zu Placebo die LDL-C- und Plasma-Triglyceridwerte effektiv gesenkt werden können. Berberin hemmt das Enzym PCSK9 und reduziert die intestinale Cholesterinabsorption. Dadurch scheint der Naturstoff eine LDL-C-Senkung von 15–20 % bewirken zu können. Jedoch fehlt es an hochwertigen randomisiert-kontrollierten Studien, um den Effekt des Berberins bei Dyslipidämien eindeutig belegen zu können.
Knoblauch hemmt die HMG-CoA-Reduktase und kann die Effekte der medikamentösen Lipidsenker möglicherweise verstärken. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 1994 zu getrocknetem Knoblauchpulver zeigt eine 12 %ige Reduktion des Gesamtcholesterinspiegels im Vergleich zu Placebo. Diese Senkung war auch einen Monat nach der Knoblauchtherapie messbar und hielt mindestens sechs Monate weiter an. Die Serum-Triglyceridspiegel konnten ebenfalls signifikant gesenkt werden. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2013 zeigt eine Reduktion der Gesamtcholesterinwerte um 8 %. Die Triglyceridwerte wurden jedoch nicht signifikant durch Knoblauch beeinflusst. Da die Knoblauchpräparate in allen Studien gut verträglich waren, können sie eine Option für Patienten mit leicht erhöhten Cholesterinwerten sein. Zudem weist Knoblauch kardioprotektive und immunmodulatorische Eigenschaften auf. Andere Metaanalysen zeigen wiederum keine vorteilhaften Effekte des Knoblauchs bei Dyslipidämien. Einige Studien weisen auf das unterschiedliche Ansprechen unterschiedlicher Patientengruppen auf Knoblauch hin. Um zu klären, wer von Knoblauch profitiert, sind weitere Studien erforderlich, die auch höhere Allicindosen einschließen.
Die Artischocke (Cynara cardunculus) ist ebenfalls ein HMG-CoA-Reduktase-Hemmer und kann in Dosierungen zwischen 500 und 2.700 mg/Tag den LDL-C-Spiegel um 10–23 % reduzieren. So zeigt eine Metaanalyse zu Artischockenextrakten, dass die Gesamtcholesterin-, LDL-C- sowie Triglyceridspiegel signifikant gesenkt werden können. Demnach kann Artischockenextrakt eine begleitende Therapieoption zu lipidsenkenden Medikamenten darstellen.
Die Zitrusfrucht Bergamotte (Citrus bergamia Risso) soll in Dosierungen von 500–1.500 mg täglich das LDL-C um 15–25 % senken können. Dabei weist sie ein gutes Sicherheitsprofil auf und kann bei statinintoleranten Patienten in Betracht gezogen werden. Das in Spirulina enthaltene Phycocyanin kann die Gesamtcholesterin- und Triglyceridwerte senken. Bei der täglichen Einnahme von 1–10 g/Tag ist eine LDL-C-Reduktion von 5–15 % anzunehmen. Es fehlen allerdings Studien, die die lipidsenkenden Effekte eindeutig belegen. Mit Grünem Tee und Lupinenprotein lässt sich der LDL-C-Spiegel ebenfalls senken. Natürliche Lipidsenker sind auch in diversen Kombinationen erhältlich. Patienten mit Statinintoleranz wird eine Kombination aus Rotem Reis, Policosanol, Berberin, Folsäure, Coenzym Q10 und Astaxanthin empfohlen.
Fazit
Natürliche Produkte mit guter Evidenz für biochemische Effekte auf die Plasmalipidwerte sind z. B. Roter Reis, Phytosterine, Soja und Omega-3-Fettsäuren. Naturstoffe wie Berberin, Knoblauch oder Spirulina können vorteilhaft bei bestimmten Patientengruppen sein. Das Ausmaß der Lipidreduktion von Naturstoffen ist allerdings nicht vergleichbar mit medikamentösen Lipidsenkern. Nahrungsergänzungsmittel sollten eine lipidsenkende Pharmakotherapie daher nur ergänzen, nicht ersetzen. Gemäß der bisherigen Datenlage sind die meisten natürlichen Lipidsenker in Kombinationen mit Lebensstiländerung und medikamentöser Therapie sicher. Über die Langzeitwirkung natürlicher Lipidsenker und deren Wirkung auf kardiovaskuläre Endpunkte ist kaum etwas bekannt. Dies sollte in Studien mit einer angemessenen Patientenzahl und Dauer geklärt werden. Folglich muss jeder Patient individuell beurteilt und über die jeweiligen Therapieoptionen aufgeklärt werden.
Die Autorin
Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt
Wissenschaftliche
Autorin & Referentin
18439 Stralsund
Literatur bei der Autorin