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Fokus Naturmedizin

Phytotherapie und Prävention

Komplementäre Therapien bei Inkontinenz und Blasenentzündungen

Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard

6.12.2024

Urogynäkologische Probleme sind sehr häufig und können die Lebensqualität von Frauen in jedem Alter massiv beeinflussen. Speziell bei Harninkontinenz und bei akuten oder rezidivierenden Blasenentzündungen können komplementäre Therapieverfahren viele Probleme dauerhaft beheben.

Das Symptom der Harninkontinenz führt sowohl aus hygienischer als auch sozialer Sicht zu erheblichem Leidensdruck bei den betroffenen Patientinnen. Bei der Belastungs- oder Stressinkontinenz tritt der Urinverlust bei körperlicher Belastung, wie Heben, schweres Tragen, Laufen, Treppensteigen oder auch Husten oder Niesen, auf. Schuld ist eine Funktionsstörung des Harnröhrenschließmuskels. Hinter der Drang- oder Urgeinkontinenz (hyperaktive Blase) steckt häufig eine Störung des Nervensystems. Sehr häufig sind Belastungs- und Dranginkontinenz miteinander kombiniert, sodass beides behandelt werden muss.

Bei Dranginkontinenz empfiehlt sich konsequentes Trink- und Blasentraining. Anticholinergika, die das Zusammenziehen der Blasenmuskulatur verhindern, können das Verhaltenstraining unterstützen. Zur Phytotherapie kombinieren Sie Kürbissamen mit Hopfenzapfen und/oder Gewürzsumachwurzel bzw. Goldrutenkraut.

Bei Dranginkontinenz mit entzündlicher Komponente kann Cystinol-N-Lösung helfen, die durch ihre Kombination aus Bärentraubenblätter und Extrakten aus Echtem Goldrutenkraut antibakteriell, entzündungshemmend, krampflösend und durchspülend wirkt.

Blasenentzündungen

Bei akuter Blasenentzündung helfen eine ganze Reihe von Pflanzenheilmitteln, die in der Apotheke erworben werden können. Sie wirken antientzündlich, antibakteriell und entkrampfend, beispielsweise:

  1. Kombination Tausendgüldenkraut, Liebstöckel und Rosmarin
  2. Kombination Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel
  3. Bärentraubenblätter: nur kurzzeitig und nicht ­geeignet in Schwangerschaft sowie Stillzeit und für Kinder unter 12 Jahren.
  4. Kräutermixtur-Kombination (Birkenblätter, Hauhechel, Liebstöckel, Goldrute und Schachtelhalm) zum Einnehmen (Eisbär-Apotheke).

Bei einer rezidivierenden Blasenentzündung ist es wichtig, die eigentliche Ursache herauszufinden, etwa Hormonstörungen, zu niedrig dosierte Pille, Kupfer- oder Hormonspirale oder häufiger Geschlechtsverkehr. Zur Prophylaxe kommen Produkte zum Einsatz, die den Harn ansäuern und das Anheften der pathologischen Bakterien an der Blasenwand verhindern:

  1. Vitamin C
  2. D-Mannose
  3. Cranberryextrakt (Proanthocyane)

D-Mannose ist ein Einfachzucker, der die Bindungsproteine für Escherichia coli blockiert und so deren Anheftung verhindert. Zusätzlich zur topi­schen Verabreichung in Gel-Form liegt Mannose auch als trinkfertiges Nahrungsergänzungsmittel vor, das neben D-Mannose auch Cranberry und Zink enthält.

Exogene und endogene Faktoren können die natürliche immunologische Schutzfunktion der Vaginalflora beeinträchtigen. Blasenentzündungen nach sexueller Aktivität (Honeymoon-Zystitis) sind oft keine Neuinfektionen. Vielmehr verbleiben nach einer akuten Blasenentzündung oft Bakterien in der Blase, setzen sich in die Harnblasenwand und können dort inaktiviert überdauern, wobei sie vor dem Immunsystem und vor Antibiotika-Gaben geschützt sind. Werden sie aus dem Reservoir freigesetzt, flammt die Blasenentzündung erneut auf. Häufig ist Gardnerella vaginalis Auslöser für die erneute Zystitis.

Speziell zur Behandlung der Blasenentzündungen gibt es 2 Impfungen: die „Schluckimpfung“ (enthält Lysat von E.-coli-Bakterien) und die Spritzenimpfung (enthält verschiedene abgetötete Erreger, die für ­Blasenentzündungen verantwortlich sein können), z. B. StroVac® oder Gynatren®. Die Scheidenflora lässt sich durch Probiotika – genauer Laktobazillen (per Zäpfchen oder oral eingenommen) – aufbauen und kann sich dann besser vor schädlichen Bakterien und auch Hefepilzen schützen. Wichtig ist es, den Partner ebenfalls mitbehandeln zu lassen. Denn Gardnerella besiedelt auch viele Männer, die nur selten Beschwerden haben. Sie können die Partnerin aber immer wieder mit dem Keim infizieren. Da wiederkehrende Blasenentzündungen häufig mit einem gestörten Darm zusammenhängen, hat sich die Stuhluntersuchung bewährt und daran anschließend die Darmbehandlung.

Seifen, Waschlotionen und Deos sollten nur sehr zurückhaltend benutzt werden, um die empfindliche Haut im Genitalbereich nicht zu schädigen und die natürliche gesunde Keimbesiedelung zu erhalten. Am besten eignen sich Produkte, die den Säureschutzmantel stärken. Einmalwaschlappen sind zu bevorzugen.

Interstitielle Zystitis

Bei der interstitiellen Zystitis (IC) handelt es sich um eine chronische, schmerzhafte, nicht durch Bakterien verursachte Erkrankung der Harnblase. Neben den Schmerzen leiden die Patientinnen unter ständigem Harndrang. Man vermutet, dass die Schleimhautdefekte durch immunologische Störungen der Blasenwand hervorgerufen werden. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, Frauen sind neunmal häufiger als Männer betroffen. Seit 2017 ist in Europa Pentosanpolysulfat (PPS) zugelassen, eine pflanzliche Arznei, die aus Buchenrinde synthetisiert wird und ähnlich wie Heparin wirkt. Die Lösung kann in die Blase eingebracht werden, was eine sehr gute Reduktion der Symptome bringt. ­Normalerweise wird PPS oral eingenommen.

Basis der Therapie ist zunächst eine Unterstützung durch Therapeuten oder Therapeutinnen, die Ideen zur Lebensstilveränderung haben und psychotherapeutisch Einfluss nehmen können. Da 90 % der Kranken über Nahrungsmittelunverträglich­keiten berichten, ist die Dokumentation der Beschwerden im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme wichtig, die durch Auslassversuche schon zu ­Verbesserungen führen kann.

Die Autorin

Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard
Albert-Überle-Straße 11
69120 Heidelberg

www.netzwerk-frauengesundheit.com

Literatur bei der Autorin

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