- Anzeige -
Fokus Naturmedizin

CED, MS, RA & Co

Autoimmunerkrankungen naturheilkundlich begleiten

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt

23.9.2022

Autoimmunerkrankungen treten immer häufiger auf. Schätzungsweise 4 % der deutschen Bevölkerung sind von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), Multipler Sklerose (MS), Psoriasis oder rheumatoider Arthritis (RA) betroffen [1]. Viele dieser Patienten sind an einer naturheilkundlichen Begleittherapie interessiert.

Die Ursachen von Autoimmunerkrankungen sind bisher nicht im Detail geklärt, aber Umweltfaktoren, Lebensstil, Ernährung, Medikamente und Infektionen sowie die genetische Prädisposition spielen eine Rolle. Zudem ist das Mikrobiom ein bedeutender Faktor. Zahlreiche Studien zeigen, dass das Darmmikrobiom das Immunsystem moduliert und dass Störungen der Darmflora Autoimmunerkrankungen auslösen können [2]. Dysbiosen können bei Patienten mit Typ-1-Diabetes (T1D), systemischer Sklerose und systemischem Lupus erythematodes (SLE) festgestellt werden. Je nach Erkrankung kann sich die Menge der verschiedenen Kommensalen verändern. So liegt bei SLE ein geringeres Verhältnis von Firmicutes zu Bacteroidetes vor. Bei MS sinkt der Anteil an Prevotella, wohingegen diese Bakteriengattung bei RA zunimmt. Bei RA-Patienten konnte zudem eine Verringerung der Bacteroides spp. festgestellt werden, bei CED eine Anreicherung von Fusobacterium und Escherichia coli sowie eine Verringerung von Faecalibacterium prausnitzii [3].

Der Einfluss von Probiotika

Probiotika können das Mikrobiom positiv beeinflussen, Immunzellen modulieren und somit der Gesundheit zuträglich sein. Am häufigsten werden Lactobacillus spp., Bifidobacterium spp., Stämme von Enterococcus spp., Streptococcus spp. und Hefen wie Saccharomyces spp. eingesetzt. Lactobacillus spp. verbessern z. B. Lupus-Symptome, verringern die Entzündung und tragen zur Wiederherstellung der intestinalen Barriere bei.

Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2022 zu 68 Fachartikeln zeigt das Potenzial von Probiotika zur Wiederherstellung des Gleichgewichts im Darmmikrobiom, wodurch die Entstehung von Autoimmunerkrankungen verhindert bzw. deren Symptome gelindert werden können (Tab.) [2].

Schilddrüse und Spurenelemente

Auch die Schilddrüsenfunktion reagiert empfindlich auf Änderungen des Mikrobioms, und Dysbiosen können autoimmune Schilddrüsenerkrankungen auslösen. Weiterhin beeinflusst die Zusammensetzung des Darmmikrobioms die Verfügbarkeit verschiedener Mikronährstoffe. Iod, Eisen und Kupfer werden für die Bildung von Schilddrüsenhormonen benötigt. Selen und Zink sind bei der Umwandlung von T4 (Thyroxin) zu T3 (Triiodthyronin) erforderlich. Vitamin D unterstützt den Körper bei der Immunregulation. Insbesondere Patienten mit autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen leiden unter einem Mangel an all diesen Nährstoffen. Probiotika scheinen Spurenelemente wie Selen, Zink und Kupfer zu speichern und in organische Verbindungen einbauen zu können. Die Supplementierung von Probiotika zeigt daher vorteilhafte Effekte auf die Schilddrüsenhormonbildung und die Schilddrüsenfunktion, das ist vor allem bei Patienten mit Mikronährstoffdefiziten der Fall [7].

Generell ist bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen ein Mangel an Spurenelementen nicht selten. Die Defizite können Folge der Erkrankung oder ein Faktor ihrer Entstehung sein. Ein Selendefizit steht z. B. im Zusammenhang mit der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies und der daraus resultierenden Entzündung [8]. Patienten mit Autoimmunerkrankungen sollten auch hinsichtlich eines Zinkdefizits untersucht werden, denn das essenzielle Spurenelement spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle bei der Immunregulation. Zahlreiche Studien zeigen, dass diese Patienten geringe Zink-Serum- und Plasmaspiegel haben, im Vergleich zu Gesunden [9].

Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren

Das Mikrobiom und die Integrität der intestinalen Epithelbarriere können auch durch einen Mangel an Vitamin D verändert werden. Zudem beeinflusst Vitamin D direkt immunologische Reaktionen und bei Autoimmunerkrankungen treten gehäuft Vitamin-D-Defizite auf [3]. Epidemiologische Daten zeigen, dass mit zunehmendem Breitengrad und der folglich geringeren Sonnenlichtexposition die Prävalenz für MS, T1D und CED steigt. Bei der Entstehung und dem Krankheitsverlauf von MS wurden genetische Varianten festgestellt, die den Vitamin-D-Status beeinflussen. Geringe Vitamin-D-vermittelte Wirkungen aufgrund eines ernährungsbedingten Defizits oder genetischer Beeinträchtigung der Vitamin-D-Rezeptor-Expression/Aktivität können die physikalische und funktionelle Integrität der intestinalen Barriere beeinträchtigen (Abb. 1) [3].

Weiterhin sind Omega-3-Fettsäuren von großem Interesse, denn randomisierte kontrollierte Studien (RCT) zu RA, SLE, Psoriasis und MS zeigten Symptomverbesserungen durch adjuvante Supplementation [10,11]. Aufgrund dieser vielversprechenden Daten wurde in der US-amerikanischen Studie „Vitamin D and omega 3 trial (VITAL)“ untersucht, ob Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren das Risiko für Autoimmunerkrankungen reduzieren können. Den 25 871 Studienteilnehmern (Frauen ≥ 55 Jahre und Männer ≥ 50 Jahre) wurden Vitamin D (2 000 IE/Tag) und/oder Omega-3-Fettsäuren (1 000 mg/Tag) oder Placebo verabreicht. Eine Vitamin-D-Supplementierung über fünf Jahre – mit oder ohne Omega-3-Fettsäuren – reduzierte das Risiko für Autoimmunerkrankungen um 22 %. Die Risikoreduktion durch Omega-3-Fettsäuren – mit oder ohne Vitamin D – lag bei 15 %, war jedoch statistisch nicht signifikant. Die kumulative Inzidenz für Autoimmunerkrankungen über fünf Jahre war in den Behandlungsgruppen niedriger im Vergleich zu Placebo (Abb. 2) [10].

Potenzial der pflanzlichen Polyphenole

Pflanzliche Polyphenole zeigen ebenfalls Potenzial in der Prävention und Therapie von Autoimmunerkrankungen wie T1D, RA und MS, indem sie Signalkaskaden regulieren, Entzündungen unterdrücken und die Demyelinisierung begrenzen. Zudem üben Polyphenole immunmodulatorische Effekte aus. Polyphenole sind reichlich in Früchten und Beeren, Gemüse, Hülsenfrüchten, Getreide, Oliven, Kakao, Tee, Kaffee und Wein enthalten. Außerdem finden sie sich z. B. in Gewürzen und in Olivenöl.

Curcumin ist ein Polyphenol aus der asiatischen Pflanze Kurkuma. Der Naturstoff wirkt entzündungshemmend, reduziert oxidativen Stress, hemmt die Tumorzellproliferation, den Zelltod und Infektionen. Zudem zeigt Curcumin immunmodulierende Effekte und wird in klinischen Studien zu verschiedenen Autoimmunerkrankungen, u. a. zu Colitis ulcerosa oder RA, untersucht. Drei größere RCT zu RA mit Curcumin-Dosierungen von 120 mg bis 1,2 g pro Tag zeigten Verbesserungen hinsichtlich des Krankheitsaktivitäts-Scores. Aufgrund seiner antiinflammatorischen Effekte kann sich Curcumin vorteilhaft als Adjuvanz in der Therapie von Autoimmunerkrankungen auswirken [12]. Zudem zeigt der Naturstoff synergistische Effekte in Kombination mit Naturstoffen wie Resveratrol, Piperin (Hauptalkaloid des schwarzen Pfeffers [Piper nigrum]), Catechinen, Quercetin und Genistein (u. a. in Sojabohnen). Um die tatsächlichen Vorteile von Curcumin zu erfassen, sind Studien mit längeren Beobachtungszeiträumen, größeren Kohorten und verschiedenen Dosierungen notwendig.

Heilung von Autoimmunerkrankungen bietet auch die Naturheilkunde nicht, aber Patienten können ganzheitlich begleitet und Beschwerden gelindert werden. Dabei sind Probiotika eine Option in der adjuvanten Therapie von Autoimmunerkrankungen. Jedoch wird es nicht das eine passende Probiotikum geben, sondern es muss der optimale Bakterienstamm bzw. eine Stammkombination für jede Erkrankung entwickelt und individuell sorgfältig ausgewählt werden [2].

Eindeutige Empfehlungen für Probiotika sowie für Supplemente wie Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren und Curcumin gibt es bisher nicht, da die Studien hierzu oft klein und von heterogenem Design sind. Die Ergebnisse der VITAL-Studie zeigen jedoch, dass Vitamin-D- (2 000 IU/Tag) und Omega-3-Supplemente (1 000 mg/Tag) mit geprüfter Qualität empfohlen werden können, um Autoimmunerkrankungen vorzubeugen, da sie in dieser Studie sicher und verträglich waren

Die Autorin

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt
Wissenschaftliche
Autorin & Referentin
18439 Stralsund

info@phar-med.de
www.phar-med.de

  1. www.monitor-versorgungsforschung.de/news/bevoelkerung-in-deutschland-leidet-immer-haeufiger-an-autoimmunerkrankungen (Stand: 29.06.2022)
  2. Piccioni A et al., Curr Med Chem 2022; 29: 3147–3159
  3. Yamamoto EA et al., Frontiers in immunology 2020; DOI 10.3389/fimmu.2019.03141
  4. Alipour B et al., Int J Rheum Dis 2014; 17: 519–527
  5. Zamani B et al., Int J Rheum Dis 2016; 19: 869–879
  6. Mandel DR et al., BMC Complement Altern Med 2010; 10: 1
  7. Knezevic J et al., Nutrients 2020; 12: 1769
  8. Sahebari M et al., Curr Rheumatol Rev 2019; 15: 123–134
  9. Sanna A et al., Nutrients 2018; 10: 68
  10. Hahn J et al., BMJ 2022 Jan 26; 376: e066452
  11. AlAmmar WA et al., Nutr Neurosci 2021 Jul; 24: 569–579
  12. Jadhav P et al., Nutrients 2020; 12: 2156
Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt