Die beste Voraussetzung für ein erfülltes Sexualleben sind das Erlernen der eigenen Bedürfnisse und das Erfahren des eigenen Körpers. Wenn die Lust auf Sex spürbar reduziert ist, können Phytotherapeutika unterstützen. Sie beeinflussen Neurotransmitter im Gehirn und sollen die genitale Durchblutung anregen.
Dass Erotik von innen kommt, ist eine Binsenweisheit. Und unsere „aufgeklärte“ Gesellschaft bietet ja genug Ansätze für ein erfülltes Sexualleben, sollte man meinen: als Single oder in der Partnerschaft, Sex mit und ohne Liebe, Mono- und Polygamie, Hetero- oder Homosexualität. Trotzdem steht die erlebte eigene Realität oft im Widerspruch dazu und der Stress, eigenen und fremden Erwartungen nicht zu genügen, ist der Nährboden für ein gehemmtes Sexualverhalten.
Leider ist selbst eine funktionierende Partnerschaft kein Garant für fortwährend stimmiges sexuelles Miteinander. Für Frauen ist es daher umso wichtiger, eine Sexualität im Einklang mit der eigenen Persönlichkeitsentwicklung zu finden. Jeder Mensch fasziniert auf seine ganz individuelle Weise, und dieser Einklang ist gelebte Erotik.
Eine gestörte Sexualität ist häufig Ausdruck psychischer Beschwerden. Dann findet eben kein Sex mehr statt, könnte man meinen. Das funktioniert aber nur, wenn es von beiden Partnern akzeptiert wird. Bestehen weiterhin sexuelle Fantasien, ist die Selbstbefriedigung ein guter und zuverlässiger Weg, sich mit dem eigenen Empfinden auseinanderzusetzen. Generationen von Frauen sind mit dem Ammenmärchen erwachsen geworden, dass Masturbation gefährliche Folgen hätte – alles Humbug. Im Gegenteil: Masturbation kann zur psychischen Gesundheit und Ausgeglichenheit beitragen. Die Hormonkaskade bei der Selbstbefriedigung ist die gleiche wie beim Sex mit einem Partner und auch die gewünschten Folgen sind identisch: Schmerzen werden gelindert, Schlaflosigkeit gebessert – das Selbstwertgefühl steigt. Je besser Frauen sich durch Masturbation kennenlernen, desto besser können sie ihre Sexualpartner anleiten.
Bei Lubrikationsstörungen können Gleitmittel helfen. Hier sind wasserlösliche Präparate vorzuziehen, da das Risiko von Infektionen geringer ist als bei denen auf Ölbasis. Empfehlenswert ist ein pflanzliches Gleitmittel aus dem Saft der Kiwipflanze, das frei von Hormonen, Parabenen und Silikonen ist. Die Anwendung von medizinischen Dilatatoren ist eine Art Desensibilisierung bei Dyspareunie, bei der die Scheide langsam gedehnt wird.
Grundsätzlich sollte, je nach Leidensdruck, auch über eine Psychotherapie nachgedacht werden. Sinnvoll ist bei festen Beziehungen eigentlich immer eine Paartherapie. Aber cave: Beide Partner müssen hinter der Therapie stehen und Vertrauen zum Therapeuten haben, sonst ist dieser Ansatz sinnlos.
Wenn sich keine kausalen Ursachen für fehlenden sexuellen Antrieb finden, die Patientin aber unter dem Libidomangel leidet, bieten sich verschiedene Phytotherapeutika an, die sowohl einzeln als auch in Kombination angewendet werden können [1].
Bekanntestes pflanzliches Aphrodisiakum ist Turnera diffusa (Damiana) [2], die schon von den indigenen Völkern Südamerikas im 16. Jahrhundert benutzt wurde. Die kleine Strauchpflanze gehört zur Gattung der Safranmalven, die wirksamen Bestandteile befinden sich vor allem in den Blättern der Pflanze, darunter Flavonoide, Terpene, Gerbstoffe und Koffein.
Der vollständige Wirkmechanismus ist nicht bekannt, Hypothesen gehen von einer für pflanzliche Arzneimittel typischen Gesamtwirkung aus Einzelwirkungen aus: Das bei sexueller Stimulation ausgeschüttete bioaktive Molekül NO stimuliert das Enzym Guanylatcyclase (GC), wodurch wiederum aus Guanosintriphosphat (GTP) zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) gebildet wird. Man spricht vom „NO-cGMPpathway“.
cGMP führt zur Relaxation glatter Muskelzellen und so zu einer stärkeren Durchblutung des Gewebes (Abb.) [3]. cGMP wird durch Phosphodiesterase Typ 5 (PDE-5) wieder abgebaut. Da pflanzliche Arzneimittel ihre Wirksamkeit nicht sofort entfalten, sollten solche Extrakte regelmäßig über vier bis acht Wochen eingenommen werden – das müssen Patientinnen wissen, um Enttäuschungen vorzubeugen.
Auch das peruanische Knollengewächs Lepidium meyenii (Maca-Pflanze) kann die Libido positiv beeinflussen. Extrakte sollen die Durchblutung des Beckens fördern und die Produktion von Estrogenen und Testosteron unterstützen. Bei Frauen sind Effekte auf Knochen, Libido und das gesamte Wohlfühlen beschrieben [4,5]. Ob diese Effekte auf Änderungen der Sexualhormone zurückzuführen sind, wird kontrovers diskutiert – man geht davon aus, dass andere Wirkmechanismen wichtiger sind.
Die traditionelle chinesische Medizin (TCM) kennt verschiedene Ansätze. So wird der Einnahme von Schisandrafrüchten eine Stärkung der Libido bei Frauen nachgesagt, indem die Inhaltsstoffe der Beere die Kontraktionen der Gebärmutter verstärken. Daneben sorgen die Früchte angeblich für eine bessere Durchblutung der Genitalregion, was sich ebenfalls stärkend auf die Libido auswirken könnte. Außerdem werden in der TCM der Vitalpilz Cordyceps sowie roter Ginseng (Panax ginseng) eingesetzt. Als Hauptwirkstoffe beim Ginseng gelten Saponine, der Wirkmechanismus ist unbekannt. Bei postmenopausalen Frauen wurde gezeigt, dass der Verzehr von Ginseng-Extrakt positive Auswirkungen auf Lebensqualität und Libido hat [6].
Ebenfalls aus Asien stammt der Ginkgo-Baum (Ginkgo biloba). Für Extrakte aus Blättern konnte gezeigt werden, dass der Verzehr die sexuelle Aktivität und mentale Parameter sowohl bei prä- als auch postmenopausalen Frauen signifikant steigerte [7]. Als Wirkstoffe gelten Ginkgolide und Terpenlactone, allerdings ist auch hier der genaue Wirkmechanismus noch ungeklärt.
Eine weitere natürliche Substanz, diesmal aus dem Tierreich, ist ein Extrakt aus Gelée Royale, dem Bienenwachs der Bienenkönigin. Auch hier sind die wirksamen Substanzen und der Wirkmechanismus völlig ungeklärt. In einer offenen Studie konnte aber gezeigt werden, dass viele menopausale Symptome abgemildert wurden [8]. Gleichzeitig beschrieben die Autoren positive Effekte auf den Antrieb sowie auf die Libido.
Mit der Sexualität muss eigentlich nie Schluss sein. Mehr als ein Drittel aller 60- bis 80-jährigen Frauen hat Sex und noch mehr äußern ihr Interesse daran. Mit zunehmendem Alter nimmt zwar das körperliche Verlangen ab, aber der Wunsch nach Zärtlichkeit, Sexualität und Befriedigung bleibt. Jeder Lebensabschnitt hat seine eigene Qualität. Frauen in der Postmenopause und im Senium sollten ihre Lebenserfahrung nutzen und sich Zeit für die Liebe nehmen. Slow Sex ist keine Technik – es ist eine Hommage an die Begegnung mit sich selbst, an das Spüren und Berühren.
FAZIT:
Über kaum ein medizinisches Gebiet wissen wir so wenig wie über die weibliche Lust – jenen „dunklen Kontinent“, wie Sigmund Freud das nannte. Wie Freud schon mutmaßte, hat sie aber viel mit Psyche zu tun – und deshalb sollte, je nach Leidensdruck, bei Störungen der Sexualität auch über eine Psychotherapie nachgedacht werden. Bei festen Beziehungen sollte das möglichst immer eine Paartherapie sein. Selbstbefriedigung kann zudem ein guter Weg für Frauen sein, sich mit dem eigenen Empfinden auseinander zu setzen. Zur Unterstützung bieten sich verschiedene Phytotherapeutika an, die sowohl einzeln als auch in Kombination angewendet werden können.
Die Autorin
Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard
Albert-Überle-Straße 11
69120 Heidelberg
1 Melnlyk JP et al., Food Res Int 2011; 44: 840–850
2 Krychman ML et al., Curr Sex Health Rep 2007; 4: 177–182
3 Kuchernig JC, J Gynäkol Endokrinol CH 2021; doi 10.1007/s41975-021-00193-0
4 Fauteck JD et al., Das Phytaminprinzip, Brandstätter Verlag 2014
5 Gonzales GF, Evid Based Complement Alternat Med 2012; 193496
6 Oh KJ et al., J Sex Med 2010; 7: 1469–1477
7 Cieza A et al., Fortschr Med Orig 2003; 121: 5–10
8 Georgiev DB et al., Med Gen Med 2004; 6: 46
Bildnachweis: privat