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Gynäkologie

Erste Leitlinie

Schwangerschafts­abbruch im 1. Trimenon

Dr. Klaus Dallibor

28.6.2023

Die DGGG hat eine Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon veröffentlicht [1]. Diese Maßnahme gilt als längst überfällig, denn im Gegensatz zu vergleichbaren Ländern war die Vorgehensweise bei einem Schwangerschaftsabbruch im Sinne evidenzbasierter ärztlicher Empfehlungen bislang vollkommen ungeregelt.

Schwangerschaftsabbrüche, die laut DGGG „zur gesundheitlichen Versorgung in Deutschland“ gehören und evidenzbasiert und interdisziplinär stattfinden sollten, werden hierzulande relativ häufig ausgeführt [2], knapp 100 000-mal im Jahr, mit letzthin deutlich abnehmender Tendenz (minus 29,9 % von 2001 bis 2021). Schwangerschaftsabbrüche müssen dem Bundesamt gemeldet werden.

2021 wurden rund 94 600 Abbrüche ausgeführt. Die meisten Abbrüche (51 %) kamen operativ durch Absaugmethode zustande, 11 % mittels Kürettage, und zwar meist (81 %) ambulant in Praxen. Der Progesteron- und Glukokortikoid-­Rezeptorantagonist Mifepriston war bei medikamentösem Abbruch das Mittel der Wahl. Ein früher Eingriff mit 200 mg Mifepriston gefolgt von 600 mg Misoprostol ist „hochwirksam und sicher“ [3], in Deutschland aber nur als Off-Label-Use einzustufen. Die Schwangere soll entsprechend aufgeklärt werden.

Als Zielpersonen der aktuellen Empfehlungen gelten Mediziner in Praxis und Klinik, Ärzte mit Abbrucherfahrung sowie Mitarbeitende von Beratungsstellen und die betroffenen Frauen selbst. Zweck ist die Vereinheitlichung von Beratung, Durchführung und Nachsorge beim Schwangerschaftsabbruch für den ambulanten und stationären Bereich. Die Leitlinie hat Gültigkeit vom

26. Januar 2023 bis zum 25. Januar 2026.

Politischer Einfluss auf das Strafrecht

Leitlinienkoordinator Prof. Dr. med. Matthias David, Charité Berlin, unterstrich die politisch motivierten Volten der Gesetzgebung des Paragrafen 218 Strafgesetzbuch:
• Im Kaiserreich Mai 1871 Androhung der Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe
• Strafentschärfung 1926
• Verbot von Abtreibungsmitteln 1933
• Strafverschärfung 1936 und 1943 bis hin zur Todesstrafe während des „Dritten Reiches“
• Unterschiedliche Regelungen in DDR und BRD: Im Osten zunächst Verbot, später Freigabe; im Westen zweimaliges Scheitern einer Strafrechtsreform im Deutschen Bundestag
• 1993 Verbot des Abbruches durch das Bundesverfassungsgericht
• „Schwangeren- und Familienförderungsgesetz“ 1995 mit der noch heute gültigen Formel: „rechtswidrig, aber straffrei“

Nicht zuletzt gelte das „in der Medizin einmalige“ Weigerungsrecht: „Niemand ist verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken.“

Mitsprache der betroffenen Frauen

Auf die spezielle psychische Situation der Betroffenen verwies Prof. Dr. med. Stephanie Wallwiener (Heidelberg): „Ein Schwangerschaftsabbruch kann für Frauen eine seelische und körperliche Herausforderung darstellen. Um so wichtiger ist es, den Fachkräften und somit auch den betroffenen Frauen eine informative Beratung und evidenzbasierte Behandlung nach bestem medizinischem Wissen zu ermöglichen.“ DGGG-Präsidentin Prof. Dr. med. ­Barbara Schmalfeldt (Hamburg) ergänzte: „Damit existiert für Deutschland endlich auch eine evidenzbasierte Handlungsempfehlung für alle Medizinerinnen und Mediziner, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.“ Angesichts der unterschiedlichen Positionen zum moralischen Status des werdenden Lebens ist laut Leitlinie „keine Einigkeit bei der ethischen Bewertung des Schwangerschaftsabbruches zu erwarten“.

1 Leitlinie „Schwangerschaftsabbruch im 1. Trimenon“, AWMF-Registernummer: 015-094, Leitlinienklasse: S2k, Stand: Dezember 2022, Version: 1.0. Text unter: www.awmf.org/org/leitlinien/detail/II/015-094.html
2 Epidemiologie – Statistisches Bundesamt: Gesundheit. Schwangerschaftsabbrüche 2020. Fachserie 12, Reihe 3, 2021
3 Raymond EG et al., Contraception 2013; 87: 26–37

Pressegespräch der DGGG, Berlin, Januar 2023

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