Adipositas und ihre metabolischen Folgeerscheinungen nehmen weltweit zu und sind die Hauptursache für die häufigsten Krankheiten in den Industrieländern, die mit dem metabolischen Syndrom verbunden sind. Das stellt Patienten und Behandler gleichermaßen vor große Herausforderungen.
Das beobachtete gleichzeitige Auftreten von metabolischen Risikofaktoren sowohl für Typ-2-Diabetes (T2D) als auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) führte zu der Annahme eines „metabolischen Syndroms“ (MetS) [1]. Entsprechend der aktuell verwendeten Definition von 2009 liegt ein Mets vor, wenn drei abnorme Befunde aus fünf vorliegen. Hierzu gehören: erhöhter Taillenumfang, erhöhte Triglyceride, vermindertes HDL-Cholesterin, erhöhter Blutdruck und erhöhte Nüchtern-Plasmaglucose oder T2D [2,3].
Risiko für Folgeerkrankungen reduzieren
Vor dem Hintergrund des erhöhten Risikos für T2D und CVD bei Vorliegen eines metabolischen Syndroms ist eine frühe Erkennung und Behandlung der zugrunde liegenden Stoffwechselstörungen von entscheidender Bedeutung, um das Risiko für Folgeerkrankungen zu minimieren. Ein Screening auf MetS sollte daher regelmäßig im Zuge von Routine-Untersuchungen erfolgen und die Bestimmung des Blutdrucks, Hüftumfangs, Nüchtern-Lipidprofils und -Blutzuckers umfassen. Zur weiteren kardiovaskulären Risikostratifizierung können zusätzlich etablierte Scores (z. B. SCORE2/SCORE2-OP oder ASCVD Risk Estimator) angewendet werden.
Therapieoptionen
Ziele der Therapie sind es, einerseits Übergewicht und Adipositas als Ursache des MetS zu beheben, andererseits die einzelnen kardiovaskulären Risikofaktoren zu behandeln. Zu den Therapiemaßnahmen gehört in allererster Linie die Umsetzung eines gesunden Lebensstils. Häufig ist jedoch auch begleitend eine pharmakologische Behandlung nötig.
Die Lebensstilmodifikation ist insbesondere für den (Prä-)Diabetes ein bewährter Therapieansatz und zeigt sogar einen nachhaltigeren Effekt als die medikamentöse Therapie [2]. Eine solche ist insbesondere häufig zur Behandlung des Bluthochdrucks notwendig [2]. Bei der Diabetestherapie im Zuge des MetS haben sich vor allem GLP-1-Rezeptor-Agonisten besonders günstig hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos erwiesen [3]. Bei der Therapie der Dyslipidämie sind vor allem Statine bewährt [3]. Auch bei der Adipositas bestehen medikamentöse Therapieoptionen, vor allem spielen GLP-1-Rezeptor-Agonisten eine zunehmende Rolle, es kommen hier aber auch chirurgische Interventionen in Betracht [4].
Da das metabolische Syndrom als chronischer Zustand betrachtet werden kann, ist eine langfristige und nachhaltige Betreuung erforderlich. Über die Anwendung von Fachwissen hinaus sollte das Therapiemanagement Wissensvermittlung und Aufklärung sowie Vertrauensbildung und Motivation beinhalten [2]. Dabei beruht die Betreuung auf individualisierten Therapieansätzen. Ältere und gebrechliche Personen sollten nicht übertherapiert werden [2].
Die Frage, ob das Mets als eigenständige Krankheitsentität betrachtet werden kann, ist umstritten. Somit ist auch unklar, ob das MetS selbst therapiert werden kann [3]. Es besteht aber Einigkeit darüber, dass die einzelnen Komponenten identifiziert und ggf. behandelt werden müssen, um die assoziierte Morbidität und Mortalität zu reduzieren [2]. Hier scheint vor allem die Therapie der Adipositas und der Insulinresistenz besonders Erfolg versprechend [3]. Da die individuelle Ausprägung des Syndroms unterschiedlich ist, müssen beim therapeutischen Vorgehen die zugrunde liegenden Stoffwechselstörungen sowie deren Schwere berücksichtigt werden.
Nicht selten liegen komplexe Risikokonstellationen aus ungünstigen biologischen, aber auch sozialen Faktoren vor, die mit einem ungesunden Lebensstil einhergehen. Anstatt alle Faktoren gleichzeitig zu ändern, empfiehlt sich ein stufenweises Vorgehen, um nachhaltige Veränderungen zu erzielen [2].
Zielwerte bei Polymorbiditäten
Bei allen Patienten ist eine gesunde Ernährung (Ballaststoffe, Gemüse, Obst und Fisch, Reduktion von gesättigten Fettsäuren), ausreichend körperliche Aktivität (3–7 Stunden intensives Training pro Woche oder 30–60 Minuten an den meisten Tagen) sowie absolute Nikotinkarenz anzustreben [5].
Die therapeutischen Zielwerte der Einzelkomponenten richten sich meist nach Erkrankungsrisiko, Vorhandensein von Begleiterkrankungen sowie dem Alter der Patienten.
Adipositas
Die Adipositas hat als chronische Erkrankung eine hohe Rezidivneigung, weswegen Maßnahmen zur Gewichtsstabilisierung nach einer Gewichtsabnahme eine hohe Bedeutung zukommt [4]. Je höher der Body-Mass-Index (BMI), desto höher sollte die Gewichtsreduktion ausfallen.
BMI 25–35 kg/m2: > 5 % innerhalb von 6–12 Monaten
BMI > 35 kg/m2: > 10 % innerhalb von 6–12 Monaten
Diabetes mellitus
Grundsätzlich ist bei einem HbA1C < 7 % das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen reduziert, weniger Evidenz gibt es für makrovaskuläre Komplikationen [6]. Hypoglykämien sind zwingend zu vermeiden. Ebenso ist eine möglichst geringe Glucose-Variabilität anzustreben, hier können Medikamente unterstützen, die den postprandialen Glucose-Anstieg reduzieren (Inkretin-basierte Medikamente und SGLT2-Inhibitoren) [6]. Je nach Alter sind folgende HbA1C-Werte anzustreben [6]:
HbA1C 6–6,5 %, solange dies ohne Auftreten von Hypoglykämien erreicht werden kann bei jüngeren Patienten mit kürzerer Krankheitsdauer und ohne bekannte kardiovaskuläre Erkrankungen.
HbA1C < 8 % oder < 9 % bei älteren Patienten, mit langjährig bestehendem T2D, begrenzter Lebenserwartung, Gebrechlichkeit sowie mit multiplen Komorbiditäten inkl. hypoglykämischer Episoden.
Dyslipidämie und arterielle Hypertonie
Hinsichtlich der Dyslipidämie richten sich die Zielwerte in Deutschland nach der aktuellen Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC; Tab. 1) [5]; bei der Hypotonie nach der Leitlinie der ESC und der European Society of Hypertension (ESH; Tab. 2) [7].
Zusammenfassend stellt das metabolische Syndrom eine komplexe und multifaktorielle Erkrankung dar, die ein umfassendes und individualisiertes Konzept für die Behandlung erfordert. Eine Kombination aus Lebensstilmaßnahmen, pharmakologischer Therapie und vor allem enger Betreuung der Betroffenen ist entscheidend für die Verringerung von Langzeitrisiken. Auch die Definition des MetS wird weiterwachsen: so ist jetzt schon bekannt, dass erhöhte Harnsäurewerte, Leberverfettung und Inflammation eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie spielen. Hier sind also Neuerungen, auch hinsichtlich etablierter Grenzwerte, zu erwarten.
Die Autorin
Nina Meyer
Assistenzärztin
Medizinische Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin
Campus Charité Mitte
1 Haffner SM et al., Diabetes 1992; 41: 715–22
2 Nilsson PM et al., Eur J Prev Cardiol 2019; 26: 33–46
3 Fahed G et al., Int J Mol 2022; 23: 786
4 Hauner H et al., S3-Leitlinie „Adipositas“, AWMF-Register Nr. 050/001, 2014
5 Mach F et al., Eur Heart J 2020; 41: 111–88
6 Cosentino F et al., Eur Heart J 2020; 41: 255–323
7 Williams B et al., Eur Heart J 2018; 39: 3021–104
Bildnachweis: privat