Mit dermanostic ist ein Besuch in einer dermatologischen Praxis rund um die Uhr möglich. Dr. med. Alice Martin, eine der Gründerinnen des digitalen Angebots, erläutert im Interview, wie es im Detail funktioniert, welches Patientenklientel davon profitiert und warum es zukunftsorientiert ist.
Dr. Martin, was genau kann man sich unter einer Hautarzt-App vorstellen?
Wir sind eine digitale Hautarztpraxis. Das funktioniert so: Ein Patient lädt sich zunächst eine Online-Hautarzt-App auf sein Smartphone. Danach fotografiert er die betreffende Hautstelle und lädt 3 Fotos zusammen mit einem ausgefüllten Fragebogen hoch. Ein Hautarzt oder eine Hautärztin begutachtet diese Informationen und stellt eine Diagnose. Diese erhält der Patient als Arztbrief in Form eines PDF innerhalb von 24 Stunden. Das Privatrezept schicken wir per Post zum Patienten oder direkt an eine Apotheke.
Bleiben bei einer schriftlichen Diagnose nicht oft Details ungeklärt? Immerhin kann der Patient nicht nachfragen.
Nein, normalerweise nicht. Der Arztbrief enthält einen Kurzbrief, aus dem alle Fakten wie Diagnose und Therapie ersichtlich sind. Zusätzlich verschicken wir einen langen Brief, in dem unter anderem der Hautzustand und die Erkrankung erläutert werden sowie die Medikation, z. B. geben wir Anwendungshinweise und liefern Details zu den Wirkstoffen. Die Briefe sind patientenfreundlich verfasst und enden mit einem persönlichen Bezug.
Was machen Patienten oder Patientinnen, die kein mobiles Endgerät haben, auf das sie die App ziehen können?
Wir haben immer einige Patienten und Patientinnen, bei denen beispielsweise die Kinder oder Enkelkinder die App auf ihr Smartphone laden und so die Daten an uns übermitteln. Oder auch Eltern, die das für ihre Kinder übernehmen. Das funktioniert für gewöhnlich reibungslos.
Sie sind eins der vier Gründungsmitglieder. Wie kam es zur Gründung von dermanostic?
Der Gedanke dazu kam Estefanía Lang und mir während unserer Tätigkeit an der Hautklinik der Uni Düsseldorf. Wir erhielten öfter von Bekannten, Verwandten, Freundinnen oder Freunden Fotos von Hautveränderungen zusammen mit der Frage, was es damit auf sich hätte. Uns fiel auf, dass wir fast immer eine Diagnose stellen konnten – allerdings war kein Rezept möglich. Daraus entwickelten wir die Idee zu einem Online-Hautarzt per App, was wir mit unseren Ehemännern Ole Martin und Patrick Lang, die ebenfalls Ärzte sind, im Oktober 2019 gründeten. Der Launch war 2020, also während der Pandemie und eines plötzlich hohen Bedarfs an Online-Angeboten. Inzwischen behandeln wir digital täglich zwischen 200 und 300 Patientinnen und Patienten.
Wir haben ein Team von derzeit 12 Ärztinnen und Ärzten, die für uns in einem Rotationsverfahren tätig sind. Dazu kommen Krankenschwestern sowie ein Marketing- und IT-Team. Zusätzlich betreiben wir in Solingen eine dermatologische Praxis. Wenn z. B. eine Patientin lieber ein persönliches Gespräch möchte, kann sie uns dort aufsuchen. Vergangenes Jahr sind wir mit dermanostic von Düsseldorf nach Solingen gezogen, sodass jetzt alles in einem Gebäude ist: unten die Hautarztpraxis, oben die digitale Behandlung.
Wie ist die Kostenerstattung geregelt?
Alle Leistungen werden nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) berechnet. Grundsätzlich handelt es sich um eine Selbstzahler-Leistung. Einige der gesetzlichen Krankenkassen übernehmen aber die Kosten. Außerdem können Versicherte der BARMER den Service über die Teledoktor-App nutzen. Alle privaten Krankenkassen erstatten die Kosten für Behandlung und Medikamente sowie für das Privatrezept.
Verstehen Sie dermanostic als Konkurrenz zu herkömmlichen dermatologischen Praxen?
Nein, absolut nicht. Die Online-Hautarzt-App ist eine digitale Ergänzung. Unsere Patientinnen und Patienten haben überwiegend eine akute Erkrankung, beispielsweise eine Hautveränderung nach einem Urlaub. Von chronischen Erkrankungen Betroffene haben wir so gut wie nicht in unserer Patientenliste. Außerdem haben wir Erkrankte, die keinen Vor-Ort-Termin erhalten haben oder die aufgrund von Schamgefühl lieber zu Hause und anonymer behandelt werden möchten.
Inwiefern können interessierte Dermatologen und Dermatologinnen mit dermanostic kooperieren?
Wir haben ein deutschlandweites Netzwerk aus aktuell rund 300 dermatologischen Praxen. Dazu gehören Vertragsärzte und -ärztinnen genauso wie Privatarztpraxen. Wenn es medizinisch notwendig ist, dass eine Behandlung vor Ort stattfindet oder jemand weiterbehandelt werden muss, vermitteln wir nach Möglichkeit an eine Praxis aus unserem Netzwerk. Das geschieht aber nur nach vorherigen Absprachen – mit dem Praxispersonal und dem Patienten oder der Patientin.
Wie schätzen Sie die Zukunft der digitalen Behandlungen ein? Kurz: Wo geht die Reise hin?
Mit dermanostic sehen wir, dass ein Bedarf an digitalen Behandlungen herrscht. In Deutschland sind die Angebote aber noch sehr begrenzt. Das ist in anderen Ländern anders. Da ist die Telemedizin deutlich weiter verbreitet – und die Hürden für die Arztpraxen, eHealth anzubieten, sind wesentlich niedriger als hier. Ich wünsche mir, dass wir in Deutschland nachziehen und auch in anderen medizinischen Bereichen digitale Angebote bereitstellen werden. Zum Beispiel könnten Vorbesprechungen für Operationen online stattfinden. Für viele Patienten und Patientinnen wäre es eine Entlastung, diese von zu Hause aus wahrnehmen zu können. Allerdings müssen dafür auch die Abrechnungsmöglichkeiten erweitert werden, sodass eine Behandlung nicht mehr nur abgerechnet werden kann, wenn sie in den Praxisräumen stattfindet. Insgesamt hoffe ich, dass wir in 2–3 Jahren eine wesentlich etabliertere Telemedizin als heute haben werden.
Im Gespräch
Dr. med. Alice Martin
Hautärztin in Weiterbildung
Mitgründerin und Mitinhaberin von „dermanostic – Hautarzt per App“
Bildnachweis: Patrycia Lukas