Die Entwicklung von Glitazaren wie Tesaglitazar als Antidiabetika scheiterte 2006 an ihrem ungünstigen Risikoprofil – obwohl sie wegen ihrer Wirksamkeit auf Blutzucker und Blutfettwerte als Hoffnungsträger galten. Als Konjugat an GLP-1-RA ist die Wirkstoffklasse wieder im Rennen.
Die Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptoren alpha und gamma (PPARα/γ) regulieren als ligandenaktivierte Transkriptionsfaktoren Gene, die mit dem Stoffwechsel in Verbindung stehen. Während die Aktivierung von PPARα durch Fibrate primär den Leberfettstoffwechsel und Cholesterolmetabolismus verbessert, bewirkt die Aktivierung von PPARγ durch Glitazone (TZD) eine Erhöhung der Insulinsensitivität im peripheren Gewebe (adipöses Gewebe, Leber und Skelettmuskulatur). PPARγ-messenger-RNA wurde aber auch im Hypothalamus detektiert, der für die Energiebilanz zuständig ist. Eine durch den dritten Ventrikel adenoviral bedingte Überexpression von PPARγ verringert die Nahrungsaufnahme bei mageren und diätinduzierten übergewichtigen (DIO) Mäusen. Eine Hemmung der Nahrungsaufnahme via PPARγ-Aktivierung im Hypothalamus ist jedoch nicht widerspruchsfrei, denn bei Ratten erhöhte die viral vermittelte Überexpression von PPARγ oder die Gabe des PPARγ-Agonisten Rosiglitazon Nahrungsaufnahme und Gewicht. Darüber hinaus bewirkte die systemische Aktivierung von PPARγeine vermehrte Nahrungsaufnahme und Körpergewichtszunahme bei fettreich gefütterten Nagetieren, während die neuronenspezifische Vernichtung von PPARγNahrungszufuhr und Körpergewicht verringerte.
Fibrate und Glitazone zeigten in klinischen Studien neben positiven Einflüssen auf Glucose- und Fettstoffwechsel auch kardiovaskulären Benefit. Das trieb die Entwicklung von dualen PPARα/γ-Agonisten, den Glitazaren, für die Therapie von Typ-2-Diabetes (T2D) und Dyslipidämie voran. In klinischen Studien verbesserten Glitazare effektiv Glucose- und Fettstoffwechsel. Die weitere Entwicklung wurde jedoch gestoppt, da unter Glitazaren kardiovaskuläre und renale Nebenwirkungen auftraten.
Wiederbelebung von Tesaglitazar
Auch Tesaglitazar konnte in klinischen Phase-II- und -III-Studien hinsichtlich der Effektivität bei der Senkung von Glucose- und Fettwerten überzeugen. Die unerwünschten Effekte waren dosisabhängig und umfassten Gewichtszunahme, erhöhte Serum-Kreatininlevel oder eine verringerte glomeruläre Filtration. In 2006 wurde die Entwicklung aufgrund des ungünstigen Nutzen-/Risikoprofils und weil es somit existierenden Therapien nicht überlegen war, gestoppt.
Forscher des Helmholtz Zentrums München und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung, die bereits seit Jahren „Poly-Agonisten“ für die Therapie von T2D und Adipositas untersuchen, wollten nun herausfinden, was die Konjugation von Tesaglitazar an ein Magen-Darm-Hormon für die T2D-Therapie bedeuten kann [1]. Sie banden das „Small Molecule“ Tesaglitazar kovalent an ein biochemisch optimiertes nicht azyliertes Glukagon-ähnliches-Peptid-1-Analogon (GLP-1-RA). Das Konjugat zeigte erhöhte Wirksamkeit bzgl. Reduktion von Nahrungsaufnahme und Körpergewicht sowie der Verbesserung des Glucosemetabolismus im Vergleich zu GLP-1-RA, Tesaglitazar und der Fixkombination von GLP-1-RA und Tesaglitazar bei männlichen DIO-Mäusen. Bei GLP-1-RA-Knock-out-Mäusen konnte GLP-1-RA/Tesaglitazar keine vergleichbaren Effekte erzielen. In DIO-Mäusen ließ sich zudem die Senkung des Blutzuckers und des Körpergewichts in Dosierungen erreichen, die unterhalb der Einzeldosierungen von GLP-1-RA und Tesaglitazar lagen.
Ein besonders erwünschter Effekt: Mit der kovalenten Bindung von Tesaglitazar an ein GLP-1-RA gelangt der duale PPARα/γ-Agonist nur in Gewebe, das den Rezeptor für GLP-1 enthält. Dadurch werden die Nebenwirkungen von Tesaglitazar reduziert. Zudem addieren sich so die Effekte auf den Glucosestoffwechsel.
Als nächstes sollte der Frage nachgegangen werden, ob sich die positiven Effekte von GLP-1-RA/Tesaglitazar auf Menschen übertragen lassen – bei Unterdrückung der unerwünschten Nebenwirkungen von Tesaglitazar. Dass Tesaglitazar in früheren Untersuchungen oral in sehr viel höherer Dosierung verabreicht wurde als das peripher applizierte Konjugat, deutet darauf hin, dass mit GLP-1-RA/Tesaglitazar deutlich weniger Nebeneffekte zu erwarten sind. Zudem gelangt GLP-1-RA nur in Zellen, die GLP-1-RA exprimieren. Im Herzen sind diese aber nur in ganz wenigen Zellen zu finden.
DZD - DER AUTOR
PD Dr. rer. nat. Timo D. Müller
Leiter des Instituts für Diabetes und Adipositas
Deutsches Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit Helmholtz Zentrum München
timo.mueller@helmholtz-muenchen.de
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