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Allgemeinmedizin

Hypnic Headache

Nächtliche Kopfschmerzattacken

Prof. Dr. med. Dr. phil. Stefan Evers

1.2.2024

Der schlafgebundene Kopfschmerz ist ein seltenes primäres Kopfschmerzsyndrom, das häufig zur gleichen Uhrzeit aus dem Schlaf heraus auftritt. Die Ursache ist noch ungeklärt. Die Diagnose erfolgt nach den Kriterien der International Headache Society (IHS) auf Grundlage des klinischen Erscheinungsbildes.

Man schläft ruhig vor sich hin und wacht plötzlich mit Kopfschmerzen auf – und das jede Nacht wieder. Wenn das der Fall ist, liegt sehr wahrscheinlich der schlafgebundene Kopfschmerz vor. Dabei kommt es zu häufig wiederkehrenden Kopfschmerzattacken, welche die Betroffenen aus dem Schlaf aufwecken. Und das oft jede Nacht um ­die gleiche Uhrzeit oder häufig auch aus den REM-Schlafphasen heraus. Selten berichten die Betroffenen auch über Attacken aus dem Mittagsschlaf. Charakteristisch ist außerdem, dass die Kopfschmerzen bis zu 4 Stunden anhalten, ohne charakteristische Begleitsymptome auftreten und keiner anderen Erkrankung zuzuschreiben sind (Tab.). Häufig wird für diesen Kopfschmerz auch im Deutschen der englische Begriff „Hypnic Headache“ verwendet. Früher wurde auch der Begriff „Alarm Clock Headache“ benutzt, um den Wecker-artigen Charakter des Kopfschmerzes zu verdeutlichen. Diese Kopfschmerzform wurde erstmals 1988 beschrieben [1] und erstmalig 2003 in die Kopfschmerzklassifikation der International Headache Society (IHS) aufgenommen. Die Diagnose erfolgt nach den Kriterien der International Headache Society bzw. der American Academy of Sleep Medicine auf der Grundlage des klinischen Erscheinungsbildes.

Eigene Kopfschmerzentität

Es handelt sich um eine eigene Kopfschmerzentität. Besonders wichtig ist die Unterscheidung von einer trigemino-autonomen Kopfschmerzerkrankung, insbesondere von einem Clusterkopfschmerz, der ebenfalls streng nachts auftreten kann. Typischerweise fehlen beim schlafgebundenen Kopfschmerz die autonomen Begleitsymptome, die vom Clusterkopfschmerz bekannt sind. Andere mögliche ­Ursachen von Kopfschmerzen, die zum Aufwachen führen, sollten ausgeschlossen werden, z. B. Schlafapnoen, nächtliche Hypotonie, Unterzuckerung und Medikamentenübergebrauch. Darüber hinaus müssen intrakranielle Erkrankungen ausgeschlossen werden. Das Vorliegen eines Schlafapnoe-Syndroms schließt jedoch nicht zwingend die Diagnose eines schlafgebundenen Kopfschmerzes aus.

Symptomatik

Der schlafgebundene Kopfschmerz beginnt meist nach dem 50. Lebensjahr, kann jedoch auch bei jüngeren Menschen auftreten, sehr selten sogar bei Kindern. Der Schmerz ist meist von leichter bis mittelstarker Intensität, ein Fünftel der Patientinnen und Patienten berichtet allerdings von starken Schmerzen. Bei etwa zwei Dritteln der Betroffenen ist der Schmerz bilateral. Die Attacken halten meist 15–180 Minuten an [2]. In den meisten Fällen tritt der Kopfschmerz täglich oder beinahe täglich auf, doch kann auch ein episodischer Subtyp (an < 15 Tagen/Monat) vorliegen.

Der schlafgebundene Kopfschmerz kann sowohl in einer akuten Attacke als auch prophylaktisch behandelt werden.

Ursprünglich ging man davon aus, dass der schlafgebundene Kopfschmerz spannungstypartig ist, ­Patientinnen und Patienten können aber auch migräne­artige Merkmale aufweisen. Die Häufigkeit des schlafgebundenen Kopfschmerzes ist nicht ­bekannt. In einer Feldstudie lag die Prävalenz bei 0,2 %, wahrscheinlich wird dies aber unterschätzt [3]. Es gibt kein Überwiegen eines Geschlechts. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer liegt bei vielen Jahren, es kann aber zu einem prompten Sistieren kommen.

Ursache unbekannt

Der Beginn des schlafgebundenen Kopfschmerzes weist keinen sicheren Zusammenhang mit einem Schlafstadium auf, obwohl es Hinweise auf einen ­Zusammenhang mit dem REM-Schlaf gibt [4[. Eine MRT-Untersuchung ergab eine Volumenreduzierung der grauen Substanz im Hypothalamus von Erkrankten mit schlafgebundenem Kopfschmerz [5]. Insgesamt ist der schlafgebundene Kopfschmerz bislang allerdings zu selten, um Patientinnen und Patienten in größeren kontrollierten Studien zu untersuchen.

Therapie

Therapie der ersten Wahl ist das Trinken eines starken Kaffees/Espressos präventiv vor dem Schlafengehen am Abend. Darunter kann der nächtliche Kopfschmerz ausbleiben. Zudem kann sich die Einnahme in der akuten Schmerzattacke günstig auswirken. In der Regel sind 1 oder 2 Tassen ausreichend, um einen Effekt zu erzielen. Das wirksamste Medikament und damit Medi­kament der ersten Wahl ist Lithium (0,6–1,2 mmol/l), das allerdings häufig zu Nebenwirkungen führen kann und bei zahlreichen Erkrankungen nicht gegeben ­werden darf. Als Alternativen zu Lithium werden im Allgemeinen ausprobiert: Indometacin bis 200 mg; ­Flunarizin 10 mg; Verapamil 320 mg [2,6].

Mehr praxisrelevantes Wissen finden Fachkreise ­online im Migräne- und Kopfschmerz-Guide unter www.mk-guide.org, einem Projekt der DMKG Initiative „Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen“.

Der Autor

Prof. Dr. med. Dr. phil. Stefan Evers
Chefarzt der Klinik für Neurologie
Krankenhaus Lindenbrunn in Coppenbrügge

neurologie@krankenhaus-lindenbrunn.de

1 Raskin NH, Headache 1988; 28: 534–6
2 Evers S et al., Neurology 2003; 60: 905–9
3 Evers S et al., Cephalalgia 2003; 23: 20–3
4 Holle D et al., Ann Neurol 2011; 69: 533–9
5 Eliasson JH et al., Cephalalgia 2020; 40: 863–5
s6 Holle D et al., Cephalalgia 2010; 30: 1435–42

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Bildnachweis: privat

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