Laut Adolph Freiherr von Knigge sind die Verschwiegenheit und ihre treue Begleiterin, die Diskretion, wesentliche Bestandteile guter Manieren. Und auch in der modernen Frauenarztpraxis sollte Diskretion zu den obersten Geboten gehören.
Ein Besuch beim Frauenarzt ist für Ihre Patientinnen immer ein „besonderes Ereignis“. Scheinbare Kleinigkeiten werden dabei zu – nicht zu unterschätzenden – Imagefaktoren für die Praxis. Und von der erlebten Qualität der Empfangs- und Aufenthaltssituation wird oft auch auf die – für Patientinnen nur schwer zu beurteilende – medizinische Qualität geschlossen. Und es sind immer wieder die kleinen Dinge, die AHA-Erlebnisse auslösen. Dazu gehört die positiv besetzte Fähigkeit und Fertigkeit, Geheimhaltung und Vertraulichkeit in jedem Fall zu wahren: Diskretion. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes stammt aus dem Klosterleben der Benediktiner. Dort wird die Diskretion als Kunst der weisen Unterscheidung von Zuviel und Zuwenig beschrieben – als Gabe, das rechte Maß zu finden. Das Bedürfnis – ja, das Recht – auf Integrität von personengebundenen Daten, Fakten und Ereignissen gilt ganz besonders in der Gynäkologie. Hier tragen Patientinnen mit großem Vertrauen ihre intimsten Probleme und Geheimnisse vor. Offenheit und Vertrauen sind notwendig für die Betreuung und Therapie. Das beinhaltet zwangsläufig aber auch das Verschweigen von Anvertrautem und den feinfühligen, diskreten Umgang mit der Klientel. Patientinnen sollten immer als Persönlichkeit ernst genommen und respektiert werden. Die Tatsache, dass sie sich der Frauenarztpraxis anvertrauen, bedeutet immer auch eine große Verantwortung, weil gerade dort im Bereich intimer Distanzzone gearbeitet wird.
Mit Takt, Einfühlungsvermögen und Professionalität sollen Ihre MFAs die Arbeit an der Rezeption meistern. Neben der Selbstverständlichkeit sozialer Kompetenz (freundlich, zugewandt, höflich) zeigt sich Diskretion in feinen Gesten und Manieren. Gutes Benehmen im Umgang mit Patientinnen zeigt nicht nur Menschlichkeit und Takt, sondern kann ein echtes Markenzeichen der Praxis werden, wenn alle es leben.
Die Diskretion im Umgang mit Patientinnen vermittelt vor allem Vertrauen und Respekt. Dies beginnt schon am Telefon und verlangt kluges Fingerspitzengefühl, vor allem bei neuen Patientinnen. In jedem Fall muss sichergestellt werden, dass niemand die Gespräche mithören kann. Im Zweifelsfall sollte das Telefonat in einen Nebenraum umgestellt oder ein Rückruf angeboten werden. Viele Psychotherapeuten haben ihre Wartezonen so organisiert, dass sich Patienten dort nicht begegnen müssen. Bei entsprechenden räumlichen Voraussetzungen ist das sicher auch für eine Frauenarztpraxis keine schlechte Idee. Der explizite Hinweis auf einen hohen Qualitätsstandard auch im Bereich der Diskretion, sollte nicht nur Bestandteil des Qualitätsmanagement-Konzeptes („Praxis-Knigge“) sein, sondern auch in den täglichen Sprachgebrauch der Praxismitarbeiterinnen einfließen. Als Teil der (schriftlich formulierten) Praxisphilosophie ist es sinnvoll, das Praxisleitbild öffentlich zu machen: auf der Praxis-Homepage oder durch Aushang in den Wartebereichen (siehe Kasten). Ganz gleich, wie Ihre individuelle Praxisorganisation aussieht, die Verantwortung für die strikte Einhaltung eines hohen Niveaus im vertraulichen Umgang mit den Patientinnen trägt der Praxisinhaber. Ein kontinuierliches „Refreshing“ der Thematik in den Teambesprechungen hat sich bewährt, um den selbst gewählten Standard dauerhaft zu halten.
Erst ab einem Schallpegel von 85 Dezibel kann das Hörvermögen dauerhaft geschädigt werden, aber bereits ab einer Lautstärke von 50 Dezibel schaltet das Nervensystem des Menschen in den Stressmodus. Schallschutzmaßnahmen im gesamten Gesprächs- und Behandlungsbereich der Praxis sind daher empfehlenswert. Eine dezente Hintergrundmusik kann hilfreich sein, damit man nicht die sprichwörtliche Stecknadel fallen hört. In jedem Fall sind lautes Türen schlagen, unangemessene Lautstärke, private Gespräche im Team oder Herumalbern zu unterlassen. Es gilt immer zu bedenken, dass Patientinnen die interne Kommunikationskultur des Teams während ihres gesamten Praxisaufenthaltes sehr deutlich registrieren und bewerten. Selbstverständlich sollte es sein, dass vertrauliche Gespräche ausschließlich in geschlossenen Räumen stattfinden und dass niemand mithören kann. Gepflegte Umgangsformen und unbedingte Diskretion beim Aufenthalt in der Praxis signalisieren den Patientinnen Wertschätzung und Vertrauen. Neben einer gepflegten Ausdrucksweise und Sprache sollte auch die Lautstärke herunter reguliert werden. Ein ruhiger Umgangston und die Reduktion störender Geräusche unterstreichen den „Club-Charakter“ eines angenehmen Ambientes. Akustisches Ziel sollte sein, eine wohltuende Atmosphäre der Ruhe zu schaffen, mit der gelungenen Mischung zwischen peinlicher Stille und störendem Lärm. In diesem Zusammenhang ist auch die Überlegung anzustellen, den Klingelton des Praxistelefons durch ein optisches Signal zu ersetzen. Dadurch wird der Stresspegel – nicht nur bei den Patientinnen – deutlich reduziert. Das Anklopfen, bevor man in ein Behandlungszimmer eintritt, ist ein häufig unterschätztes, feines Signal im Rahmen der Praxis-Knigge, das vor allem Respekt und Höflichkeit ausdrückt. Für viele Praxisteams ist es selbstverständlich, vor dem Betreten des Arztzimmers anzuklopfen. Aber wie steht es mit Umkleidekabinen und Untersuchungsräumen, in denen sich Patientinnen aufhalten? Gerade in diesen Situationen, in denen Patientinnen ganz oder teilweise unbekleidet warten müssen, kann durch das Klopfen das wichtige Zeichen gesetzt werden, das dem Anderen zeigt: ich respektiere und achte Ihre ohnehin schon eingeschränkte Imtimsphäre. Zumindest bringt man die Patientin nicht in die Peinlichkeit, plötzlich und unvorbereitet dem Blick eines anderen Menschen ausgesetzt zu sein. Das Anklopfen zeigt auch ohne Worte an: Achtung, da kommt jemand und – Entschuldigung für die Störung. Die einfache Geste des Anklopfens zeigt – jedem, der es mitbekommt – viel von einer gelebten Praxisphilosophie.
Patientinnenzufriedenheit erreicht man, wenn man die Patientinnen so behandelt, wie man selbst auch behandelt werden möchte. Hoffnungen und Erwartungen werden dabei bestätigt durch positive Signale wie einem Lächeln, freundlichem Zunicken, Tür aufhalten und in den Mantel helfen. Dieses gute Benehmen steht für Menschlichkeit und Takt. Außerdem macht es Spaß, wenn man an den Reaktionen der Patientinnen Dankbarkeit und Zufriedenheit aufgrund des sensiblen, empathischen Verhaltens des Praxisteams ablesen kann. Und auch wenn Sie meinen, dass Ihnen solche Regeln in Fleisch und Blut übergegangen sind: Im Umgang mit Menschen ist es notwendig, von Zeit zu Zeit darüber nachzudenken, was aus Distanzgründen denn gut ist und was Sie vielleicht besser machen könnten. Gerade in der Gynäkologie wird sehr viel Intimes und Persönliches preisgegeben. Das gelegentliche Innehalten schafft immer wieder das Bewusstsein für die Notwendigkeit, dass Diskretion, Takt und Feingefühl unabdingbare Prinzipien in der gynäkologischen Privatpraxis sind.
Fazit
Erstklassige Umgangsformen, die auch alle Diskretionsbemühungen umfassen, haben gerade in der Privatpraxis einen hohen Stellenwert. Als Teil eines anspruchsvollen Patientinnen-Betreuungs-Managements sollten praktische Fähigkeiten am Telefon und im Patientinnen-Gespräch immer wieder aufgefrischt und trainiert werden. Absolute Verlässlichkeit des gesamten Teams im Umgang mit den sensiblen Patientenakten und sehr persönlichen Diagnosen muss gewährleitet sein. Hier sind Vertrauen, Transparenz und demokratische Kontrolle (Stichproben; interne Audits) erwünscht und notwendig, um den hohen Qualitätsstandard dauerhaft zu halten. Motto: „Diskretion – bei uns Ehrensache!“
Die Autorin
Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)
Bildnachweis: privat